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Religion macht Kinder schlau – Martin Luther in der Kita

CELLE. Heute fand der religionspädagogische Fachtag für ErzieherInnen im Ev.-luth. Kirchenkreis Celle in der Stadtkirche St. Marien statt. Gekommen waren ca. 250 ErzieherInnen, um sich zum Thema „Kinder und Religion“ auszutauschen und einen gemeinsamen Gottesdienst der besonderen Art zu feiern. Helke Ricker (Beraterin der Kitas im Kirchenkreis Celle) begrüßte zunächst alle Anwesenden; Kai Thomsen (CD-Kaserne) bot den musikalischen Rahmen u.a. mit: „Ich sing Dir mein Lied – in ihm klingt mein Leben“.

Das Programm war bunt und vielfältig. Zunächst gab es eine kleine Theateraufführung zu einem großen Thema. Warum kam Luther auf diese Ideen, und wie war das damals mit der Gottesfurcht und dem Ablasshandel? Woher nahm er sein Urvertrauen das anzuprangern und die Thesen dann noch irgendwo hinzunageln?

Landesbischof Ralf Meister – jetzt selbst Großvater – hatte dazu ein paar sehr anregende und unterhaltsame Geschichten zu erzählen (Siehe den Beitrag unten „Kinder sind Botschafter des Lebens“)

Anschließend gab es eine Podiumsdiskussion mit Ralf Meister und den Luther-BotschafterInnen. Diese berichteten, wie schwierig es heute sei, mit Kita Kindern darüber zu sprechen und welche Ängste sie gehabt hätten, nichts falsch zu machen. Aber Kinder verstünden wohl viel mehr als wir denken.

Danach fanden diverse Workshops statt und um 16h der Abschlussgottesdienst mit der Einführung von Martina Kruse als neue pädagogische Leiterin des Ev.-luth. Kirchenkreises Celle.

Redaktion
Celler Presse

Hier die Rede von Bischof Ralf Meister:

„Kinder sind Botschafter Gottes“

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder,
gibt man „Martin-Luther-Kindergarten“ bei google ein, kommt man auf mehr als fünf Millionen Einträge. Als Namensgeber für Kindergärten und Kindertagesstätten, so findet man dort, scheint Martin Luther sehr beliebt. Da ist es fast außergewöhnlich, dass Sie hier im Kirchenkreis Celle keine Martin-Luther-Kita haben, wenn ich es richtig gesehen habe. Doch was ist der Name einer Kita gegen eine intensive inhaltliche Auseinandersetzung mit der Reformation in allen Kitas!? Sie haben sich zwei Jahre mit Martin Luther und der Reformation als Thema beschäftigt. Phantasievolles Material ist dabei entstanden. Jede Kita hat einen Lutherbotschafter oder -botschafterin. Davor habe ich großen Respekt! Doch – so frage ich mich – ist das, was Luther sein Leben lang umtrieb, wirklich schon was für die Kleinsten? Ist Luthers Rechtfertigungslehre ein Thema für Vierjährige? Darüber möchte ich heute mit Ihnen noch einmal nachdenken und freue mich auf Ihre Impulse und Erfahrungen.

Ohne Angst vor Gott

„Unsere Kinder werden die ersten sein, die ohne Angst vor Gott aufwachsen“. Für mich war das einer der bewegenden Sätze aus dem Film „Katharina Luther“. Vor zwei Wochen lief er im ARD. Wie sehr die Rechtfertigungslehre schon ein Thema der Kinder ist, zeigte sich an diesem Abend. Es sind zunächst fremde Welten, in die der Film entführt. Das dunkle Mittelalter mit seinem Glauben an Dämonen ist bedrückend. Die Liebesheirat war noch nicht erfunden, und so ist die Geschichte zwischen Katharina von Bora und Martin Luther eher eine von zwei Gleichgesinnten, die sich begegnen und eine Familie gründen. Da treffen sich zwei, die eigentlich keine zum Heiraten sind, die aber der Wunsch nach „dem ganzen Leben“ verbindet. Als ehemaliger Mönch und ehemalige Nonne müssen sie sich auf der Straße einiges anhören. „Das sündige Treiben der heiligen Leut‘, den Teufel in der Hölle freut!“. Katharina treibt diese öffentliche Anklage um. Die Angst, mit dem Weggang aus dem Kloster gesündigt zu haben und verflucht zu sein, verfolgt sie bis in ihre erste Schwangerschaft. Die Vorstellungen von Sünde und Teufel sitzen tief. Sie träumt davon, dass sie einen Dämon mit spitzen Zähnen zur Welt bringt. Genau die „Ausgeburt des Satans“, vor der sie bereits im Kloster gewarnt wurde. An den Kindern wird es sich zeigen. Als sie ihrem Ehemann Martin von dem Albtraum und ihrer Angst vor einem Teufelskind erzählt, antwortet er: “Angst, jahrhundertelang nichts als Angst”. Und er schwört seiner Frau: “Unsere Kinder werden die Ersten sein, die ohne Angst vor Gott aufwachsen werden”.

