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Musizieren für den „Seelengrund“ – Bundespräsident Joachim Gauck ehrt traditionsreiche Chöre und Orchester in Celle

CELLE. Im Rahmen der Tage der Chor- und Orchestermusik 2015, die am heutigen Sonntag zu Ende gingen, überreichte Bundespräsident Joachim Gauck an 26 Chöre und 8 Orchester die höchsten Auszeichnungen der Amateurmusik. Stellvertretend für alle geehrten Ensembles erhält der Kirchen- und Projektchor an St. Lambertus Erkelenz die erste Zelter-Plakette und der Posaunenchor der Ev. Luth. Kirchengemeinde Muster die erste Pro-Musica-Plakette des Jares aus den Händen des Staatoberhauptes.

Für die Musiker ist es in jedem Jahr eine große Ehre an diesen Tagen ihre Musik dem Publikum präsentieren zu dürfen. Nach dem fulminanten Auftaktkonzert „Eine musikalische Weltreise“, konnten dann auch alle Chöre und Orchester ihr Können am Samstag in der „Nacht der Musik“ zeigen. Über die ganze Stadt verteilt öffneten 10 Veranstaltungsorte ihre Türen, um Musik erklingen zu lassen.

Das Celler Salonorchester prägte die Eröffnung im Celler Schloss. Im Rittersaal begleitete es unter der Leitung von Egon Ziesmann die Veranstaltung. Wobei nicht nur die Instrumente gespielt wurden, Ziesmann sang zusammen mit Sandra Graaß den deutschen Klassiker „Sag mir quando, sag mir wann“ von Dieter Thomas Kuhn. Die mitreißende Musik und gute Stimmung hatte die Sängerin Graaß ausgenutzt und Oberbürgermeister Dirk-Ulrich Mende zu einem Tanz eingeladen.

Mende freute sich in seiner Rede als „Gastgeber“ sehr über das große Ereignis in der Stadt. Er danke zugleich den vielen Helfern, Unterstützern, Sponsoren und vor allem dem Verband der Chor- und Orchestermusik bei der Vorbereitung und Durchführung. Celle selbst hat aber auch historisch einiges musikalisch zu bieten. Der Musikwissenschaftler Harald Müller hatte dazu Nachforschungen angestellt und sie im Buch „Lexikon Celler Musiker“ niedergeschrieben. Müller stellte im Rahmen seiner Forschungen auch Beziehungen zum Komponisten Johannes Brahm her. Mende erinnerte an die musikalische Geschichte der Stadt und an den Barockkomponisten und Celler Musikus Ulrich Johann Voigt. Seine dem Celler Rat gewidmete Violinsonate wurde von Bettina Ihrig zusammen mit Klaus-Hermann Anschütz am Cembalo vor dieser historischen Kulisse gespielt.

Der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Chorverbände e.V., Prof. Dr. Hans Jaskulsky, zeigte sich an diesem Abend ebenfalls sehr glücklich. Er bedankte sich für die gute Zusammenarbeit und war zugleich begeistert, dass der Musik in der Stadt Celle alle Türen geöffnet wurden. Schon der am Samstag vor der Eröffnungsfeier stattgefundene Gottesdienst war gut besucht. Jaskulsky sah das als Zeichen, dass die Musik gut angenommen wird. Er bedankte sich bei allen Cellern und freute sich schon auf die folgende Nacht der Musik.

Doch bei der Eröffnungsfeier wurde schon an das folgende Jahr gedacht. Duplikate der Zelter- und Pro-Musica-Plakette konnte Oberbürgermeister Dirk-Ulrich Mende an Bürgermeister Fiedhelm Boginski aus Eberswalde übergeben. Boginski ist begeistert von Celle und lädt alle herzlich im nächsten Jahr in seine Stadt ein. Eberswalde und Celle verbindet aber noch viel mehr. So hatte Albrecht Thaer seine Spuren ebenfalls in Eberswalde hinterlassen.

