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Der Kalte Krieg in Berlin

CELLE. Der französische Brigadegeneral a.D. Jean Paul Staub berichtete gestern Abend im Beckmannsaal über seine Erlebnisse im Kalten Krieg. Im Rahmen der französischen Militärmission war Staub, damals noch als Hauptmann, in einer sehr turbulenten Zeit von 1981 – 1985 in Berlin eingesetzt. Seinen spannenden Vortrag über seine dortige Tätigkeit verfolgten über 100 Zuschauer.

Die Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik (GfW) ist immer bemüht, interessante Themen aufzugreifen und mit ihren Einladungen für interessante aber auch kontroverse Vortragsabende zu sorgen. Norbert Sprenger, Leiter der Celler Sektion der GfW, begrüßte am Dienstagabend den zurzeit in Faßberg lebenden französischen Brigadegeneral. Staub berichtete im Beckmannsaal nicht nur über seine Zeit von 1981 – 1985 in Deutschland, konkret war der damalige Hauptmann im Rahmen einer Militärmission in der sowjetischen Besatzungszone eingesetzt.

Anfang der 80er Jahre war der Tiefpunkt des Kalten Krieges, mit vielen besorgniserregenden Ereignissen. In diese Komplexität der Lage tauchte Staub mit seiner Truppe ein.

Auf der Potsdamer Konferenz wurden insgesamt drei gegenseitige Militärmissionen vereinbart. Diese Verbindungsaufgaben zwischen Großbritannien – Sowjetunion, Vereinigte Staaten von Amerika – Sowjetunion und Frankreich – Sowjetunion erlaubten es, sich offiziell auf der Gegenseite zu bewegen.

Grundlage war eigentlich die Verbindung zwischen den alliierten und sowjetischen Oberkommandierenden zu halten. Eine weitere Aufgabe war der Beistand französischer Staatsbürger in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Staub bestätigte, dass sie damals kaum DDR sagten, sondern eigentlich nur sowjetische Besatzungszone. Man wollte die DDR nicht akzeptieren und die Bezeichnung im Sprachgebrauch auch nicht etablieren.

Außerhalb der beschriebenen Tätigkeiten war das Aufgabengebiet der einzelnen Militärmissionen jedoch ganz anders. Während sowjetische Kräfte auf westdeutschem Gebiet nur bedingt Spionage betrieben und mehr auf die Unterstützung von Untergrundorganisationen setzte, hatte man auf der anderen Seite eher überwachende Aufgaben. Franzosen, Amerikaner und Briten wollten mehr über die russischen Streitkräfte, deren Technik und Einsatzbereitschaft erfahren. Man wollte gewappnet sein, angesichts der stets angespannten Lage.

Doch nicht nur das Militär war im Fokus. Kenntnisse über die DDR, im Einzelnen: Infrastruktur, Lebensbedingungen oder die politische Einstellung der Bürger waren für die Alliierten ebenfalls von Bedeutung.

Brigadegeneral a.D. Jean Paul Staub war mit 40 weiteren französischen Soldaten in einer Villa in Potsdam untergebracht. Unter ständiger Beobachtung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) konnten sich die kleinen Teams in der sowjetischen Besatzungszone fast frei bewegen, denn einige Gebiete waren auch für sie offiziell Sperrgebiet. Kartenmaterial war besonders begehrt, daher war eine gute Vorbereitung sehr wichtig. Karten mussten auswendig gelernt werden, damit sie bei einer Festnahme nicht beschlagnahmt werden konnten. Bei Abfahrt mussten dann die Verfolger, bestehend aus Volkspolizei und MfS, abgeschüttelt werden, bevor sie sich auf ihr Ziel konzentrieren konnten.
Militäranlagen, Truppenverlegungen, Militärausrüstung und vieles mehr war für Staub und seine beiden Begleiter interessant. Dazu mussten sie auch Nebenstrecken und Feldwege nutzen, was spezielle Modifikationen am Fahrzeug erforderlich machten. Bei längeren Missionen, führten sie stets Verpflegung und Schlafsäcke mit, um bis zu drei Tage autark auswärts verbringen zu können. Gut getarnt, konnten sie beobachten und erkunden. Eine nicht immer entspannte Aufgabe, schließlich betraten sie auch abgelegene Zonen. So wurde auch auf Brigadegeneral a.D. Jean Paul Staub mehrfach geschossen, es bestand für alle immer Lebensgefahr.

Das Team schaute sich im Rahmen der technischen Aufklärung auch mal nur elektrische Verteilungen an oder durchforstete verlassene russische Lager im Wald. Staub erzählte, dass die russischen Streitkräfte nicht gerade umweltbewusst waren und vieles einfach zurück ließen. Eine wahre Fundgrube für jede Militärmission.

Angesichts von 338.000 russischen Soldaten und 116.000 Soldaten der Nationalen Volksarme (NVA) hatte Staub viel zu tun. Militärkonvois, Zugtransporte von Militärfahrzeugen, Übungen und Paraden, alles musste überwacht und ausgewertet werden.

Staub wohnte nicht nur mit seiner Truppe in der zugeteilten Villa in Potsdam. Er hatte auch noch einen privaten Wohnsitz in Westberlin. Dort kam es während seiner Zeit zu einem eklatanten Zwischenfalls, als die Telefonüberwachung ein ausgehendes Telefongespräch in einer fremden Sprache vernahm. Staub war nicht in seiner Wohnung, das wussten die Sicherheitskräfte und schnell wurde das gesamte Gebäude umstellt. Schwer bewaffnet, rechnete man mit dem Schlimmsten. Auch Staub kam derweil zu den Einsatzkräften und staunte nicht schlecht. Die fremde Sprache, die von der Telefonaufklärung zuerst nicht identifiziert werden konnte, stellte sich aus türkisch heraus. Letztendlich konnte man die türkische Putzfrau stellen, die einfach Staubs Telefon nutzte, um in die Türkei zu telefonieren. Eine im Nachhinein lustige Anekdote, die damals aber anders bewertet wurde.

Brigadegeneral a.D. Jean Paul Staub hat in einem sehr freien und charmanten Vortrag für die Zuschauer zurückgeblickt. Eine Zeit, die die meisten im Publikum selbst erlebten oder verfolgten. So hatten auch viele am Ende Fragen und schwelgten in Erinnerungen. So auch der ehemalige Eisenbahner der Deutschen Reichsbahn (DR), der die Aussagen von Staub unterstrich und selbst auch seine Erfahrungen einbringen konnte.

Norbert Sprenger moderierte vor und nach dem Vortrag die gesamte Veranstaltung souverän. Sprenger informierte die allgemeinen Besucher aber auch die Mitglieder des GfW über Neuerungen und Aktionen. Unter anderem teilte Sprenger mit, dass sich der Name „Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik“, der Zeit angepasst, ändern würde. Das Wort „Wehr“ schrecke viele ab. So müsste in Zukunft wohl auf das Wort verzichtet werden und die Sicherheitspolitik in den Vordergrund rücken.

Staubs Frau ist selbst noch beim Militär in Faßberg. Nach Ende auch ihrer Dienstzeit 2015, geht es für die ganze Familie Staub zurück nach Frankreich. Damit endet dann auch die familiäre Auslandsmission.

Redaktion
Celler Presse

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