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LIST regte an: Celle zum sicheren Hafen machen – Seebrücke-Anträge im Rat gescheitert

  • Celle

CELLE. Anfang Januar übergaben Mitglieder der Initiative „Land in Sicht – Transition“ (LIST) im Neuen Rathaus einen Brief an alle Fraktionen und den Oberbürgermeister mit der Anregung, dass die Stadt sich der „Seebrücken“-Kampagne „Sichere Häfen“ anschließen möge. Hintergrund der Aufforderung war die Situation im Mittelmeer, wo europäische Staaten es Nicht-Regierungsorganisationen nicht mehr gestatten, gerettete Flüchtlinge in die Häfen zu bringen. Das schlug bei den Fraktionen von SPD, Bündnis ’90/Die Grünen, WG/Die Partei und Die Linke/BSG gemeinsam wie auch die Abgeordnete Inga Marks auf fruchtbaren Boden, die daraufhin einen entsprechenden Antrag im Rat eingebracht haben.

Nachdem diese Thematik bereits in der Öffentlichkeit zu einer kontroversen Diskussion führte, setzte diese sich in der Ratssitzung fort. Die Diskussion im Rat entzündet sich an dem Beschlussvorschlag der Verwaltung, den Antrag abzulehnen. Darin wird begründet, dass sich Celle im Hinblick auf die Aufnahme und Integration Geflüchteter auf einem guten Weg befinde. Derzeit seien alle von der Stadt Celle aufgenommenen Geflüchteten dezentral in Wohnungen untergebracht, ein Integrationskonzept befinde sich in Arbeit, und mit Datum vom 31.01.2019 habe die Stadt mit 291 Personen die Zuweisungsquote übererfüllt (wie im Übrigen auch im gesamten Jahr 2018).

Damit stelle Celle hinreichend unter Beweis, ein sicherer Hafen für diejenigen Geflüchteten zu sein, die aufzunehmen die originäre Aufgabe sei, weil sie einen rechtlichen Anspruch auf Schutz haben. Den Rahmen dafür bilden Gesetzgebungen, die der Rat der Stadt nicht beeinflussen könne und für die er nicht zuständig sei. Hier sei vielmehr die Bundesregierung in der Verantwortung, in dem sie die Rahmenbedingungen für eine geregelte Zuwanderung schaffe und in die entsprechenden Länder kommuniziere. Die Stadt Celle solle keine Anreize für illegale Migration schaffen, falsche Hoffnungen wecken und u. U. damit noch das Schleppertum befördern.

Uns liegen Redebeiträge vor, die die kontroversen Standpunkte verdeutlichen. Behiye Uca (BSG/Linke) hatte das Seebrücke-Anliegen vehement vertreten, ebenso Bernd Zobel (Grüne/Bündnis 90). Die Gegenposition machte der Beitrag von Anatoli Trenkenschu (AfD) deutlich. Letzten Endes folgte der Rat dem Beschlussvorschlag, der den Beitritt zur Seebrücken-Kampagne ausschloss.

Hier sind die drei Redebeiträge im Wortlaut:

Behiye Uca (BSG/Linke):
„Die CDU ist ja gerade dabei aufzuarbeiten, was hierzulande Flüchtlingskrise genannt wird. Ein Blick in die heutige Verwaltungsvorlage aber zeigt doch: „Wir haben es geschafft.“

Denn in dieser Vorlage, ich sage es mal für das Publikum, meint die Verwaltung, alle gesetzlichen Aufgaben bestens gelöst zu haben. Auch darüber ließe sich streiten. Aber nicht an dieser Stelle. Denn darum geht es heute nicht. Zur großen Teilen der Verwaltungsvorlage muss ich also leider sagen: Thema verfehlt.
Es geht nicht darum, dass wir einen gesetzlichen Auftrag erfüllen. Es geht darum, dass wir nicht die Augen davor verschließen dürfen, dass im Mittelmeer Menschen ertrinken. Und dass wir darüber reden müssen, was das mit uns und unseren Werten zu tun hat.
Europa als Wertegemeinschaft. Ein großes Thema für die Wahl zum Europaparlament. Und gleichzeitig wird das Mittelmeer zum Friedhof. Das ist das Thema. Und das Thema ist, dass europäische Regierungen Seenotrettung kriminalisieren und unmöglich machen.
Leider hat sich die Stadträtin für Soziales und Kultur gegenüber der Celleschen Zeitung in einer Art geäußert, die voll auf der Linie der italienischen Rechtspopulisten liegt und auch der AfD gefallen dürfte. In der Vorlage steht es ja genauso. Ich zitiere:
„Die Stadt Celle sollte keine Anreize für illegale Migration schaffen, falsche Hoffnungen wecken und unter Umständen damit noch das Schleppertum befördern.“ [Zitat Ende]
Was heißt das denn? Das heißt doch nichts anderes als: Lassen wir sie ersaufen. Das setzt doch ein deutliches Zeichen an jene, die noch kommen wollen. Die Zahlen geben diesem Zynismus ja anscheinend sogar Recht: 2262 Tote gab es im Mittelmeer 2018, im Vorjahr waren es noch 3139 Todes- oder Vermisstenfälle.

