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Reise zurück zum Ursprung der Fotografie – Martin Menzel erzählt über seine Leidenschaft: der Kollodiumfotografie

CELLE. Als sein Sohn Leopold die Fotografie des Uropas im Lederrahmen sah und fragte, warum das Foto denn in schwarz-weiß sei, kam Martin Menzel ein wichtiger Gedanke: Was bleibt als Nachlass an Erinnerungen? Diese Frage und dieser Gedanke sind sein Antrieb, sich mit dem Thema der historischen Fotografie auseinanderzusetzen. Es gab noch Zeiten, da wurden Fotoalben gepflegt und wichtige Ereignisse wurden gut dokumentiert. So konnte die nachfolgende Generation das Leben der auch bereits verstorbenen Familienmitglieder besser nachvollziehen.

Heutzutage mit der ganzen neuen Technik, die uns umgibt, knipsen wir schnell ein paar Schnappschüsse mit unserem Handy. Doch das digitale Leben hat eine große Kehrseite. Digitale Fotos sind schnell verloren: z.B. weil der PC kaputt geht. Doch die analogen Bilder und gerade die Kollodiumfotografie, auch Nassplattenfotografie genannt, lässt Bilder mehrere Generationen überdauern. In der Herstellung recht komplex und ein einzelnes Bild auch ein aufwendiges aber wertiges Vergnügen. Wozu, wenn ich doch bei einem normalen Fotografen, 100e von Fotos schießen lassen kann? Wie viele von den 100en Fotografien sind denn wirklich originell und treffen genau den Menschentypen, der fotografiert wird? Wie viele Bilder würde man sich aufhängen? Beim Treffen des Menschentypen geht es nicht nur um das Optische, sondern auch um den Charakter des Menschen. Und genau da setzt Martin Menzel an. Ein Shooting bei ihm ist nicht nur Kamera draufhalten und abdrücken. Denn es ist soviel mehr!

Wie läuft so ein Nassplatten-Shooting ab?

Gerade in seiner Kollodiumfotografie: Für seine Silberbilder bereitet er bereits eine Stunde vor dem Eintreffen der Person die Chemikalien mit Filterung vor. Wenn der Kunde zu ihm kommt, plant er gemeinsam mit ihm den Bildaufbau. Welche Haltung und welchen Ausdruck möchte die Person einnehmen? Das Bild wird umgekehrt gespiegelt und auf dem Kopf stehend sein. Welche Kleidung wird die Person tragen? Wie wirken sich die Farben in der Nassplattenfotografie aus? Die Belichtung reagiert auf blaue und ultraviolette Strahlung sehr empfindlich, während rote und infrarote Strahlung nicht oder nur kaum aufgenommen werden. So kommt es dazu, dass z.B. Sommersprossen schwarz bleiben, währenddessen eine blaue Jeans wie eine weiße Hose aussieht. Nachdem gemeinsam Kleidung, Haltung und zu Transportierendes abgesprochen wurde, wird eine Glas- oder Aluplatte gereinigt und mit einem dünnen Kollodiumfilm beschichtet. Dann muss die Platte bis zum fertigen Bild nass bleiben: Innerhalb von 10 Minuten wird die Platte belichtet, entwickelt, fixiert, gewässert und zum Trocknen ausgelegt. Denn der beigemengte Äther und Alkohol verflüchtigt sich recht schnell. Nach der Aufnahme wird die Fotografie in der eigenen Dunkelkammer entwickelt: ein magischer Moment, der mit den Portraitierten gemeinsam passiert. Dazu wird Eisensulfat, Essig, Alkohol und Wasser in einer langsamen und bestimmten Bewegung über die Platte gegossen. Nach dem Fixieren und insgesamt zwei Stunden Arbeitszeit hält der zufriedene Kunde sein Abbild in der Hand. Aber nicht nur in seinem Studio kann Martin Menzel damit fotografieren. Auch unterwegs ist dies möglich. Mit ca. 200kg Material kann er auch außerhalb des Studios Nassplattenfotos aufnehmen. Dazu nimmt er eine Vielzahl mit: ein Dunkelkammerzelt, einen Tisch, Tücher, destilliertes Wasser, Chemie, Schutzkleidung, Platten, eine selbst gebaute Aufbewahrungskiste und natürlich die Plattenkamera. Gerade die Aufbewahrungskiste ist äußerst interessant. Denn die Platten werden wie Waben in einem Bienenstock in diese Kiste in 1cm breiten Abständen reingehängt. Denn die Aufnahme ohne eine Versiegelung, dem sogenannten Varnish ist hoch sensibel und kann schnell beschädigt werden. Nach dem Versiegeln mit Schellack wird das Silberbild gegen äußere Einflüsse geschützt. So bleiben die Bilder über 170 Jahre erhalten. Wenn das sein Geld mal nicht wert ist………

