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Gleichberechtigung nur mit einer “Schippe drauf”

CELLE. In vielen Bundesländern wird an der Novellierung der Landesgleichstellungsgesetze gearbeitet. Gleichstellungsgesetze, die unter anderem die Arbeitsgrundlage der Gleichstellungsbeauftragten sind, sollen den Verfassungsauftrag zur Umsetzung von Gleichberechtigung im kommunalen Kontext garantieren. Auf Einladung des Frauenforums Celle gab Almut von Woedtke, Leiterin der Vernetzungsstelle für Gleichberechtigung, dem Frauenforum Celle einen Einblick in den neuesten Stand der Diskussion basierend auf der historischen Entwicklung.

Wie werden die geplanten Neuerungen aussehen? Was bedeuten sie für die Praxis der Gleichstellungsbeauftragten in den Kommunen? Wird es einheitliche Mindeststandards geben? Werden die Erfahrungen und formulierten Ziele der langjährigen Gleichstellungsarbeit in die Gesetzgebungsprozesse einfließen? Kurzum: Bedeutet die Novellierung der Landesgleichstellungsgesetze, dass es einen Schritt voran geht?

Almut von Woedtke erläuterte die Situation anschaulich mit dem Vergleich, dass “auf den kleinen Haufen nicht immer nur die gleiche Menge drauf kommen müsse wie auf den großen Haufen”. Nun gehe es darum, auf den kleinen Haufen eine Schippe mehr draufzulegen. Das verdeutlicht die Differenz bei Einkommen und Rente: 21,6 % beim Einkommen und 50 % bei der Rente zu Ungunsten der Frauen. Der Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen ist in jungen Jahren relativ gering (24 Jahre und jünger: 2 %) und steigt dann rapide an (über 60 Jahre: 29,5 %). Auch bei der Arbeitszeit gibt es einen deutlichen Unterschied. Während sich nur 8,5 % der Männer in Teilzeit befinden, sind es bei Frauen 38 %. Ebenso “dominieren” Frauen bei Minijobs. In den nichtakademischen Gesundheitsberufen gibt es nur 21 % Männer, dagegen sind in technischen Berufen nur 11 % Frauen tätig. In der Kinderbetreuung, die es Müttern ermöglicht, einem Beruf nachzugehen, ist Deutschland im europäischen Vergleich ziemlich abgehängt. In Deutschland können nur 32 % der Mütter berufstätig sein; Dänemark nimmt hier eine Spitzenpostion ein mit 82 %. Dauerbrenner in der seit Jahren geführten Diskussion ist die Besetzung der Vorstände in Unternehmen, in denen Frauen eher selten zum Zuge kommen. In den Kommunalparlamenten sind Frauen deutschlandweit mit 26 % vertreten. Dagegen befinden im Rat der Stadt Celle 33 % weibliche Mitglieder und im Kreistag gar 34 %. 39,8 % der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sind weiblich.

Laut Grundgesetz, Artikel 3, Absatz 2, sind Männer und Frauen bereits seit 1949 gleichberechtigt. Erst 1994 ist der Absicht mit einem Zusatz Nachdruck verliehen worden: “Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.” In der Niedersächsischen Verfassung heißt es nachdrücklich: “Die Achtung der Grundrechte, insbesondere die Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern, ist eine ständige Aufgabe des Landes, der Gemeinden und Landkreise.”

Kaum zu glauben, dass noch bis 1957 im Bürgerlichen Gesetzbuch der Paragraph 1354 dem Grundgesetz und allen Bestrebungen zur Gleichberechtigung entgegen stand bis er dann endgültig getilgt wurde: “Dem Manne steht die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu; er bestimmt insbesondere Wohnort und Wohnung. Die Frau ist nicht verpflichtet, der Entscheidung des Mannes Folge zu leisten, wenn sich die Entscheidung als Mißbrauch seines Rechts darstellt.”

Eine Reihe von Gesetzen kennzeichnen den Weg, der zu einer dann auch tatsächlich gelebten Gleichberechtigung führen soll. Ein Ziel ist nach wie vor die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit, außerdem die Gleichstellung von Mann und Frau in der öffentlichen Verwaltung. So ist eine Reform des Gleichstellungsgesetzes durch die neue niedersächsische Landesregierung in Vorbereitung. Dabei soll die Unterrepräsentanz von Frauen abgebaut werden. Angestrebt wird eine Landesquote von 50 %. Danach soll es auch keine Dienststellenquote mehr geben, sondern nur noch die Landesquote maßgebend sein.

Almut von Woedtke hatte auch die Rolle der Gleichstellungsbeauftragten im Fokus, deren Position gestärkt werden müsse. Vor allem soll es bei der Bestellung von weiblichen Gleichstellungsberauftragten bleiben. Wenn die Gleichstellungsbeauftragte in ihrem Status verletzt wird, soll sie ein Klagerecht erhalten. Es sollen auch Regelungen getroffen werden, die in die Privatwirtschaft hineinreichen. Konkrete Regelungen, um die Umsetzung und Durchsetzung des Gesetzes befördern, sollen Anreize, Kontroll- oder Sanktionsregelungen bewirken.

Bisher pflichtig hauptberuflich zu beschäftigende Gleichstellungsbeauftragte müssen in Vollzeit beschäftigt werden. Für Zündstoff sorgte das Vorhaben,
hauptberufliche Gleichstellungsbeauftragte nur in Kommunen ab 30.000 Einwohnerinnen und Einwohner zu etablieren. Da zeigte sich Godula Hepper vom Frauenforum besonders engagiert: “Wo ist die Stelle, bei der man Protest einlegen kann?” Almut von Woedtke verwies auf die politischen Gremien. In Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen gilt eine Einwohnerzahl von 10.000, im Saarland, in Sachsen und Thüringen sind es 20.000. Es müsse aber auch eine Lösung für kleine Kommunen gefunden werden, in denen die Gleichstellung im Ehrenamt wahrgenommen wird.

Rosemarie Lüters, Gleichstellungsbeautragte der Stadt Celle, fasst das so zusammen: “Als Gleichstellungsbeauftragte sehe ich die Thematik im Kontext der Fragen zwischen Erwerbsarbeit und Ehrenamtlichkeit. So lange Frauen einer existenzsichernden Erwerbsarbeit nachgehen müssen und ehrenamtlich als Gleichstellungsbeauftragte tätig sind, steht ihr Status als Gleichstellungsbeauftragte im Widerspruch zu dem Ansehen, das sich über Ausstattung, Eingruppierung in Entgeltgruppen und Beteiligungsmöglichkeiten in einer hauptamtlichen, existenzsichernden Erwerbsarbeit definiert. Es fehlen Mindeststandards und ein bundeseinheitliches Gleichstellungsgesetz, das einen verbindlichen Rahmen festschreibt.”

Redaktion
Celler Presse

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