Sechs Kinder hatten die beiden: Johannes, Elisabeth, Magdalena, Martin, Paul und Margarethe. Und Luther hatte einen für seine Zeit ungewöhnlichen Blick auf Kinder. Zum einen setzen der ehemalige Mönch und die ehemalige Nonne damit ein deutliches Zeichen: Zölibatäres Klosterleben galt damals als vor Gott angesehener, gerader Weg zum Himmel. Für viele Reformatoren war der Schritt zur Ehe ein theologisches Signal, dass auch das Leben in einer Familie mit Kindern von Gott gesegnetes Leben sei. Zum anderen ließ sich für Luther gerade an den Kindern ablesen, wie Gott es mit seinen Menschen gemeint habe. Er schreibt dazu: Kinder „…übertreffen doch aller Bäume Früchte und sind schönere, herrlichere Kreaturen Gottes. An ihnen sieht man Gottes Allmacht, Weisheit und Kunst, der sie aus nichts geschaffen hat. Er hat ihnen in einem Jahr Leib, Leben und alle Glieder so fein und wohlgestalt geschaffen und will sie ernähren und erhalten.“

Luther war nicht nur ein manchmal poltriger Theologieprofessor, er wurde auch zu einem Familienmenschen. Gemälde und Reliefs zeigen ihn als Mittelpunkt seiner Familie, als Musik liebenden Hausvater in seiner Hausgemeinschaft. Zu dieser Gemeinschaft zählte nicht nur seine Familie im engeren Sinn, sondern auch alle, die ständig oder zeitweise in seinem Haus gastliche Aufnahme fanden: »Weib und Kind, Knechte und Magd, Vieh und Futter«. Neben seinen eigenen Kindern wuchsen hier noch Waisenkinder auf, darunter Kinder von Luthers Schwestern und Verwandte von Katharina. Dazu Studenten, Witwen, aus dem Kloster geflohene Nonnen. Es heißt, dass manchmal bis zu 40 Menschen am Tisch saßen. Doch das bunte Treiben störte den Hausvater nicht, im Gegenteil: Er selber zog immer wieder Gäste ins Haus und wollte Verwandte und Freunde um sich haben, wenn er aus seiner Studierstube kam. Das bewahre ihn vor schwarzen Gedanken, meinte er.

Frühkindliche Prägungen

Mit seinen Kindern war Luther zwar streng, aber anscheinend nicht so streng, wie er selber erzogen worden war. Bei Tisch erzählte er einmal: »Mein Vater stäupt’ mich einmal also sehr, dass ich ihm floh und dass ihm bang war, bis er mich wieder zu ihm gewöhnet. Ich wollt auch nicht gern mein’ Hansen sehr schlagen, sonst würd’ er blöde und mir feind; so wüßt ich kein größer Leide … Meine Eltern haben mich aufs peinlichste gezüchtigt, bis ich kleinmütig wurde … Und so haben sie mich mit ihrer strengen Zucht zuletzt ins Kloster getrieben, wiewohl sie es herzlich gut gemeint haben.« (WA Tr 2, 134, Nr.1559). Viele Historiker sind sich heute einig, dass wir für eine umfassende psychologische Deutung über Luthers Kindheit zu wenig wissen. Seine Sicht auf die Erziehung seiner Eltern gilt als durchaus subjektive Deutung. Er wuchs in sparsamen, aber nicht bescheidenen Verhältnissen auf. Seine Kindheit war nicht härter als die anderer Kinder damals. Man darf davon ausgehen, dass er wie die meisten Altersgenossen seines Umfeldes aufwuchs und mit der Härte, Nüchternheit und Strenge erzogen wurde, die damals Kindern gegenüber üblich war (Heinz Schilling, S. 64).

Doch wie wir heute wissen, wird das Gottesbild eines Menschen auch geprägt von dem Elternerlebnis, oft noch eher vom Vatererleben des Kindes. Dass das Gottesbild Luthers weitgehend von der Härte in Elternhaus und Schule geformt war, bezeugt er selber. In seinem Kommentar zum Galaterbrief erzählt er: “Ich wurde von Kindheit auf so gewöhnt, dass ich erblassen und erschrecken musste, wenn ich den Namen Christi auch nur nennen hörte: denn ich war nicht anders unterrichtet, als dass ich ihn für einen gestrengen und zornigen Richter hielt” (WA 40 1, 298).

