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Werte für Feinstaub und Stickoxid beruhen auf solider wissenschaftlicher Basis – EU-Umweltkommissar Vella widerspricht Kritikern an Grenzwerten

BRÜSSEL. Die europaweit geltenden Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid basieren auf soliden wissenschaftlichen Erkenntnissen. Das hat EU-Umweltkommissar Karmenu Vella mit Blick auf die aktuelle Debatte in Deutschland bekräftigt. Das Europäische Parlament und die EU-Staaten hatten die EU-Richtlinie zur Luftqualität im Jahr 2008 verabschiedet. Die darin festgeschriebenen Grenzwerte fußen auf den Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation und weiterer wissenschaftlicher Studien. Mehrere Lungenärzte zweifeln die seit Jahren geltenden Grenzwerte der europäischen Luftreinhalte-Richtline an. Sie stellen sich damit gegen ihren eigenen Verband, der sogar strengere Grenzwerte zum Schutz der Gesundheit fordert. Verkehrsminister Andreas Scheuer fordert nun, dass auf europäischer Ebene darüber diskutiert wird, die Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide auszusetzen.

Vella erklärte Mittwochabend: „Wir sollten alle besorgt sein um die Qualität der Luft, die Europäerinnen und Europäer einatmen. Der Schutz der Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger ist daher für uns sehr wichtig, auch im Rahmen unserer EU-Gesetzgebung zur Luftqualität. Die geltenden EU-Grenzwerte, die von allen Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament verabschiedet wurden, basieren auf soliden wissenschaftlichen Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der weltweit führenden Autorität in Gesundheitsfragen.

Diese Erkenntnisse werden von unzählbaren wissenschaftlichen Studien gestützt, die – wenn ich dies betonen darf – einer wissenschaftlichen Überprüfung unterzogen wurden. Tatsache ist, dass wir leider die Folgen im Lebensalltag hunderttausender Menschen beobachten können, jung und alt, in Städten überall in Europa, die mit den Gesundheitsfolgen schlechter Luftqualität zu kämpfen haben. Daher müssen wir dringend die Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität beschleunigen, um so die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger zu schützen.“

Dieselfahrverbote / Kritik an Grenzwerten / Berichterstattung ARD
Das ARD-Morgenmagazin berichtete Mittwoch (23.01.2019) über die Kritik von über 100 Lungenexperten an aktuellen Studien zur Gesundheitsgefährdung durch Dieselabgase. Ein Großteil der Studien zu diesem Thema sei methodisch fragwürdig. Zudem sei der jetzige Grenzwert für Stickstoffdioxid völlig ungefährlich, so die Experten. Dazu erklärt der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Christian Baldauf: „Dieselfahrverbote haben gravierende Auswirkungen auf die betroffenen Städte bzw. Regionen. Sie betreffen Millionen Autofahrer, die auf ihre Fahrzeuge als Pendler oder Dienstleister zwingend angewiesen sind. Zudem geht es um eine Schlüsselindustrie der deutschen Wirtschaft und damit um Arbeitsplätze. Es muss deshalb natürlich selbstverständlich sein, dass wir diese Diskussion auf Basis von verlässlichen und wissenschaftlich fundierten Studien führen.

Wenn sich jetzt mehr als 100 Experten zu Wort melden, und erhebliche Kritik an der Diskussionsgrundlage üben, dann sollten wir das sehr ernst nehmen. Natürlich steht außer Frage, dass der Gesundheitsschutz zentrale Aufgabe staatlichen Handelns ist. Allerdings bestreiten die genannten Lungenexperten die Verhältnismäßigkeit von Fahrverboten, weil der geltende Grenzwert für Stickstoffdioxid völlig ungefährlich sei. Wir brauchen deshalb dringend eine fundierte toxikologische Neubewertung der bestehenden Grenzwerte bei Stickoxid. Zudem müssen wir auch die Standorte der Messstellen in den Blick nehmen.“
Toxikologische Neubewertung der bestehenden Stickoxid-Grenzwerte erforderlich

Rebecca Harms, Grünes Mitglied im Europäischen Parlament und Mitglied im Umweltausschuss: „Dass Minister Scheuer bereit ist, europäische Vorgaben über den Haufen zu schmeißen, weil 100 Ärzte diese anzweifeln, ist erschreckend. Es gibt wissenschaftliche Expertise, die die gesundheitsschädigende Wirkung von Luftschadstoffen bestätigt. Diese hat den Minister nie beeindruckt. Sein Vorschlag EU-Grenzwerte auszusetzen wegen eines offenen Briefe zeigt viel Respekt vor der Autoindustrie und wenig vor der Europäischen Gesetzgebung.“

