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Neue Klageflut: Über 10.000 Krankenhausabrechnungen vor den Sozialgerichten

CELLE. Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen und das Sozialgericht (SG) Stade haben in ihrer Pressekonferenz die Lage der niedersächsisch-bremischen Sozialgerichtbarkeit im Angesicht einer neuen Klageflut beleuchtet. „Bei unseren Sozialgerichten sind in den ersten neun Novembertagen 3.135 Klagen von Krankenkassen gegen Krankenhäuser auf Rückforderung überzahlter Vergütungen eingegangen. Darunter sind mindestens 283 sogenannte Listenklagen mit bis zu 1.000 Abrechnungsfällen. Insgesamt handelt es sich um mindestens 13.579 Abrechnungsfälle, die genauso viele verschiedene Patienten betreffen. Das ist ein nie dagewesener Klagehagel in die Eingangstore der Sozialgerichte. Diese hatten in den vergangenen vier Jahren ihre Verfahrensbestände erfolgreich reduziert. Hierfür haben sie Personal bekommen, das sie gerade wieder verlieren.“, sagt der Präsident des LSG Peter Heine.

Mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz, das der Deutsche Bundestag am 9. November 2018 beschlossen hat, will der Gesetzgeber die Situation der Pflege in Deutschland grundlegend verbessern. Ein kleiner Zusatz des Gesetzes hat jedoch enorme Auswirkungen auf die Sozialgerichte. Die überraschende Verkürzung bestimmter Verjährungsfristen und der Ausschluss von Rückforderungen für Fälle vor dem Jahr 2017 bereits ab Verabschiedung des Gesetzes am 9. November 2018 haben eine Welle von Rückforderungsklagen ausgelöst. Statt wie bisher vier Jahre, haben die Krankenkassen nur noch zwei Jahre Zeit, um gegen vermeintlich fehlerhafte Krankenhausrechnungen vorzugehen. Um ihre Forderungen noch vor Beginn der neuen Fristen geltend zu machen, haben bundesweit zahlreiche Kassen geklagt.

„Der Gesetzgeber hat seine Ziele nicht erreicht. Statt wie beabsichtigt die Sozialgerichte zu entlasten und Rechtsfrieden zu schaffen, ist das genaue Gegenteil eingetreten.“, beschreibt der Direktor des SG Guido Clostermann die Lage der Sozialgerichte. „Ein Richterarbeitspensum in solchen Sachen ist mit ca. 300 Fällen pro Jahr zu kalkulieren. Man braucht für diese ca. 13.500 neuen Fälle ca. 45 Richterinnen und Richter sowie etwa 50 Servicekräfte“, umreißt Clostermann den überraschend aufgetretenen neuen Bedarf. Mittelfristig kommen noch Verweisungen von zentral erhobenen Klagen hinzu. Manche Krankenkassen haben nämlich an ihrem Gerichtsstandort geklagt wie etwa die DAK in Hamburg. Zuständig sind jedoch die Sozialgerichte am Sitz der Krankenhäuser, so dass in nächster Zeit zahlreiche Verweisungen ins ganze Bundesgebiet zu erwarten sind.

Präsident Heine äußert sich im Hinblick auf den gleichzeitig reduzierten Personalbestand von Richtern und Servicekräften besorgt: „Ohne Verstärkungen ist das nicht zu schaffen. Die Verfahrenslaufzeiten werden uns sonst wie schon mit der Klagewelle in den sogenannten Hartz IV-Verfahren im letzten Jahrzehnt aus dem Ruder laufen.“ Dabei erinnert er an die Kernaufgabe der Sozialgerichtsbarkeit und mahnt: „Das Schicksal der sozial Schwachen darf nicht zugunsten von Vermögensverschiebungen innerhalb des Gesundheitssystems aufgeschoben werden. Ich sehe bei dem derzeitigen Personalbestand keinen Bearbeitungsvorrang solcher Abrechnungsstreitigkeiten gegenüber etwa den Verfahren im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende oder den Streit um eine Erwerbsminderungsrente. Existenzsicherung geht vor.“

Die Ursachen der gegenwärtigen Lage macht Heine auch in einem harten Wettbewerb zwischen Krankenhäusern und Kassen aus, der um die Gunst des Gesetzgebers entbrannt sei, aus Partnern des Gesundheitswesens zunehmend Gegner gemacht und schon in den letzten Jahren zu einem sehr deutlichen Anstieg der Klagen von Krankenhäusern und Krankenkassen geführt hätte. Wenn der Gesetzgeber mit der aktuellen Regelung den Wünschen der Krankenhäuser entspräche und vor dem neuen Gesetz nur minimale Fristen zur Rechtswahrung gewähre, müsse man sich über einen solchen Kraftakt der Kassen nicht wundern. Es sei vorauszusehen, dass die Krankenhäuser ihrerseits auf Verrechnungen von Rückforderungsansprüchen mit ihren aktuellen Vergütungsansprüchen durch weitere Klagen reagieren würden.

PR

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