Aber es kann doch nicht sein, dass wir unseren Kindern und Enkeln sagen: Wir haben einfach weggeschaut, als immer mehr Regierungen sich von zivilisatorischen Standards verabschiedet haben. Denn genau das ist es doch, was in den letzten Monaten passiert ist. Hier gilt es, etwas zu verteidigen:
Seenotrettung ist ein zentraler Bestandteil des internationalen Völkerrechts. Sie gehört zu den zivilisatorischen Errungenschaften der Menschheit.
Und genau das soll gerade auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgt werden. Deshalb wollen wir ein Bekenntnis dieses Stadtrats.
Ich wiederhole jetzt nicht, was in den Resolutionen steht. Aber warum wird dieses Anliegen vom Verwaltungsvorstand als „Lippenbekenntnis“ herabgewürdigt? Es handelt sich um ein Anliegen, das 41 Städte in Deutschland mittlerweile unterstützen. Alles Lippenbekenntnisse?
Nein. Es ist leider so, dass der Verwaltungsvorstand mit keinem einzigen Gedanken oder Argument auf den Antrag eingeht. Das ist ein absolutes Armutszeugnis.
In Italien, Spanien und auf Malta werden zivile Seenotrettungsschiffe mit fadenscheinigen Begründungen festgehalten oder beschlagnahmt. Ein einziges Rettungsschiff ist diese Woche auf dem Mittelmeer unterwegs. Trotzdem flüchten Menschen über das Meer – nur ist oft niemand da, um ihnen zu helfen. Seit Jahresbeginn sind über 200 Menschen im Mittelmeer ertrunken.
Hier und heute geht es darum, ein klares Zeichen zu setzen. Es geht darum, die zivile Seenotrettung zu unterstützen statt sie zu kriminalisieren.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.“

Bernd Zobel (Grüne/Bündnis 90):
„ Warum haben die Grünen diesen Antrag mit eingebracht? Einen Antrag, der in vielen Städten diskutiert und unterschiedlich entschieden wurde. So haben z.B. Braunschweig und Osnabrück mehrheitlich „Ja“ gesagt. In Hannover steht nächste Woche die Verabschiedung eines Antrages an, der von einer breiten Mehrheit aus SPD, Grünen, FDP, Linke u.a getragen wird. Formulierungen wie „Anreize für illegale Migration“ finden sich nur im AFD-Antrag. Auch die CDU spricht sich dort gegen die Behinderung der Seenotrettung aus. Hervorgehoben wird im Mehrheitsantrag das Bekenntnis, Menschen zu helfen. Die Bundesregierung müsse für die Geflüchteten ein Bundesprogramm erlassen.
Klar ist, wir wollen hiermit keine Weltpolitik machen, wir können kein dringend erforderlich modernes Einwanderungsgesetz hier auf den Weg bringen. Wir können aber auch in Celle ein „Zeichen der Menschlichkeit setzen“. Wir wollen nicht mehr wegsehen, wenn im Mittelmeer tausende Menschen ertrinken, Hilfsorganisationen kriminalisiert werden und die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union dieser Tragödie tatenlos zusehen. Diesem Trauerspiel ,diesem Armutszeugnis der EU setzen wir etwas entgegen. Wir sagen, dass auch Celle bereit ist, Geflüchtete aufzunehmen. Die Stadtgesellschaft und die Verwaltung hat in den letzten Jahren unter Beweis gestellt, dass sie Geflüchtete aufnehmen kann, Celle für sie ein sicherer Hafen ist.
Ein weiterer in der Öffentlichkeit geäußerter Einwand lautet, das Thema sei in Celle nicht zu lösen und gehöre nicht auf die Agenda. Hier möchte ich an die Ratssitzung vom 17.11.216 erinnern. Einstimmig verabschiedete der Rat eine “Solidaritätserklärung für Demokratie, Menschenrechte und Meinungsfreiheit in der Türkei“. In dieser Erklärung ruft der Rat die türkische Regierung zu Demokratie und Rechtstaatlichkeit auf. Ebenso wie in unserem heutigen Antrag forderten wir damals die Bundesregierung und die EU auf, schnell und geschlossen zu reagieren, um Schlimmeres zu verhindern.
Aufschlussreich ist ein weiterer Blick in die Vergangenheit. Schauen wir rund 40 Jahre zurück. Hunderttausende Vietnamesen fliehen. Überfüllte Flüchtlingsboote schippern im südchinesischen Meer. Viele ertrinken oder verdursten. Bekannt ist die von Spenden finanzierte Cap Anamur. Die Besatzung rettet vielen Menschen das Leben, auch Cellern. Parallelen zur heutigen Situation im Mittelmeer tun sich auf. Damals beschloss dann aber der Christdemokrat Ernst Albrecht im November 1978 tausend Boat People nach Niedersachsen auszufliegen. Innenminister Hasselmann flog selbst nach Asien, um den Transport aus den Lagern öffentlich zu begleiten. Celle bot sich damals an, Boat People aufzunehmen. Sie wurden mit „offenen Armen“ hier aufgenommen , so ist damals in der Lokalzeitung zu lesen. Übrigens: Auch Frankfurt beschloss 1979 die Aufnahme von 250 Boat People, die ein Alexander Gauland als OB-Büroleiter aus Hongkong begleitete.
Was damals ein Zeichen für Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft war,soll es auch heute sein. Die Frage: Was kostet das? habe ich bei meiner Recherche nicht gefunden.“

