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Eigene Erlebnisse in der Gotischen Halle neu entdecken

CELLE. Der Titel der Ausstellung: „Sie befinden sich hier“ kann als Tatsache oder als direkte Anrede verstanden werden. Sowohl die eigene Gegenwärtigkeit in der Ausstellung als auch des `Seins´ in den Bildern wird in diesem zweideutigen Titel angedeutet. Die beiden Künstler Michael Schuster und Sarah Zagefka vertreten einen real anmutenden Stil. Gerade dieser suggeriert bei den Betrachtern das Gefühl, „Dabei zu sein“, und auch die dargestellte Situation schon selbst einmal erlebt zu haben.

Michael Schuster:

Die Ambivalenz zwischen gerade erlebten und wieder vergangenen Augenblicken

In der griechischen Mythologie ist Kairos der Gott des günstigen Augenblicks. Er kann nur von vorne ergriffen werden. Denn, sobald er vorbei geeilt ist, erwischt man nur den kahlen Hinterkopf, die Leere, der verabschiedete Moment. Gerade diese kurzen und flüchtigen Momente hat Michael Schuster in seinen Laubschnitten in Silhouetten festgehalten.

Beispielhaft erläutert Kuratorin Anna Jander am Werk „Lichtbild 2914/86“, wie er diesen einen kurzen Moment eingefroren und doch lebendig wiedergibt. Nur der Fuß, der auf Zehenspitzen steht, ist von der Realfigur geblieben. Ansonsten erhascht der Betrachter einen verschwommen Schattenriss eines Jungen. Im flachen Wasser balancierend dreht er sich in Richtung des Betrachters. Dabei geben ihm die gespreizten Arme Halt und Gleichgewicht. Tatsächlich zeigt uns erst die Spiegelung das Geschehen auf. Durch den angeschnitten Kopf bekommt der Betrachter das Gefühl mitten in der Szene zu sein. Gerade die Reduktion ermöglicht es, sich eine kleine Geschichte um den Jungen zu ersinnen und eigene Erfahrungen und Erinnerungsstücke in das entstehende Bild einzufügen.

Botschafter des ewigen Kreislaufs vom Werden und Vergehen

Michael Schuster ordnet die getrockneten Blätter so an, dass eine räumliche Wirkung entsteht. Die dunkleren Blattadern scheinen die Richtung in der Fläche zu betonen. Sorgfältig wählt der Laub-Silhouetteur seine Protagonist*innen aus und überlässt keiner Bewegung dem Zufall. Diese unsicheren Momente erzeugen eine dynamische Spannung. Körperhaltung und Bewegungsabläufe scheinen voller Energie und Unbeschwertheit. Entgegen dem klassischen Scherenschnitt mit schwarzem oder weißen Papier bilden getrocknete Platanenblätter in warmen Ockertönen die Silhouetten. Die Wärme, das Licht und das abgebildete Leben strahlen durchweg positiv und sind von einer Leichtigkeit geprägt. Die Figuren zeigen Botschaften des ewigen Kreislaufs vom Werden und Vergehen.

Zeit und Vergänglichkeit, Erinnerung und Identifikation

Für diese Themen hat Michael Schuster eine starke Bildsprache entwickelt. Was aber sind eigene und was sind angenommene Erinnerungen? Oder erfahren wir unser Sein nicht auch durch die erzählten und berichteten Erlebnisse anderer? Unser imaginäres Gedächtnis ist angefüllt mit ähnlichen Bildern und wir erfahren Schusters Bildwelten, als wären es unsere eigenen.

Wandinstallation „Moments for Celle“

Michael Schuster hat Blätter im Celler Schlosspark gesammelt und verarbeitet. Als Querschnitt unserer Gesellschaft zeigt es Menschen unterschiedlichen Alters und Geschlechts. Jede dieser kleinen, etwa handgroßen Figuren befinden sich im Moment eines Bewegungsablaufs. Mit den Schatten auf der Wand wirkt es fast wie eine Sonnenuhr, die Schatten voraus wirft. Einige werden aufgrund der vielseitigen Bestrahlung regelrecht lebendig und zeigen komplexe Bewegungsabläufe, so dass drei Stufen des Ablaufs erblickt werden können. Andere Figuren erscheinen, als wäre die Gruppierung um das Doppelte größer.

Arbeitsweise und Referenzmaterial

Aus gepressten und getrockneten Blättern schneidet Schuster Silhouetten menschlicher Figuren. Ein Bezug zur Fotografie bleibt erhalten, indem er das geschnittene Laub auf weißes Papier fixiert. Der abstrakte, lichtdurchflutete, leere Raum erscheint erscheint wie eine starke Überbelichtung. Familiäre Fotoalben und gefundene Fotografien bilden sein Referenzmaterial. Langes Gehen, in Bewegung sein und bewusstes Wahrnehmen sind Teil seiner künstlerischen Strategie.

Erweiterte Ausstellung

Malerin Sarah Zagrefka setzt sich auf andere Weise mit den Themen Zeit, Vergänglichkeit und Identität auseinander. Ihr Werk befasst sich aber ausschließlich mit der Umgebung der Menschen. In einem weiteren Bericht über diese Ausstellung wird allein ihre künstlerischen Auseinandersetzung aufgezeigt.

Die Ausstellung des Kunstvereins „Sie befinden sich hier“ kann vom 11. Oktober bis 28. November 2020 im Schloss Celle, Gotische Halle, Schloßplatz 1, 29221 Celle besichtigt werden.

Öffnungszeiten: im Oktober: Di. – So. 13 – 17 Uhr | im November: Di. – So 12 – 16 Uhr

Redaktion
Celler Presse

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