Thüringens Wirtschaftsminister Tiefensee zu Feinstaubdebatte: Wissenschaftliche Argumente ernstnehmen
Aber: Grenzwerte nicht vorschnell aufgeben

Angesichts der Kritik von Medizinerinnen und Medizinern an den wissenschaftlichen Grundlagen für die Festlegung von Grenzwerten für Feinstaub und Stickoxide hat sich Thüringens Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee für eine Versachlichung der Debatte um die EU-Vorgaben zur Luftreinheit ausgesprochen. „Ich halte überhaupt nichts davon, die jetzt geäußerten Zweifel einfach beiseite zu wischen“, sagte Tiefensee. „Sachliche Argumente müssen immer ein Anlass sein, um noch einmal neu nachzudenken.“

Wissenschaftliche Expertise ernst zu nehmen, gebiete bereits der Respekt vor der Wissenschaft – „sie lebt vom gut begründeten Meinungsstreit“. Zum anderen werde nur so das Vertrauen der Bürgerschaft in politische Entscheidungen gestärkt, die ja auf soliden Fakten gründen muss.

Allerdings: Solange Expertise gegen Expertise stehe, habe Politik die Aufgabe, für den bestmöglichen Schutz der Bürgerinnen und Bürger zu sorgen. „Politik folgt dem Vorsorgeprinzip. Deshalb wäre es verfrüht, die derzeit geltenden Grenzwerte nun unmittelbar aufzugeben.“ Zumal man auch fragen müsse, warum die Kritik erst jetzt – acht Jahre nach Inkrafttreten der EU-Grenzwerte – in dieser Deutlichkeit artikuliert werde.

VCD zur Stickoxid- und Feinstaub-Diskussion: „Minister Scheuer nimmt die Erkrankung zigtausender Menschen in Kauf“

Michael Müller-Görnert, VCD-Verkehrsexperte: „Minister Scheuer krönt sich zum Schutzpatron der Autoindustrie und nimmt dafür die Erkrankung zigtausender Menschen in Kauf. Ein Aussetzen der Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide wäre ein Schlag ins Gesicht der Menschen, die unter den Folgen schlechter Luft zu leiden haben. Das sind vor allem Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen. Statt die seit Jahren wissenschaftlich belegten negativen Auswirkungen von NO2 und Feinstaub wissenschaftlich haltlos in Frage zu stellen, muss Minister Scheuer endlich dafür sorgen, dass Dieselfahrzeuge deutlich weniger Schadstoffe ausstoßen. Hätten die Autohersteller nicht die Abgasreinigung manipuliert, wäre die Luft vielerorts deutlich sauberer und es gäbe keine Diskussion um Fahrverbote.

BUND-Bayern: unverantwortlich gegenber den betroffenen Menschen

Die jngste Forderung einer Gruppe von Lungenärtzen, hält der BUND Naturschutz in Bayern für unverantwortlich gegenber den betroffenen Bürgern. Die Grenzwerte sind u.a. von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erarbeitet und vielfach geprft worden. Sie sind seit 20 Jahren bekannt und gelten seit dem Jahr 2010.

Die Frage ist doch, warum sich jetzt IJzte zu Wort melden, wenn das seit fast zehn Jahren geltende Recht zum Schutz der menschlichen Gesundheit ganz oben auf der politischen Agenda steht und endlich durchgesetzt werden soll. Die Forderung, europäischeche Grenzwerte auszusetzen, ohne den wissenschaftlichen Beleg dafür, dass diese für den Gesundheitsschutz nicht erforderlich sind, ist geradezu absurd, so Richard Mergner, Landesvorsitzender. Die Grenzwerte dienen dem Gesundheitsschutz und sind Vorsorgewerte, besonders für Kinder, älere und gesundheitlich vorbelastete Menschen.

Die Schweiz hat einen noch strengeren Grenzwert von 30 g/m? fr Stickstoffdioxid eingefhrt, der WHO-Richtwert liegt bei 20 g/m? (EU: 40 g/m? im Jahresmittel). Studien haben zudem nachgewiesen, dass Stickoxide insbesondere bei Kindern ein reduziertes Lungenwachstum bedingen und auch äere Menschen vermehrt von Atemwegserkrankungen betroffen sind.