Diese Art der Fotografie lädt zum Spielen ein

Wenn ein heller Untergrund unter die Glasscheibe gelegt wird, erhält der Betrachter ein Negativ des Fotos. Umgekehrt bei einem dunklen Untergrund entsteht ein Positivbild. Was bedeutet das? Das Bild auf der Glas-, oder Aluplatte selbst ist ein unterbelichtetes Negativ aus metallischem Silber, dass sich auf der Nassplatte, nach dem Entwickeln und Fixieren gebildet hat. Hierbei werden nur die helleren Partien der Aufnahme dargestellt. Wenn nun ein weißes Blatt darunter gelegt wird, erscheinen die dunklen Partien hell, weil sie in der Fotografie ausgelassen werden. Also kein Silber entstanden ist. Wird ein dunkler Untergrund dahinter gelegt, erscheinen die freien Flächen schwarz. Heute als Dunkelfeldprinzip bekannt oder auch Scheinnegativ genannt.

Das Silbernitratbad: Das liebevoll umsorgte Baby eines jeden Kollodiumfotografen

Für ein Foto werden folgende Chemikalien benötigt: Kollodium, auch bekannt als Schießbaumwolle, als haftender Träger; dies wird in Äther und Alkohol aufgelöst; Jod, Bromsalz und das flüssige Silbernitrat um eine lichtempfindliche Schicht zu bilden. Nach einigen Aufnahmen muss das Bad von Rückständen der beigemengten Chemikalien befreit werden. Dazu wird es auf eine besondere Art gefiltert und gewartet. Um den PH-Wert stabil zu halten und Verunreinigungen zu entfernen, geht das Silbernitratbad in der Sonne baden. Die UV-Strahlen der Sonne pflegen das Silbernitratbad und lösen die Verunreinigungen raus. Danach steht ein mehrmaliges Filtern an. Daher bedarf das Silbernitratbad eine kontinuierliche, andauernde Pflege wie ein kleines Baby, damit es den Fotografen ein Leben lang begleiten kann.

Geschichte der Kollodiumfotografie

Um 1830 entwickelten Louis Jaques Mandé Daguerre mit einigen anderen Fotografen und Chemikern die Daguerreotypie. So wurden erste Fotoaufnahmen möglich. Diese waren allerdings sehr zeitaufwändig. Denn die Belichtungszeit pro Foto dauerte bis zu 30 Minuten. Das Verfahren selbst war auch sehr kostspielig, da als Platte poliertes Silber verwendet wurde. Zudem und das ist der Hauptgrund für Änderung der Verfahrensweise: hochgiftig aufgrund der Beimengung von Quecksilber. So setzte sich das neue Kollodium-Nassplatten-Verfahren von Frederick Scott Archer 1851 durch. Die Belichtungszeit von unter einer Minute, die Verwendung einer Glasplatte und der Verzicht auf Quecksilber war ein echter Durchbruch. Doch wie kam es zu diesem Durchbruch? Archer war Bildhauer und wollte seine bildhauerischen Arbeiten festhalten und auf Postkarten vervielfältigen. Die Glasplatte legte er auf beschichtetes Papier und entwickelte so aus einem Negativ ein Positiv. Später wurde der Effekt genutzt, indem die Platte vor der Aufnahme schwarz beschichtet wurde. So erhielt der Fotograf ein Direkt-Positiv.