Diese allgemeine verbreitete Vorstellung im späten Mittelalter über Gottes strafende und unerbittliche Strenge könnte sich bei Luther seit seiner Kindheit so gesteigert haben, dass er sie weder umgehen noch beiseiteschieben konnte. Seinen späteren Klostergefährten gelang es wohl eher, diese Sicht vom richtenden und strafenden Gott abzumildern. Er hingegen sah sich gezwungen, den unerbittlichen Gott bis in die letzten Konsequenzen und Abgründe hinein zu durchdenken und zu durchleiden. Vor diesem Hintergrund hatte der Gedanke, dass schon Kinder Gott ohne Angst begegnen sollen, damals eine geradezu unverschämte Bedeutung.

Kinder sind uns weit voraus

Es traf die Eheleute Luther hart, als zwei ihrer Kinder starben. Elisabeth, das zweite Kind, wurde nicht einmal ein Jahr alt. Martin Luther schrieb damals in einem Brief:  „Es ist zu verwundern, ein wie bekümmertes, fast weibisches (= mütterliches) Herz sie mir zurückgelassen hat…; das hätte ich zuvor nie geglaubt, dass ein väterliches Herz so weich werden könne wegen der Kinder.“ (WA Tr21a,1182). Auf ihrem Grabstein steht:  „Hier schläft M. Luthers Töchterlein Elisabeth, gestorben im Jahre 1528, den 3. August.“ Wenn Sie einmal nach Wittenberg kommen, können Sie den Gedenkstein in der Wittenberger Stadtkirche sehen.
14 Jahre später starb eine weitere Tochter. Der Tod der zwölfjährigen Magdalena traf die Eltern fast noch tiefer: „Und obwohl ich und meine Frau nur froh und dankbar sein sollten über ihren so glücklichen Heimgang … so ist doch die Macht der Liebe so groß, dass wir es ohne Schluchzen und Wehklagen des Herzens, ja ohne großes Absterben nicht vermögen.«  schreibt Luther. Im Film stürzt der Tod von Magdalena Luther in eine schwere Krise, die als Ringen mit dem Teufel dargestellt wird. Auch Katharina kann nicht anders, als im Tod ihrer Tochter eine Strafe Gottes zu sehen. Berührend ist, wie eines ihrer Kinder sie aus ihrer Verzweiflung holt: „Mutter, Du musst nicht weinen, Magdalena ist jetzt in Gottes Armen, wo es immer warm ist und immer hell.“ Das hatte die sterbende Magdalena ihrer kleinen Schwester mit auf den Weg gegeben. Keine Rede von einem strafenden Gott, von Hölle und Verdammnis. Das Kind, das durch ein Wort die Mutter tröstet, die Mutter, die den trauernden Ehemann zurück ins Leben holt – so veranschaulicht der Film Luthers Verständnis vom allgemeinen Priestertum, wonach sich Christen und Christinnen, die „alle gleichmäßig Priester sind“, gegenseitig Mut zum Glauben an den gnädigen Gott machen sollen. Dafür braucht es keinen geweihten Priester. Mit filmischen Mitteln gelingt es hier, einen schwierigen theologischen Gedanken einfach und lebensnah auszusprechen. Die Kinder werden zu Botschaftern der reformatorischen Gedanken. Die Rede vom liebenden Gott findet seinen Platz mitten im Alltag der Familie. Für Martin Luther ist die große Aufgabe, die Eltern in der Erziehung und Begleitung ihrer Kinder haben unersetzlich. Er schreibt: „Weiter spricht Christus: Wer ein solch Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf. Da stehet es klar: wer eines Kindes sich recht mit Ernst annimmt und es zieht, daß es Gott lernet erkennen, nicht lernet fluchen, schwören, stehlen, dem, spricht Christus hier, sage ich es zu, daß er mich selbst aufnimmt, und mir so Liebes thut, als trüge er mich auf seinen Armen, und pflegte mein, wie meine Mutter mein gepfleget hat. Daher kömmt denn das gemeine Sprüchwort und ist auch wohl wahr, daß Vater und Mutter können an den Kindern den Himmel verdienen und die Hölle, wenn sie denen wohl oder übel vorstehen. Denn Vater und Mutter müssen sorgen und gedenken, wie sie die Kinder leiblich versorgen mit Essen, Trinken, Schuh und Kleidern, und auch an der Seele, daß sie Gott recht erkennen lernen durch sein Wort. Also sind die Seelen der Kinder, welche Vater und Mutter zu versorgen haben, die Hungrigen, Durstigen, Nackenden, Gefangenen, Kranken, von welchen Christus spricht Matth. 25, 40.: „was ihr gethan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir gethan.“ 