Während das Celler Salonorchester schon zum nächsten Veranstaltungsort wechselte, bereitete sich der Shanty-Chor Celle auf seinen späten Auftritt im Oberlandesgericht vor. Zuvor war zunächst das Akkordeontrio „Handregal“ aus Elmshorn an der Reihe. Die Kulturpreisträgerin 2014 und Dirigentin der Musikschule, Susanne Drdack, spielte mit Helena Meyer und Wamsat. Inspiriert von dem polnischen „Motion Trio“ und dem Schweden Lars Holm zeigten sie ihr Können und zogen dabei auch das Fernsehen an. Nach dem Akkordeontrio und dem „Choir under Fire“ hatte um 21:30 Uhr der Shanty-Chor seinen Auftritt. Mit Shanty- und Seemannsliedern, begleitet mit Akkordeon, Gitarre und Mundharmonika, sorgte die Truppe für gute Laune.

Die Genres unterschieden sich aber nicht nur vom Veranstaltungsort, auch im 30-Minuten-Wechsel erwartete die Besucher immer wieder etwas Neues. Neben den „klassischen“ Gesangsvereinen, Kirchenchören, Blaskapellen und Sinfonieorchestern bereicherten noch viele weitere Formationen von traditionell bis modern die Welt der Amateurmusik. Eintritt wurde nicht erhoben, so freuten sich nicht nur die Amateurmusiker auf einen großen Zuspruch und viele Besucher.

Die Celler Kulturdezernentin Susanne McDowell war am Samstag über die leeren Straßen in der Stadt irritiert, doch öffnete man die Tür zu den Veranstaltungen, waren die fast immer voll.

Proppenvoll war die Congress Union zum abschließenden Festakt der Tage der Chor- und Orchestermusik am Sonntag. Aus mehr als tausend Kehlen erklang das alte Volkslied „Kein schöner Land in dieser Zeit / als hier das uns’re weit und breit…“ Und das griff Bundespräsident Joachim Gauck in seiner Festansprache als Thema auf: „Ich will jetzt nicht der Frage nachgehen, ob der Komparativ stimmt. Vielleicht gibt es ja irgendwo ein schöneres Land als hier das uns’re. Ich möchte aber ganz entschieden festhalten, dass unser Land ein sehr schönes, ein sehr lebenswertes und liebenswertes Land ist. Und je weiter ich als Bundespräsident herumkomme, und je länger und je mehr ich sehe, was in diesem Land an Gutem und buchstäblich Vorbildlichem geschieht, umso mehr muss ich sagen: Es ist ein sehr schönes Land, in dem wir alle zusammen leben.“

Und woran das liege? Das liege nicht zuerst, wie es im Lied heißt, an den schönen Tälern und den Linden, dem Eichengrund und dem hohen Himmel, unter dem wir uns finden, Nein, das liege in erster Linie an den Menschen. Nicht nur, weil sie so gerne und so gut Musik machen und singen. Das auch! Aber vor allem, weil sich in den vielen tausend Chören und Orchestern der Geist des Engagements zeigt, der Geist des ehrenamtlichen Einsatzes für andere und für eine gute und schöne Sache.
Gauck: „Darauf kann unser Land einfach stolz sein. Vielleicht gibt es schönere Länder. Vielleicht. Aber man muss wohl lange suchen, um ein Land zu finden, in dem die Musikkultur mehr gefördert wird. Wir haben in Deutschland nicht nur die Hälfte aller Opernhäuser der Welt: Diese sogenannte musikalische Hochkultur gibt es nur, weil es an der Basis, in den Dörfern und Kleinstädten und in den Stadtvierteln der Großstädte unzählige Orte gibt, wo aktiv musiziert wird. Freude an der Musik, Leidenschaft zum Hören der großen Werke: das wächst meist beim eigenen Musizieren. Ginge das verloren, würde auch das Opern- und Konzertpublikum der großen Häuser schwinden.“

„Unsere Gesellschaft verändert sich“, stellte der Bundespräsident fest. „ Unsere deutsche musikalische Tradition, jenes „immaterielle Kulturerbe“, von dem wir gerne sprechen, wird in Zukunft auch vielen anvertraut werden, die aus ganz anderen Kulturen und Traditionen zu uns kommen. Wie wird das Erbe erhalten? Wie wird es sich verändern? Ich finde es deshalb sehr gut und bemerkenswert, dass es in diesen Tagen der Chor- und Orchestermusik in Celle zum Beispiel ein Forum gibt, das sich mit dem Thema „Chorsingen in der Migrationsgesellschaft“ beschäftigt.“ In dieser Migrationsgesellschaft werde es von herausragender Bedeutung für die Zukunft des Musiklandes Deutschland sein, ob und wie Migranten einen Zugang finden zu diesem wesentlichen und unverwechselbaren Bestandteil unserer Kultur. Und wie sie sich diese Kultur möglicherweise kreativ und innovativ aneignen und sie mit dem, was sie selber mitbringen, bereichern.