Anatoli Trenkenschu (AfD):
„Auch wir wollen nicht, dass die Menschen sterben und nicht nur im Mittelmeer.

Wir sind aber keine Sozialromantiker und machen keine ideologie-getriebener Politik, wir sind Realisten. Die Probleme der Menschen dieser Welt können nicht in Celle oder Deutschland gelöst werden, sondern nur vor Ort, in den Herkunftsländern, alles andere ist die pure Utopie.
Dazu ein paar Zahlen zum Nachdenken, diese machen sehr deutlich, dass die Lösung für das Drama im Mittelmeer niemals durch die Willkommenskultur, die offenen Grenzen und die Schaffung von weiteren Anreizen für die illegale Migration erreicht werden kann.

Deutschland hat seit dem Jahr 2015 ca. 2,0 Millionen Flüchtlinge aufgenommen – was sehr viel ist und etwa die Größenordnung von Sachsen Anhalt entspricht- im gleichen Zeitraum wuchs aber die Erdbevölkerung um weitere 300 Millionen Menschen ( das ist fünfmal mehr als Deutschland Einwohner hat), überwiegender Teil davon in den ärmsten Ländern dieser Welt. So wächst zum Beispiel die afrikanische Bevölkerung aktuell um fast 1,0 Million Menschen pro Woche.
Kein Land der europäischen Union und auch nicht alle Länder der EU zusammen sind überhaupt in der Lage, so viele Menschen aufzunehmen, geschweige denn, erfolgreich zu integrieren. Die Hilfe vor Ort mit den Bildungseinrichtungen, medizinischer Versorgung der Bevölkerung, Bekämpfung der Korruption oder auch das Waffenembargo sind die einzigen effektiven Maßnahmen um das Elend tatsächlich zu bekämpfen.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch erwähnen, es ist absolut nicht hilfreich für die bedürftigen Herkunftsländer, wenn die Fachkräfte aus diesen nach Deutschland hergelockt werden. Dazu ein kleines Beispiel (mit der Ärztedichte).

In Deutschland kommen statistisch auf je 100.000 Einwohner 413 ausgebildete Ärzte, umgerechnet auf Celler Bevölkerung wären es rund 300 Ärzte für unsere Stadt. Der vergleichbare Wert in Nigeria liegt bei 27, in Senegal bei 4 und Niger bei 2! (stellen Sie sich bitte das vor, statt 300 müssen nur 2 Ärzte die ganze Stadt Celle medizinisch versorgen).

Und schlimmer noch, mit ihrer Anreizpolitik wollen Sie auch diese 2 Ärzte noch als Fachkräfte nach Deutschland herlocken. Wissen Sie was das ist? Dass ist eine brutale Ausbeutung und bewusste Verschlimmerung der Situation in den ärmsten Ländern der Welt. Ist das wirklich allen bewusst?
Nur weil Deutschland seit Jahrzehnten die demografische Entwicklung hierzulande nicht in den Griff bekommt, müssen die anderen Länder dafür jetzt bluten?
Der moderne Kolonialismus verpackt in einem bunten Mantel der rot / grünen Ideologie.
Diese Politik der Verlogenheit macht die AfD nicht mit.

Anatoli Trenkenschu
Fraktionsvorsitzender AfD-Fraktion im Rat der Stadt Celle“

PR

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