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Königliche Sänfte zieht frisch restauriert ins Residenzmuseum ein

CELLE. Schon lange schlummerte ein ramponiertes Objekt mit der Notiz „Sänfte Georgs V.“ im Depot des Museums. Eine besondere Fördermaßnahme der Ernst von Siemens Kunststiftung ermöglichte die Restaurierung der königlichen Sänfte auch in diesen schwierigen Zeiten. König Georg V. nutzte diese einst während seiner Sommeraufenthalte auf der Insel Norderney. Nun wird diese eher schmucklose Sänfte in der Dauerausstellung des Residenzmuseums im Celler Schloss der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Ist das wirklich die königliche Sänfte?

Die historische Sänfte wurde 1943 von einem Polsterer / Tapeziermeister in Norderney aufgekauft und stellte sie dem Bomann-Museum zur Verfügung. Seither befand sie sich in ziemlich desolatem Zustand im Außenmagazin des Museumsdepots. Museumsleiterin Juliane Schmieglitz-Otten: „Ich hatte dieses besondere Objekt schon seit längerem im Blick. Ich war mir aber nicht sicher, ob der dazugehörigen Notiz ‚Sänfte Georgs V.‘ zu trauen war. Denn das Stück war bislang noch nicht wissenschaftlich bearbeitet worden. Im Zuge von Recherchen ließ sich die Geschichte des Objektes aber nachvollziehen. Dank der Hinweise eines engagierten Kollegen auf der Insel Norderney kennen wir nun sogar das dazugehörige Gegenstück, die Sänfte seiner Gemahlin, Königin Marie.“ Über die Zusammenarbeit mit dem Museum Nordseeheilbad Norderney habe Juliane Schmieglitz-Otten den Weg hierher rekonstruieren können. Beide Sänften wurden während der sommerlichen Aufenthalte der königlichen Familie auf der Nordseeinsel Norderney von 1851 bis 1866 genutzt.

Historische Nutzung auf Norderney

Dabei waren solche Transportmittel zu dieser Zeit nicht außergewöhnlich. Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts hatte man die heilende Funktion des Nordseeklimas für Atemwegserkrankte erkannt. Zu den ersten Seebädern, die sich entlang der Nord- und Ostseeküste entwickelten, gehörte die ostfriesische Insel Norderney. Allerdings war sportliches Schwimmen oder spielerisches Plantschen nicht angesagt. Bis zum Wasser wurde das Königspaar in seinen beiden Sänften bis zur Badekarre getragen. Männer und Frauen wurden getrennt mit Hilfe von Badekarren zu verschiedenen Abschnitten des Strandes gefahren. Dort nahmen sie knieend oder liegend ihr Bad im Meer ein. Zur Eröffnung der Heilbads am 3. Oktober 1797 kamen 250 Kurgäste, von denen etliche wegen Logierplatzmangel in eigenen Zelten übernachteten. Bereits 1819 gehörte Norderney als Königlich-Hannoversches Seebad zu den bekanntesten europäischen Seebädern. Ab 1836 – Prinz Georg V. war gerade 17 Jahre alt – besuchte er alljährlich für einige Wochen das Seebad. Nach 1843 begleiteten ihn seine Frau Marie und die Kinder Ernst August, Mary und Friederike. Besonders auf Norderney lassen sich auch heute noch viele Spuren aus der vor 150 Jahre endenden Herrschaft der Könige von Hannover finden. Die Georgs- und Marienhöhe tragen die Namen des hannoverschen Königspaares. Das Große Logierhaus (später Kurhotel, heute Teil des Thalassohotels) sowie das Conversationshaus stammen aus dieser Zeit. Seit 1838 war das Große Logierhaus, 1837 erbaut, Unterkunft des Kronprinzen Georg und ab 1851 Residenz mit Hofhaltung. Ab 1851 machte König Georg V. die Insel für mehrere Monate im Jahr zu seiner Sommerresidenz.

Wie war die Restaurierung zur Corona-Zeit möglich?

Für die komplexe Restaurierung des Objektes waren derzeit keine Kapazitäten im eigenen Haus verfügbar. Daher nahm die freiberufliche Restauratorin Maja Friesenecker M.A. aus Groß Lafferde die Bearbeitung vor. In Kooperation mit den hauseigenen Werkstätten für Holz und Textiles erarbeitete sie ein Konzept zur Restaurierung und setzte es um. Die hierfür erforderlichen Mittel wurden von der Ernst von Siemens Kunststiftung zur Verfügung gestellt. Im Rahmen ihrer „Corona-Förderlinie“ fördern sie genau diese Kooperation zwischen Museen und Freiberuflern. Sie will damit die derzeit besonders gefährdeten selbstständigen Wissenschaftler*innen und Restautor*innen unterstützen. Damit bleiben diese Freiberufler auch für die Museen weiter erhalten. Denn relevante Ausstellungsprojekte, Werkverzeichnisse oder Restaurierungen können nur mit ihrer besonderen Expertise realisiert werden.

Zum Ausstellungsstück selbst

In der Sänfte wurde im Fußboden für damalige Verhältnisse das neumoderne Linoleum eingelegt. 1871 entwickelten William Parnacott und der Fabrikant Caleb Taylor das nach ihm benannte Taylor-Verfahren. Das gewonnene Linoxin galt als von minderer Qualität und war sehr dunkel. Daher eignete es sich nur für spezielle Anwendungen, in diesem Fall als bedrucktes Linoleum und war daher nicht abriebfest. Erstaunlich ist, dass nur wenige Abriebspuren vorhanden im Linoleum sind. Drei Schäden in der Außenhaut, bestehend aus wetterfest beschichteter Baumwolle, wurden behoben. Gut lässt sich die hölzerne Konstruktion anhand des aufgespannten Tuchs und der Nietnägel erahnen. Das Fenster selbst war versenkbar und bei erster Ansicht komplett in der Tür verschwunden. Erst bei genauerer Betrachtung offenbarte sich den Restauratoren diese Besonderheit. Hier musste allerdings eine zerbrochene Fensterscheibe ausgetauscht werden. Die Tragestangen sind einem Foto der ursprünglichen Sänfte nachempfunden und wurden ergänzt. Bei der Sänfte handele es sich nicht um ein Prestigeobjekt sondern war ein Gebrauchsgegenstand des Königs.

Dieses besondere und in seiner Materialität komplexe Objekt soll künftig in der Dauerausstellung des Residenzmuseums seinen Platz finden. Im historischen Kontext der Geschichte des Königreichs Hannover wird der Blick auf die eher selten gezeigte „hochadlige Gebrauchskultur“ geöffnet.

Redaktion
Celler Presse
Fotos: Residenzmuseum, Manuela Mast

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