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Das Ende des Kalten Krieges und der heißen Beats im Bomann-Museum

CELLE. Passend zur Finissage der Ausstellung im Bomann-Museum „Kalter Krieg und heißer Beat“ sorgte die ehemalige Schülerband „The Barking Bats“ – die sich in den 60er Jahren formiert hatte – zeit- und stilgerecht für den musikalischen Rahmen. Die nun zu Ende gegangene Ausstellung präsentierte die 60er Alltagskultur: Mode, Möbel, Jugend und Musik. Kuratorin Kathrin Panne erläuterte zeitgeschichtliche Besonderheiten und ging auf das Spannungsverhältnis zwischen Jugend und der älteren Generation anhand des Schlagers „Wir“ (Freddy Quinn) ein.

Wohnkultur in Celle
Der MuFuTi – Multifunktionstisch – war mit einer Kurbel an der Seite höhenverstellbar und ausklappbar. Im Fernsehkasten liefen die ersten Sendungen in schwarz-weiß oder bunt. Das String-Bücherregalsystem besteht aus furnierten Regalbrettern und kunststoffbeschichteten Drahtleitern, in die die Regalböden eingehängt werden. Der Schalensessel in Anlehnung des EGG Chair von Arne Jacobsen verschlang als luxuriös designtes Möbelstück 2 Monatsgehälter. Der Servierwagen „Dinett“ von BREMSHEY war widerstandsfähig gegenüber Feuer, Bruch und Feuchtigkeit sowie platzsparend: einseitig geklappt (t: 26 cm), zusammengeklappt (t: 10cm). Mehrere Designer zeigten, wie unterschiedlich Sitzmöbel in einem Guss aus Kunststoff gegossen werden konnten. Eindrucksvolle Beispiele zeigen es: Stapelbarer „Bofinger-Stuhl“, Freischwinger „Panton Chair“, Möbelserie „Floris“ mit eigenständiger Formensprache sowie aufklappbares „Gartenei / Senftenberger Ei“. Die Poggenpohl-Küche „Form 1000“ zeichnete sich durch gute Raumaufteilung und Widerstandsfähigkeit aus. So konnten mit Schnellkochtöpfen und kleinen elektronischen Helferlein von Braun im Bauhaus-Design schnell Mahlzeiten zubereitet werden. Die Ehefrau schützte ihre Kleidung mittels Schürze, da Waschmaschinen noch recht teuer waren und noch nicht die heutige Waschleistung hatten.

Celler Jugendkultur in den 60ern
Das Jugendzimmer war ausgestattet mit Bettcouch, Sitzsack und Schrank. Tonbandgerät, Kassettenrecorder und Schallplattenkoffer, Poster weisen auf den starken Musikeinfluss hin. Beim „Geigen Petzold“ lauschte die Jugend Songs auf den neuesten Schallplatten und beobachtete die Celler Hitparade. Anfang der 60er gründete sich die Schülerband im Hölty „The Barking Bats“. Nach 25 Jahren Abtauchen tritt sie wieder in Originalbesetzung seit mehreren Jahrzehnten  regelmäßig mit englischsprachigen Hits in Wienhausen auf. Sie sind die erfolgreichste, originalbesetzte Schülerband, geboren in diesem Jahrzehnt. Dieser Band verdankt das Bomann-Museum einige Leihgaben: Bildmaterial, Gibson-, Voss-Gitarre. Beatles-Bass von Höffner, sowie den Gitarrenverstärker AC30 Vox. Unter anderem Christoph Schlüter hat seine erste mehrfach geflickte und geänderte Schlaghose dem Museum zukommen lassen. Hans-Joachim Raatz hingegen bat seine Schwester (Maßschneiderin) um die Gabe zweier Haute Couture Kleider. Die politisch aktive Jugend beschäftigte sich mit dem Vietnam-Krieg und mit der unzureichenden Bildung in Deutschland. In der Bildungsreform 1968 wurden untere Schulformen reformiert, das Schulsystem bundesweit vereinheitlicht und Hochschulen gegründet, um gleiche Bildungschancen zu schaffen. In Schülerzeitungen informierten linke Gruppierungen zum laufenden Welt- und direktem Umweltgeschehen. Der Jugend sollte Benehmen über den Kinderknigge oder den Besuch von Tanzstunden vermittelt werden. Sexuelle Aufklärungskampagnen (Oswalt Kolle, Günter Armendt, Sexualkundeunterricht) und die Pille führten zum bewussteren Umgang mit der Sexualität.