Der BUND Naturschutz verweist in diesem Zusammenhang auf den Leitartikel Risiko Luftschadstoffe in Ausgabe 1/ 2019 der Mnchner IJztlichen Anzeigen und das aktuelle Positionspapier der Deutschen Gesellschaft fr Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. Atmen: Luftschadstoffe und Gesundheit. Die Fachgesellschaft, in der fast 4.000 Mediziner vertreten sind, hat im Jahr 2018 anerkannte Wissenschaftler*innen gebeten, die relevante Fakten zusammenzustellen und kommt zu der klaren Forderung, dass eine deutliche Reduktion der Luftschadstoffbelastung geboten ist. Die Stickoxidbelastung wird dabei ausdrcklich einbezogen.
Hintergrund

Die Europäische Kommission verfolgt die aktuelle Debatte in Deutschland über die Auswirkungen von Stickstoffdioxid (NO2) und Feinstaub (PM) auf die menschliche Gesundheit.

Der Schutz der öffentlichen Gesundheit ist von größter Bedeutung und wird in den Vorschlägen und Initiativen der Kommission berücksichtigt, einschließlich aller, die sich auf die Qualität der Luft beziehen, die die Europäer atmen.

Die EU – das heißt die nationalen Regierungen aller Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament – haben die Höchstwerte für Schadstoffe einschließlich NO2 und PM festgelegt, und zwar auf Basis der besten, von Experten überprüften, wissenschaftlichen und technischen Gutachten.

Die bestehenden Vorschriften bedeuten, dass bei Überschreitung dieser Grenzwerte dringend Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität und damit zum Schutz der Gesundheit der Bürger ergriffen werden müssen.

Die Kommission leistet den nationalen, regionalen und lokalen Akteuren praktische Hilfe bei der Verbesserung der Luftqualität in Europa, und im Mai 2018 verabschiedete sie die Mitteilung über „Saubere Luft für alle“, in der die Maßnahmen zur Verbesserung der Luft in Europa beschrieben sind.

Die aktuellen NO2-Grenzwerte basieren auf der Richtlinie 2008/50. Die EU hat die Luftqualitätsnormen seit 1999 in ihren Rechtsvorschriften festgelegt und in ihrer Richtlinie von 2008 auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse der Weltgesundheitsorganisation bestätigt.

Die jüngste umfassende Überprüfung der zugrunde liegenden Nachweise wurde 2013 im Rahmen der „Review of evidence on health aspects of air pollution (REVIHAAP (link is external))“ veröffentlicht. Darin wurde die bestehende Wissensbasis, die die Grundlage für die europäischen Rechtsvorschriften zur Luftqualität bildet, erneut bestätigt.

Auch andere unabhängige Organisationen wie der Europäische Rechnungshof und die Europäische Umweltagentur haben in ihren jüngsten Berichten die negativen Auswirkungen der Luftverschmutzung auf die Gesundheit der Menschen anerkannt.

Wie hat die EU die aktuellen NO2-Limits berechnet?

Die aktuellen NO2-Grenzwerte basieren auf der Richtlinie 2008/50. Die EU hat die Luftqualitätsnormen seit 1999 in ihren Rechtsvorschriften festgelegt und in ihrer Richtlinie von 2008 auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse der Weltgesundheitsorganisation bestätigt.

In der Richtlinie 2008/50/EG heißt es: „Zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt insgesamt ist es von besonderer Bedeutung, den Ausstoß von Schadstoffen an der Quelle zu bekämpfen und die effizientesten Maßnahmen zur Emissionsminderung zu ermitteln und auf lokaler, nationaler und gemeinschaftlicher Ebene anzuwenden. Deshalb sind Emissionen von Luftschadstoffen zu vermeiden, zu verhindern oder zu verringern und angemessene Luftqualitätsziele festzulegen, wobei die einschlägigen Normen, Leitlinien und Programme der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu berücksichtigen sind.“

Die jüngsten Empfehlungen aus den Luftqualitätsrichtlinien der Weltgesundheitsorganisation, die hier (link is external) zusammengefasst sind, betonen erneut die schwerwiegenden Auswirkungen auf die Gesundheit und bestätigen den Wert von 40 μg/m3 im Jahresdurchschnitt:

„There are serious risks to health not only from exposure to PM, but also from exposure to ozone (O3), nitrogen dioxide (NO2) and sulfur dioxide (SO2). … Epidemiological studies have shown that symptoms of bronchitis in asthmatic children increase in association with long-term exposure to NO2. Reduced lung function growth is also linked to NO2 at concentrations currently measured (or observed) in cities of Europe and North America.“

Die WHO hat weitere Beweise für diese Werte vorgelegt und 2013 eine vollständige und detaillierte „Review of evidence on health aspects of air pollution“ durchgeführt, die hier (link is external) zu finden ist.

