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„Sprache und Emotionen“: Gefühle kann man nur „haben“ und nicht „machen“

CELLE. Es sind weniger die Kommunikationsprobleme, als vielmehr das „kleine Ein-mal-Eins von Sprache und Emotion“, das die Menschen im Alltag beschäftige, so Dr. Dieter Cherubim, Professor für Altphilologie und Germanistik mit dem Schwerpunkt u.a. Sprachwandel, bei seinem Vortrag vor einer großen Anzahl von Gästen im Beckmannsaal. Eingeladen hatte wieder die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS), Zweig Celle. Leiter Horst Pape wies in seinen Einführungsworten auf Alltagssituationen hin, in denen wir alle durchaus „sprachlos“ werden können.

Prof. Cherubim holte für die Verdeutlichung des Themas weit aus und präsentierte den Gästen sieben Kapitel. Von großer Bedeutung ist die Einstellung zur Sprache. Diese entwickelte sich aus der Muttersprache (in diesem Fall Deutsch) zur Kindersprache („Papa“ für Vater, „Wauwau“ für Hund) bis hin zur kritischen Einstellung der Lerner/Schüler, die in Schulen die Reinheit der Sprache erlernen sollten. Im zweiten Kapitel beschäftigte sich der Professor mit der sprachlichen Verarbeitung der Gefühle. Dazu sahen die Zuschauer folgendes Modell: Ein Reiz (extern/intern, also z.B. durch ein Ereignis oder Gedanken) löst Wahrnehmungen, Emotionen und/oder Kognitionen aus. Diese werden mit Hilfe von Sprache zu Dispositionen (also Handlungen bzw. Verhalten). Die Sprache dient also zur Bewertung. Des weiteren verwies er auf den Gefühlswortschatz, der sich u. a. bei Valentinstagsgrüßen („Hallo Bärchen“) widerspiegelt. Defizite der Sprache konnte er da drin erkennen, dass es zum Beispiel kein Gegenteil von „Durst“ gebe.

Zum nächsten Kapitel hatte der Referent einen Interview-Text ausgedruckt und diesen analysiert. In der Analyse benutzte er verschiedene Techniken um z.B. emotional charakterisierende Absätze hervorzuheben. So löste im Interview die Speise „Hammelhoden“ negative Gefühle, wie Ekel und Irritationen, eine „Igitt“-Haltung beim Interviewer auf. Im vierten Kapitel standen die Gefühle im Spiegel unserer Sprache im Fokus. Dafür verwies Prof. Cherubim auf den historischen Wandel des Gefühlswortschatzes und brachte vor, dass man sich Gefühle nicht „machen“ kann, wie es bei Gedanken möglich ist, sondern nur „haben“ kann („Freude haben“). Im Gefühlswortschatz entstehen daher unvollständige Gattungen, wie zum Beispiel Zuneigungsgefühle (Liebe, Sympathie, etc) und Abneigungsgefühle (u. a. Hass), sowie Gefühlsworte aus anderen Sprachen, die in die deutsche Sprache übernommen werden („Wanderslust“ wird auch im Englischen benutzt, um jene auszudrücken).

Im fünften Kapitel ging es um Gefühlsumschreibungen. Diese beinhalten häufig Gegensätze, wie oben/unten, leicht/schwer und heiß/kalt: „Himmelhochjauchzend“, „am Boden zerstört“, „emotional aufgeheizt“, „kühler Kopf“. Auch Farben („rot vor Scham“, „gelb vor Neid“) und Metaphern („Zorn loderte auf“) können für Gemütsstimmungen eingesetzt werden. Das vorletzte Kapitel behandelte die Expressivität bzw. Gefühlsanzeigung. Wieder wurde eine lange Liste mit verschiedenen Kategorien von phonisch bis semantisch gezeigt. Im phonetischen Bereich machte „der Ton die Musik“, während Schimpf- und Kosewörter entweder die typische Aggression bzw. Zuneigung widerspiegelten oder in Form von „Saukerl“ als ehemaliges Schimpfwort nun zum Kosewort umgekehrt wurde.

Im siebten und letzten Kapitel gab der Professor einen Ausblick und eine Zusammenfassung. Er verwies auf die direkte oder indirekte Art, seinen Emotionen mit Hilfe der Sprache Ausdruck zu verleihen. Er sprach von veralteter Sprache („Ehrgefühl“, „jauchzend“), unklaren Gefühlen und angedeuteten Emotionen. Zudem erzählte er von verschiedene Kontexten mit mehrfachen Gefühlen, die Adressaten gerecht (Kinder, Arbeitsumfeld) aufgearbeitet werden müssen. Er schloss seinen Vortrag mit sprachwissenschaftlichen Aufgaben in Werbung, Roboterprogrammierung und Emoticons.

Die nachfolgende Fragerunde beschäftigte sich u.a. mit dem Bedarf an Smileys, dem EQ (Emotionale Intelligenz aus Kognition und Emotion) und der Aussage „man kann nicht nicht fühlen“. Horst Pape wies in seinem Resümee darauf hin, dass Prof. Cherubim den Reichtum, sowie die Defizite der deutschen Sprache anschaulich verdeutlichte und auf Zuhörerfragen einging.

Der nächste Vortrag der Gesellschaft für deutsche Sprache Zweig Celle ist am 05. April 2017 und wird Religion und Sprache beinhalten. Des weiteren wird für den Herbst 2017 noch ein/e Referent/in zum Thema Luther gesucht.

Redaktion
Celler Presse

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