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Justiz: Digitalisierung pro und contra

Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann rüttelte mit seinem Gesetzesentwurf zur Aufzeichnung der Gerichtsprozesse (Audio und Video) die Justiz im ganzen Land auf. Die Niedersächsische Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann, die Präsidentin des Oberlandesgerichts Stefanie Otte und Generalstaatsanwalt Dr. Frank Lüttig verdeutlichten auf der heutigen Pressekonferenz ihre entschiedene Ablehnung.

Die Gerichte stellen sich grundsätzlich nicht gegen Neuerungen; mit der bevorstehenden Einführung der digitalen Akte folgen sie der technischen Entwicklung. Die Forderung nach den Aufzeichnungen aller Prozesse ab den Landgerichten komme daher überraschend, dem Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann gehe die weitere Digitalisierung anscheinend nicht schnell genug.

Doch warum stellen sich die Justizminister der Länder, die Präsidenten der Oberlandesgerichte und die Generalstaatsanwälte der Länder, einschließlich des Generalbundesanwalts, einstimmig gegen den Gesetzesentwurf des Bundesjustizministers?

Generalstaatsanwalt Dr. Frank Lüttig sieht bei der Aufnahme von Video und Ton viele Nachteile. Im Speziellen sieht Lüttig die Beeinflussung von Zeugen, die eingeschüchtert ihre Aussagen überdenken. Zusätzliche Sicherheitsgarantien gebe es auch nicht, denn das Material wird dem Gericht, den Staatsanwälten und den Anwälten im Nachhinein zur Verfügung gestellt. Ob nicht darüber hinaus Sequenzen ins Internet gelangen, könne nicht sichergestellt werden, ist Lüttig überzeugt. Die ganze Justiz, die Gesetzgebung, einschließlich des Revisionsrechts, müssten im Weiteren überarbeitet werden.

Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann verdeutlicht, dass die Audioaufnahmen obendrein via Spracherkennung und Audiotranskription in Text umgewandelt werden würden. An einem Prozess sind viele beteiligt: Richter, Schöffen, Kläger, Angeklagte, Nebenkläger und Rechtsanwälte, erläutert Wahlmann. Wenn es nun in einem Verfahren „hoch her“ geht, wie wolle man in den Aufnahmen und der Audiotranskription die einzelnen Stellungnahmen festhalten.

Die Präsidentin des Oberlandesgerichts Stefanie Otte und Generalstaatsanwalt Dr. Frank Lüttig ergänzen, dass Dialekte und Akzente ebenfalls automatisiert nicht richtig erfasst werden würden. Der Gesetzesentwurf soll im Sommer verabschiedet werden und betrifft die Umsetzung im Jahr 2030 – allerdings flächendeckend. Bereits 2026 soll es für die Oberlandesgerichte gelten.

Ist die Justiz nicht modern?

Otte sieht bei so einer Aussage den falschen Ansatzpunkt, schließlich möchte die Justiz mehr Digitalisierung. Man müsse den Stand der Technik und zeitgleich den Opferschutz im Auge behalten. Die Präsidentin des Oberlandesgerichts sieht momentan keine verlässliche Aufzeichnung – jedenfalls nicht auf diese Art und Weise.

Der Generalstaatsanwalt sieht diesen Vorschlag zu einer Unzeit kommen, da er mit der Einführung der Digitalen Akte kollidiert. So große Neuerungen haben meist Anlaufschwierigkeiten und müssen nachgearbeitet werden. Mit der Digitalen Akte und der angestoßenen Aufzeichnung stehe die Justiz gleichzeitig vor zwei Herausforderungen.

Die vielen Akteure an einem Prozess erschließen in den Verhandlungen den Sachverhalt und entscheiden sorgsam über das Urteil. Eine Aufzeichnung würde von vornherein ein Misstrauen des Gesetzgebers gegenüber den Richtern voraussetzen, so Wahlmann.

Einen Gewinn der Rechtsstaatlichkeit sehen die Wahlmann, Otte und Lüttig jedenfalls nicht und schließen sich damit den Länderkolleginnen und -kollegen an.

Redaktion
Celler Presse
Foto: Celler-Presse.de

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