Kinder als Botschafter Gottes

Luther hat einmal betont: „Es gibt keinen größeren Schaden in der Christenheit, als Kinder zu vernachlässigen. Denn will man der Christenheit wieder helfen, so muss man fürwahr bei den Kindern anfangen, wie vorzeiten geschah.“ (WA 2,170,14-16)

Er bindet sich dabei eng an die biblische Überlieferung. Die Bibel hebt Kinder hervor, nicht zahlreich, aber bedeutsam: Kain und Abel, an denen sich schon Menschheitsgeschichte abzeichnet. Isaak, den Sohn von Abraham und Sarah. Ismael, seinen Halbbruder, geboren von der Magd Hagar. Die Zwillinge Jakob und Esau, von deren schwieriger Bruderbeziehung wir im 1. Buch Mose lesen. Oder Jakobs zwölf Söhne und ihre Geschichte voller Liebe und Eifersucht und Geschwisterstreit. Der Prophet Jesaja erzählt uns von dem Kind, das die Welt retten wird. Und die Evangelien des neuen Testamentes schließlich schildern uns die Geburt und die Kindheitsgeschichte Jesus, der später so prägende Sätze sprechen wird: “Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen” (Matthäus 18, 3).

Jesus spricht Kindern, die zufällig zu ihm gebracht werden, das Gottesreich zu, ohne Abstriche und ohne nach erfüllten Bedingungen zu fragen. Er stellt das Kind in den Mittelpunkt. So inszeniert er, was “Gnade” ist: Man muss nicht erringen, wovon man lebt, sondern annehmen und empfangen können – und sich liebevoll umarmen und segnen lassen. Darin besteht der Mut der Kinder, den die Bibel auch “Demut” nennt: Hineinfallen in das Versprechen der zärtlichen Nähe Gottes. Das ist der Kerngedanke der Reformation. Das ist das, was Martin Luther in unzähligen Schriften zu Papier gebracht hat: Gnade an sich geschehen lassen. Vertrauen. Kinder können das. Darin sind sie uns weit voraus.

Dazu ist mir besonders eine biblische Szene nah, in der noch einmal ein Kind eine wichtige Rolle spielt: Bei der Erzählung von der Speisung der Fünftausend (Joh. 6, 1-15): „Andreas, der Bruder des Simon Petrus, sprach zu Jesus: Es ist ein Knabe hier, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; aber was ist das unter so viele? Jesus aber sprach: Schaffet, dass sich das Volk lagere. … Und Jesus nahm die Brote, dankte und gab sie denen, die sich gelagert hatten; desgleichen auch von den Fischen, wie viel sie wollten.“

Inmitten von lauter Sorgen der Erwachsenen, ob Brot und Fisch für alle reichen werden, taucht ein Kind auf. Dieses Kind stellt zur Verfügung, was es hat: zwei Fische und fünf Gerstenbrote. So naiv kann nur ein Kind sein. Dieses Kind wird nur hier bei Johannes erwähnt. In allen anderen Speisungsgeschichten kommt es nicht vor. Jedem fallen dabei Geschichten ein, von Kindern, Enkelkindern, kleinen Freunden, die mit einer wunderbaren und zukunftsfrohen Sichtweise die Welt zurechtrücken. Sie widersetzen sich der Logik des Marktes, sie leben in fröhlichem Tauschhandel, in Gesten der spontanen Zuneigung oder harscher Abkehr. So sind Kinder nicht nur ein Sinnbild unserer Hoffnungen, also dessen, was wir wünschen und erwarten, sondern sie sind das Sinnbild der Hoffnung Gottes auf uns. Auf jedes Kind fällt das Licht der Hoffnung. In jedem Neugeborenen ist ein kleiner Anfang des Friedensreiches Gottes gegenwärtig. Sie sind Botschafter Gottes in unserer Welt. Und zugleich erinnern uns die Kinder in einzigartiger Weise an unseren Auftrag in der Welt. Kinder erinnern uns an die Weisungen Gottes für diese Welt. Kinder bringen uns zu einem Nachdenken zurück, das wir längst verloren haben.