Neues Frauenbild – die sehr schlanke Silhouette
Eine Moderedakteurin des Daily Epress machte Lesley Lawson bereits mit 16 Jahren zum Model. Sie gab diesem jungen Mädchen aufgrund ihres spindeldürren Aussehens den Spitznamen Twiggy (keines Zweiglein). Sie prägte das Frauenbild, welches uns seitdem begleitet. Ihretwegen folgten die Menschen der Modeszene aus London. Karstadt bot den Barking Bats an, zur Werbung der neuen Mode aus der Carnaby Street in der Ladenkette zu musizieren. In den wenigen Tagen, die sie dort spielten, war das Kaufhaus so überfüllt, dass die Jugendlichen keine Mode mehr kaufen konnten. Die Frauen in der Zeit trugen ihre Accessoires wie Hüte, Taschen, Handschuhe und Schuhe passend zum Kleidungsstück. Wichtige repräsentative Kleidung waren Pelze und Lederjacken. Lurex-Glanz-Mode wurde dank der Mondlandung in der Damenbekleidung ein Hit, aber auch Samt mit großflächigen Mustern wurde gern getragen. Die Schlaghose durfte bei Lehrerinnen nur an der Seite mit einem Reißverschluss versehen sein. Denn der Reißverschluss vorne zum Schritt hin galt als unzüchtig. Das Etuikleid aus dem Jahr 67 hatte als dekoratives Element nur die Brustabnäher. Diese Kleider waren für jeden Anlass geeignet. Durch den geringen Ausschnitt konnte Frau es sowohl zur Arbeit und mit einigen Accessoires zum Ausgeh-Abend tragen. Der Minirock endete 10 cm über dem Knie und wurde nicht einfach Mode, sondern drückte Protest der jungen Frauen aus. Sie befreiten sich von dem Zwang, immer adrett auszusehen und drückten ein neues Selbstbewusstsein damit aus. Mit dem Minirock setzte sich auch ein neues Schönheitsideal durch: Knabenhaft schlank wollten die jungen Mädchen nun sein. Auch Kleider und Mäntel waren nun sehr schmal geschnitten und zeigten keine Hüfte. Die Seidenstrümpfe wurden damals in Strumpftaschen transportiert, um Laufmaschen zu verhindern oder sie wurden repassiert. Denn zu dieser Zeit waren sie sehr teuer. Durch den Minirock konnten diese Strümpfe nicht mehr getragen werden und die Strumpfhose hielt Einzug in den Kleiderschränken. Die Unterwäsche hatte formende Elemente, um sich noch attraktiver für das Männchen zu zeigen. Gern waren BHs auch hauchdünn und reizten dem Mann. Im Bett schlief Frau mit Negligé aus Seide oder Babydoll und trug darüber eine gehäkelte Bettjacke. Frauen nähten an der Singer-Nähmaschine nach Schnittvorlagen von Burda oder Vogue selber ihre Kleidung.

Insgesamt war es eine wechselvolle, lebendige Zeit, in der viele Dinge, die uns heute selbstverständlich sind, angestoßen wurden. Kathrin Panne: „Die Ausstellung ist sehr erfolgreich gelaufen und wir haben sehr viel positives Feedback von den Besucher*innen erhalten.“

Redaktion
Celler Presse
Fotos: Manuela Mast

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