In ihrer umfassenden Überprüfung stellt die WHO fest:

“More studies have now been published, showing associations between long-term exposure to NO2 and mortality and morbidity. Both short- and long-term studies have found these associations with adverse effects at concentrations that were at or below the current EU limit values, which for NO2 are equivalent to the values from the 2005 global update of the WHO air quality guidelines. Chamber and toxicological evidence provides some mechanistic support for a causal interpretation of the respiratory effects.“

Wie werden die gesundheitlichen Auswirkungen der Luftverschmutzung berechnet (einschließlich Schätzungen von vorzeitigen Todesfällen), und sind diese Zahlen robust?

Die Europäische Umweltagentur (EEA) erstellt jährlich Gesundheitsrisikobewertungen zur Luftverschmutzung auf europäischer Ebene. Diese stellen eine objektive und vergleichbare Schätzung der Auswirkungen der Luftverschmutzung auf die Gesundheit der Bevölkerung dar. Demnach sind mehr als 400.000 vorzeitige Todesfälle in der Europäischen Union auf die Luftverschmutzung zurückzuführen.

Die Europäische Umweltagentur verwendet die besten verfügbaren Daten zur Luftqualität sowie Informationen über Bevölkerung und Gesundheit auf europäischer Ebene, um das Gesundheitsrisiko abzuschätzen. Die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) schlagen sich in der Bewertung der EEA ebenfalls wider. Dazu gehören die Zusammenhänge zwischen der Konzentration eines Luftschadstoffs, dem eine Bevölkerung ausgesetzt ist, und einem gesundheitlichen Ergebnis (z.B. Mortalität) und den Konzentrationen, ab denen gesundheitliche Auswirkungen berücksichtigt werden.

Die Schätzungen sind ein guter Indikator für das Ausmaß der gesundheitlichen Auswirkungen der Luftverschmutzung, insbesondere auf besonders gefährdete Gruppen wie Kinder und Menschen mit Atemwegserkrankungen, und eine solide Grundlage für die Messung der Auswirkungen von Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität.

Wird die Grenzwertspezifikation im Laufe der Zeit angepasst (aufgrund neuer Erkenntnisse) oder für immer festgelegt?

Die Europäische Kommission überprüft regelmäßig die EU-Rechtsvorschriften und bewertet derzeit die Richtlinien zur Luftqualität im Rahmen eines Fitness-Checks (mit dem Schwerpunkt, ob die Rechtsvorschriften relevant, wirksam, effizient sowie kohärent mit anderen Politikbereichen sind und einen EU-Mehrwert bieten).

In diesem Zusammenhang wird auch überprüft, ob die Grenzwerte auf einem Niveau festgelegt sind, das zur Erreichung des Gesamtziels der Luftqualitätspolitik beiträgt. Der Fitness-Check wird Ende 2019 abgeschlossen sein, und seine Ergebnisse werden in die Diskussion der Kommission einfließen, ob die Richtlinie überarbeitet werden muss oder nicht.

Berücksichtigt die Europäische Kommission die Stellungnahme von 107 deutschen Lungenfachärzten, dass PM- und NO2-Emissionen nicht so schädlich seien?

Die Kommission nimmt Kenntnis von den laufenden Diskussionen über die Auswirkungen der Luftverschmutzung im Allgemeinen und die gesundheitlichen Auswirkungen von Stickstoffdioxid (NO2) und Feinstaub (PM10 und PM2,5) im Besonderen.

Allerdings bestätigt der überwiegende Teil der wissenschaftlichen Erkenntnisse, die in den letzten Jahren gesammelt wurden, immer wieder, dass Stickstoffdioxid und Partikel unsere Gesundheit bereits in den Konzentrationen beeinflussen, die in den Luftqualitätsrichtlinien der Weltgesundheitsorganisation festgelegt sind.

Ein Beispiel für eine wissenschaftlich fundierte und gründlich geprüfte (peer-reviewed) Analyse ist die REVIHAAP (link is external) (Review of evidence on health aspects of air pollution) aus dem Jahr 2013 sowie eine Reihe anderer wissenschaftlicher – und umfassend durch Experten begutachteter – Bewertungen.

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