Die ersten Visitenkarten

Das neue Verfahren ermöglichte die Carte de Visite ab dem Jahre 1860 populär zu werden. Diese war zu Beginn eine Fotografie auf Karton von ca. 6×9 cm. Auf dieser Karte war das portraitierte Foto eines Menschen, der Name des Abgebildeten und des Fotografen aufgedruckt worden. Durch diese damalige weltweite Verwendung trug die Carte de Visite wesentlich zur Verbreitung der Fotografie bei. Louis Dodero, der allem Anschein nach der erste Verteiler dieser Karten war, war seiner Zeit weit voraus. Nach dem Zitat: „Wenn es gelänge, dieses Verfahren eines Tages einfacher und günstiger zu gestalten, könnte man es auch für Pässe, Jagdausweise etc. nutzen …“ war er ein kleiner Visionär. Doch bereits nach 1915 waren diese Karten nur noch vereinzelt zu finden. Aber auch heute gibt es noch Visitenkarten. – nur mit anderen Daten, nämlich Kontaktdaten, darauf. Und auch die Idee des Dodero hat sich schlussendlich durchgesetzt. Heutzutage würde ein Pass ohne Foto seine Gültigkeit verlieren.

Martin Menzel: Seine neuesten Projekte und seine Ambitionen

Letztens habe er 3 Montage allein Zugang zum Kloster Wienhausen gehabt. „Das war sehr inspirierend. Allein im Nonnenchor mit der Plattenkamera und der analogen Stoppuhr zu stehen und die Geschichte des Klosters nachzuspüren. Meine besten Bilder sind aber der Kreuzträger und der kranke Christus. Ich mag ja lieber Menschen zu fotografieren und deren Charakter damit einzufangen. Wahrscheinlich sind diese daher meine persönlichen Favoriten. Denn die Gesichter und der Körper sind so realistisch von den Künstlern umgesetzt worden. Gerade diese realistische Umsetzung ergreift mich noch immer, wenn ich diese Fotos sehe.“

Eins seiner Herzensprojekte sei die Organisation „Dein-Sternenkind“. Nachdem er selbst mit seiner Frau beinahe einmal betroffen gewesen wäre, setzte er sich seit 2016 regelmäßig ehrenamtlich dafür ein. Dazu halte er Vorträge und fotografiere Sternenkinder für die hinterbliebenen Eltern. Auch schule Martin die Hebammen und das Pflegepersonal darin, mit ihren einfachen Digitalkameras einfühlsame Fotos zur Erinnerung zu schießen. Dazu habe er eigens ein Mini-Fotoworkshop entwickelt und gegeben.

Was er erreichen möchte? „Ich möchte, dass Menschen mehr Wertschätzung für hochqualitative Fotos entwickeln. Ebenso möchte ich erreichen, dass Menschen erkennen, wie wertvoll Erinnerungen sind, die sie weitergeben können an die nachfolgenden Generationen. Mein Ziel ist, dass Menschen beginnen, ein gutes, authentisches Abbild mehr zu schätzen als Tausend digitale Fotos auf einem Rechner. Auch die Tradition der Pflege eines Familienalbums mit Weitergabe in die nachfolgenden Generationen ist mir ein wichtiges Anliegen! Bilder gehören in die Hand und an die Wand.“

Wer selbst seine Fotografien in Augenschein nehmen und Martin kennenlernen möchte, kann gern im Kreativraum, in der Mühlenstraße 2 in Wienhausen reinschauen oder im Coffee Shop in der Schuhstraße mal einen Kaffee schlürfen gehen.

Redaktion
Celler Presse
Fotos: Martin Menzel, Manuela Mast

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