Darüber hinaus würdigte Bundespräsident das ehrenamtliche Engagement durch das die musikalische Tradition überhaupt erst möglich werde. Ohne die Menschen, die sich in die Ehrenämter wählen lassen und damit Verantwortung übernehmen, ohne dieses Engagement würde kaum ein Ton erklingen, bliebe die Musik stumm. Gauck: „Es herrschte – wie sagt man? – Schweigen im Walde. Ein schönes Land, in dem so vieles freiwillig und ehrenamtlich geschieht! Ein schönes Land, in dem so viel, so gern und so schön gesungen und musiziert wird! Ein schönes Land, zu dem Sie alle einen so wichtigen und guten Beitrag leisten!“

Gabriele Heinen-Kljajic, Niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur, sprach in ihrem Grußwort von dem krönenden Abschluss der Tage der Chor- und Orchestermusik. So habe sich in den letzten zwei Tagen das großartige Niveau der niedersächsischen Laienmusikkultur wiedergespiegelt und für das Publikum und die Medien besonders sichtbar gemacht. Die Laienmusik und auch das ehrenamtliche Engagement habe dadurch eine verdiente Würdigung erfahren, die nicht genug unterstrichen werden könne.

Niedersachsen verstehe sich als Musikland: Großes Musiktheater, herausragende Orchester und eine vielfältige Festivalkultur sorgen für ein flächendeckendes musikalisches Angebot. Etwa 14 Millionen Menschen musizieren in Deutschland in ihrer Freizeit. Neben Gesangsvereinen, Kirchenchören, Blaskapellen und Sinfonieorchestern bereichern viele weitere Formationen die Welt der Amateurmusik.
Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren finden darin einen Ort, an dem sie sich musikalisch entfalten können, darüber hinaus aber auch eine Gemeinschaft mit der Möglichkeit zum kommunikativen, sozialen und gesellschaftspolitischen Engagement. Die Ministerin: „Musik verbindet und besitzt die Kraft, Menschen unterschiedlicher kultureller Herkunft zusammenzubringen. Sie trägt somit nachhaltig zur positiven Entwicklung unserer Gesellschaft bei. Der niedersächsischen Landesregierung ist es deshalb ein besonderes Anliegen, gute Bedingungen für die Arbeit der Chöre und Orchester zu schaffen.“

Mit insgesamt weit mehr als 2.000 Ensembles sei Niedersachsen insbesondere in der Chormusik stark. In Anzahl der Chöre und der aktiven Mitglieder sei Niedersachsen im norddeutschen Vergleich Vorreiter. Qualitativ können sich niedersächsische Spitzenchöre im Bundesvergleich behaupten. So gehören niedersächsische Chöre bei jeder Ausgabe des Deutschen Chorwettbewerbs zu den Preisträgern – zuletzt 2014 in Weimar die „Vivid Voices“.

Oberbürgermeister Dirk-Ulrich Mende flocht in sein Grußwort die Bedeutung des Volksliedes „Die Gedanken sind frei“ ein. Mit der ersten Strophe dieses im Jahr 1842 in den Schlesischen Volksliedern von Hoffmann von Fallersleben und Ernst Richter veröffentlichten Liedes werde deutlich, wie sehr selbst in bedrückenden Situationen Musik und Gesang in der Lage sind, menschliche Gefühle auszudrücken und zur Entfaltung zu bringen. Musik, so werde deutlich, gehört zum ureigenen Ausdrucksvermögen der Menschen und sei oft genug auch die einzige Möglichkeit, Widerspruch und Unbeugsamkeit in Worte zu kleiden, die nicht oder jedenfalls nicht so ohne weiteres geahndet werden können.

