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Exkursion zu den Wurzeln des jüdischen Lebens in Celle

CELLE. Die Hebräisch-AG und der evangelische Religionskurs des Gymnasiums Ernestinum begaben sich auf die Spuren der jüdischen Geschichte in Celle. Geleitet vom Theologen Dr. Dr. Friedrich Erich Dobberrahn besuchte die Klasse 10 G die Celler Synagoge und den jüdischen Friedhof.

So nah und doch so fern liegt die Celler Synagoge am Rande der Innenstadt. Unscheinbar von außen, liegt das eigentliche Gotteshaus im hinteren Gebäudeteil und war zu Beginn noch ein separates Hinterhaus. Eine Inschrift im Wortlaut „Aron Sohn des Rabbiners Jusea Feifelsohn Cohen selig sein Andenken Celle 1740“ weist auf die Erbauung hin.

Auch sonst hatte die Celler Synagoge viel zu bieten. Prächtig mag das einst aus Sandstein gefertigte Almemor (Lesepult) in der Mitte des Gotteshauses ausgesehen haben, doch auch der Aufgang zum Toraschrein und die Sitzplätze sind nicht mehr erhalten. Viele Dinge, die an die damalige “eda” (die sich versammelnde Gemeinde) erinnert, gibt es nicht mehr und lässt sich nur erahnen. Die Leiterin des Celler Stadtarchives Sabine Maehnert berichtete heute den Schülern von der Gründung bis zur heutigen Zeit.

In Celle waren stets liberale jüdische Gemeinden zu Hause. Sie etablierten sich und konnten nach der Revolution 1848 auch Geschäfte in der Innenstadt eröffnen. Maehnert erinnerte an einen jüdischen Geschäftsmann, der jedoch am Ende seines Schaffens insolvent ging. Im Anschluss folgte ein damals modernes Kaufhaus, welches durch einen Neubau gegenüber dem Alten Rathaus an Wertigkeit gewann. Dieser Neubau war Otto Haeslers erstes Gebäude in der Stadt Celle.

Über die turbulente Entwicklung der Celler Synagoge legte sich ein dunkler Schatten. Die Fachwerkgebäude liegen viel zu dicht beieinander, so konnten die Nationalsozialisten und deren Schergen die Synagoge 1938 nicht in Brand setzen. Stattdessen wurde die Einrichtung zerstört und alles vor dem Gebäude auf einen großen Haufen geworfen. Statt eines prächtigen Gotteshauses mit einer lebendigen Gemeinde dienten die einst heiligen Wände einer Lagerhalle.

Die Celler Synagoge ist die älteste erhaltene in Nord-/Westdeutschland, denn sie wurde wieder aufgebaut. Aufgrund fehlender Unterlagen, Zeichnungen oder Fotografien, konnte sie nicht in ihren Urzustand zurückversetzt werden. Zu erkennen sind aber noch heute die Erweiterungen aus dem Jahre 1883 mit der Frauengalerie. Die wenigen Dokumente reichten aber, um die wesentlichen Züge nachzuempfingen. Der prächtig wieder hergerichtete Toraschrein ist gekrönt von der Krone des Gesetzes, der Krone der Priesterwürde und der Krone des Königtums. Der auf der nach Jerusalem zeigenden Seite des Gebäudes platzierte Toraschrein ist das zentrale Element der Synagoge und beherbergt die Torarolle (Heiligen Lade). Der aus Holz gefertigte Auf- bzw. Abgang zur Torarolle ist nur nachempfunden, Maehnert geht davon aus, dass es auch hier feste Sandsteinelemente gab.

Die Schülerinnen uns Schüler der 10 G des Ernestinum Gymnasiums hörten dem freien Vortrag von Maehnert gebannt zu, stellten aber auch Fragen. Sie bekamen einen Eindruck, wie es früher wohl gewesen ist, dazu dienten auch ein altes Fenster, der Aufstieg in die Frauengalerie oder der kleine Hof.

Auf den Stufen der Feuerleiter nutzte die Mutter – und im Arbeitskreis Gedenktag 9. November aus Burgdorf aktive Judith Rohde – die Chance, aus dem Buch „Die gläserne Wand“ von Ernst Pinchas Blumenthal vorzulesen. Der im Buch selbst ernannte „Rolf“ berichtet aus seiner Kindheit aus Burgdorf und dem Schulalltag der „Ernestinum-Albatinum“. Als einziger Jude in der Klasse erfuhr er Ablehnung und Ausgrenzung um 1930 an der Celler Schule.

Bereits im Schulunterricht hatte die Klasse mehr über das jüdische Leben, die Kultur und die Menschen in Celle erfahren. Nach der Besichtigung der Synagoge ging es dann durch die Innenstadt mit ihren Stolpersteinen bis hin zum jüdischen Friedhof. Grabsteine von 1705 bis 1953 sind mit ihren Innschriften Zeitzeugen und Mahnmale zugleich. Die Schülerinnen uns Schüler beschäftigten sich intensiv mit einzelnen Grabsteinen und ihren Besonderheiten. Dr. Dr. Friedrich Erich Dobberrahn, die Religionslehrerin Ingrid Marxen-Glauner und die Referendarin Sandra Klinge begleiteten die „Forschungsarbeit“.

Dobberrahn lenkte die Blicke aber noch auf einen besonderen Grabstein der Familienmitglieder Ribqa (Edita) Rosenwasser. Die einzelnen Zeilen der Inschrift erzählen so einiges von den Verstorbenen. So auch bei dem Stein der Rosenwassers. Die Bezeichnung „Scho’ah“ deutet auf Sturm oder Katastrophe. Da der Terminus jedoch zu neutral klang, wurde ihm das Adjektiv „haayomah“ (schrecklich, furchtbar) vorgesetzt. Zusammen wird der bestimmte Artikel „ha“ vorangestellt, um sicherzustellen, dass es sich nicht um irgendeine Katastrophe handelt, sondern um genau diesen unvergleichlichen, vom nationalsozialistischen Gewaltregime praktizierten Völkermord handelt. Die ganze Zeile lautet in Übersetzung: „Ribqa Rosenwasser, die hinweg gerafft wurde auf dem Höhepunkt ihrer Tage nach der schrecklichen Scho’ah“.

Bei dieser Inschrift handelt es sich um einen sehr frühen Beleg dieses Ausdrucks „Scho’ah“, der außerdem durch seinen reflektierten Gebrauch auffällt. Normalerweise wird von der Forschung der Gebrauch des Terminus als erst seit 1948 im Judentum etabliert angesehen.

Die 22 Schülerinnen und Schüler konnten heute nicht nur fachübergreifend und interkulturell hinter die Kulissen schauen, gespickt mit vielen Hintergrundinformationen haben sie fürs Leben gelernt.

Redaktion
Celler Presse

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