Vor Jahren war ich mit meinem Sohn auf Mottenjagd. “Papi, weiß die Motte eigentlich, dass sie Motte heißt?” fragte er mich plötzlich. Abrupt unterbrachen wir die Jagd auf den Nachtfalter. Ob die Motte wohl weiß, wie wir sie nennen? “Sicher nicht”, antwortete ich – etwas zu selbstbewusst – meinem Sohn, “die kann uns Menschen ja gar nicht verstehen, und reden, reden kann sie erst recht nicht”. Doch an seinem fragend-zweifelnden Blick merkte ich schnell, dass ich verloren hatte. “Was weiß die Motte denn überhaupt?” setzte er nach. Und so kamen wir beide ins Nachdenken. Wenn die Motte nicht weiß, wie wir sie nennen, vielleicht weiß sie wenigstens, wie sie bei den Schmetterlingen heißt und wie andere Tiere sie nennen? Und wie wir Menschen wohl in der Mottensprache heißen? Dass ein großer und ein kleiner Schatten hinter ihr hergejagt sind, wird sie wohl gemerkt haben, sonst wäre sie ja nicht davongeflattert. Aber was weiß eine Motte sonst? Fragen, die wir uns nicht mehr stellen. Kinder schon. Fragend erschließen sie sich die Welt. Anders als wir, die wir glauben, alles schon zu wissen. „Wer, wie was – wieso, weshalb, warum – wer nicht fragt bleibt dumm“, so erklang es im Januar 1973 zum ersten Mal aus den Fernsehgeräten in Deutschland mit der Titelmelodie der Sesamstraße.

Kinder sind die Chance für Gottes Friedensreich

Es gibt unzählig viele schwerwiegende Fragen, die Kinder uns stellen, aber unsere Antworten sollten nicht zuerst Moral, Gesetz und Pflicht sein. Es gibt Dinge, die sich nicht durch ihre Zwecke rechtfertigen: die Lieder, die Geschichten, die wir abends unseren Kindern vorlesen, die Küsse, das Gebet. Wer diese Dinge von ihren Zwecken her beschreibt, verdirbt sie. Ich kann niemanden mit Zweckabsichten küssen, oder es wäre Heuchelei. Ich kann nicht Lieder singen mit anderen Absichten, als sie zu lesen und zu singen. Die köstlichsten Dinge sind nicht von ihren Zwecken her zu beschreiben. Unser Glaube wird nicht definiert von seinem Zweck, sondern von seinem Ursprung in Jesus Christus selbst. Das ist etwas anderes. Wer Glauben beschreibt mit dem Wörtchen „Um zu“, der wird sich immer an den Folgen messen lassen müssen, und auch erklären müssen, warum Gott die eine Fürbitte erhörte und die andere nicht. Natürlich hat der Glaube an Gott Folgen. Und die Geschichte Gottes mit uns Menschen beschreibt eine wunderbare Treue Gottes zu uns. Aber von diesen Folgen her, kann man den Glauben nicht definieren.

Jeder, der sich an religiöse Unterweisungen mit seinen eigenen Kindern erinnert, wird gestehen, dass die schönsten Augenblicke nicht diejenigen waren, in denen wir gelehrig erklärten, warum der Glaube fürs Leben nützt, warum er dies, oder jenes erbringen kann, sondern es waren die Augenblicke, in denen wir in die Freiheit Gottes mit hinein genommen wurden. Dafür brauchen Kinder damals wie heute auch Religion. Nicht, damit sie Pflichten folgen oder gar in Angst erzogen werden sondern damit sie von der Schönheit und Freiheit des Lebens hören, die Gott für uns will.

Religion ist nicht das bessere Argument oder der Zweck für ein besseres Leben sondern der Glanz und die Tröstung Gottes in dieser Welt. Die Rechtfertigungslehre der Reformatoren ist ein Thema für Kinder. Denn alles begann schon mit einem Kind. In Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend, stellt es unser Denken und Fragen und auf den Kopf. „Wenn du ein Kind siehst, begegnest du Gott auf frischer Tat“ – dieser Satz wird Martin Luther zugeschrieben. Ob er tatsächlich von ihm stammt, ist wie beim Satz vom Apfelbäumchen nicht wirklich belegt. Aber er nimmt das auf, was Jesus in den Evangelien-Erzählungen vertritt: „Da aber die Hohenpriester und Schriftgelehrten sahen die Wunder, die er tat, und die Kinder, die im Tempel schrieen und sagten: Hosianna dem Sohn Davids! wurden sie entrüstet  und sprachen zu ihm: Hörst du auch, was diese sagen? Jesus sprach zu ihnen: Ja! Habt ihr nie gelesen: “Aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge hast du Lob zugerichtet”?“ (Mt. 21, 14.ff). Kinder sind die Botschafter des Reiches Gottes. Denn an „… ihnen sieht man Gottes Allmacht, Weisheit und Kunst, der sie aus nichts geschaffen hat.“

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