Mende: „Musik in all ihren Facetten ist deshalb für mich elementarer Bestandteil einer menschlichen Welt. Auch deshalb bedanke ich mich bei der Bundesvereinigung Deutscher Chor- und Orchesterverbände und dem Niedersächsischen Chorverband, dass sie die profilierteste Veranstaltungsreihe der Amateurmusik Deutschlands in diesem Jahr in unserer Residenzstadt Celle ausrichten.“

Der Oberbürgermeister wies auf eine lange und erfolgreiche Musikszene in Celle hin. Mit der Zelter-Plakette wurden in Celle bisher zwei Chöre ausgezeichnet:

der Volkschor Thalia sowie der Männerchor Cellensia, beide mit über 100-jähriger Tradition. Die Celler Stadtkantorei und auch der Celler Frauenchor könnten die nächsten beiden Chöre sein, die diesen Musik-Olymp erreichen. Das Celler Kammerorchester ist auf einem guten Weg, in ein paar Jahren mit der Pro-Musica-Plakette ausgezeichnet zu werden.

Mende nutzte die Gelegenheit, den Bundespräsidenten zu weiteren Besuchen der Residenzstadt einzuladen: Zur Verleihung des ersten Deutschen Lichtkunstpreises im kommenden Januar im Kunstmuseum Celle mit Sammlung Robert Simon. Zudem auch, um Celles einzigartiges denkmalgeschütztes Fachwerkensemble zu entdecken oder zu den bekannten Hengstparaden im Niedersächsischen Landgestüt im Herbst. Mende: „Aus Ihrer Verbundenheit zur Kirche kann ich Sie vielleicht auch dafür begeistern, in unserem Schloss die kunsthistorisch einzigartige Kapelle aus den Anfängen der Reformation zu bestaunen. Wir haben wahrlich viel zu bieten!“

So ganz spontan kündigte der Oberbürgermeister an, angesichts der großen Begeisterung für die „Nacht der Musik“ am Samstag, sich zusammen mit dem Kulturdezernat für eine solche Veranstaltung im kommenden Jahr einzusetzen.

Prof. Dr. Hans Jaskulsky, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Chorverbände e.V., hob die Bedeutung der in den Dachverbänden „Bundesvereinigung Deutscher Chorverbände“ und die
„Bundesvereinigung Deutscher Orchesterverbände“ organisierte Chor- und Orchesterlandschaft hervor: „Millionen Menschen sind in Chören und Orchestern allein in unseren beiden Bundesvereinigungen organisiert – die vielen anderen außerhalb der Verbände noch gar nicht mitgerechnet. Hinter den statistischen Größenordnungen steht eine hochambitionierte, lebendige und förderungswürdige Amateur-Musikszene in großer stilistischer Breite, quer durch alle Altersgruppen. Eine Musikszene, die in ständigem Aufbruch, in ständiger Erneuerung begriffen ist, die bereit ist, sich Herausforderungen zu stellen, wie z.B. der Jugendförderung, der kulturellen Integration von Migranten, oder dem Wunsch, attraktive Musikangebote in einer älter werdenden Gesellschaft zu schaffen…“
Für die beiden Dachverbände dankte Jakulsky dem Bundespräsidenten, dass er die Tradition seiner Vorgänger fortsetzt und einen Chor und ein Orchester – stellvertretend für alle Ensembles –persönlich auszuzeichnen. Das sei ein wichtiges Signal in die Chor- und Orchesterlandschaft Deutschlands.

Den Festakt umrahmten das Landesjugendblasorchester Niedersachsen, der Mädchenchor Hannover, das Niedersächsische Landeszupforchester und Vivid Voices……und natürlich ein geneigtes und begeistertes Publikum in der Congress Union; es hatte sich zum Schluss mit „Kein schöner Land…“ so richtig eingesungen.
Es ging eine Veranstaltung zu Ende, die nicht nur eine Herausforderung für die Programmmacher war, der Besuch des Bundespräsidenten erforderte umfassende Sicherheitsmaßmnahmen mit erhöhter Polizeipräsenz und Security.
Die nächsten Tage der Chor- und Orchestermusik finden vom 4. bis 6. März 2016 im brandenburgischen Eberswalde statt.

Redaktion
Celler Presse

 

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