Donnerstag, 16. Januar 2025

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„Ganz großes Kino“ – eine preisgekrönte cineastische Perle wird 30

Es ist einer der außergewöhnlichsten, wenn nicht DER außergewöhnlichste Ort für Kultur in Celle, und seine Entstehungsgeschichte ist Teil davon. In diesen Wintertagen wird das Celler Programmkino „achteinhalb“ 30 Jahre alt.

Der Schriftsteller, Lyriker und Rezitator Oskar Ansull hat dem gesamten Team und den Vereinsmitgliedern den nachfolgenden Text geschenkt.

Darüber hinaus haben wir fünf Persönlichkeiten, die auf unterschiedliche Weise mit dem Lichtspielhaus, das sich auf dem Gelände der CD-Kaserne befindet, verbunden sind, jeweils eine Frage gestellt. Die Antworten finden Sie im Anschluss an.

OSKAR ANSULL

GANZ G R O ß E S KINO
30 Jahre achteinhalb – Kino & Kultur e.V.

achteinhalb . . . das ist doch . . . ja, ein italienischer Filmtitel – Otto e mezzo – ein Film von Federico Fellini, 1963. Ein Film über das Filmen, die Entstehung, das Nichtentstehen eines Filmes, die künstlerischen Probleme des Regisseurs Fellini umkreisend… der eine surrealistische Verstrickung seiner Lebenskrise gedreht hat, als er Anfang der Vierzig war. Der Film endet – trotz alledem – mit dem schönen Satz: „Das Leben ist ein Fest, lass es uns gemeinsam erleben.“ Das Wagnis eines Kinoprojekts mit ungewissem Ausgang und eines dann doch Gelingens, das schließlich international preisgekrönt wurde und aus der Filmgeschichte herausragt. 

Ein Fest eines gelungenen Kinolebens feiert nun auch das Celler achteinhalb-Kino an der Hannoverschen Straße, auf dem CD-Kasernengelände. Ein Stück Kinogeschichte ist dort zu feiern. Es ist, abgesehen von den Kammerlichtspielen, das einzige „überlebende“ Kino, das in dieser Stadt noch existiert. Eine an Lichtspielhäusern einst reiche Stadt, mit seit 1905 zeitweilig bis zu zehn Kinos. Das achteinhalb oder 8½ ist ein Miniaturkino, das sich ambitioniert nach dem ital.-franz. Fellini-Film vor 30 Jahren benannt hat. Und wie viel Filmbegeisterung schwingt darin mit und wie vielfältig lassen sich von dem Fellini-Film Vergleiche zur Celler Situation ziehen; den Celler Kinos von vor dreißig Jahren bis heute, den angestrengten Versuchen, CINEastisches mit Niveau an der Aller zu zeigen, miterlebbar zu machen, kühnste Lichtspieltheaterträume und kritisches Dokumentar-Kino auch hier auf die Leinwand bringen zu können, aber eben ganz anders, als das sonst in den meisten Kinos geschieht. Im achteinhalb werden, für die, die sich in den bequemen roten Polstersitzen zurücklehnen, Kinoträume wahr, d. h. Filme zu sehen oder wiederzusehen, die hier sonst nie laufen würden, und nicht nur Kinoträume, auch Theater wird gespielt, Lesungen finden statt und Filmschaffende stellen ihre neuen Filme vor. Das achteinhalb ist ein großer kultureller („antigewerblicher“) Ort mit begrenzter Platz-Zahl. Ein Kino, das als ein Verein von Filmenthusiasten betrieben wird. Kurz: Ein wichtiger Ort in der Stadt, neben dem Schlosstheater und dem einst von Jean Priol begründeten Kaleidoskop am Nordwall, jetzt Kunst & Bühne. Wer hat je in Celle daran gedacht, diese „kleinen“ Orte und ihre Erfinder und Erfinderinnen mit Kulturpreisen zu ehren?! Wie gut, dass dort die Arbeit aus Freude und künstlerischer Besessenheit geleistet wird, die nach Ruhm und Ehre nicht schielt. Aber sie feiert sich, soviel darf und muss sein. Das Kino achteinhalb schenkt für ein kleines Eintrittsgeld seit 30 Jahren internationale Filmkultur, Entdeckungen und Wiederentdeckungen. Man gehe nur die metallischen Stufen zum Kino im 1. Stockwerk hinauf oder in die Theaterhalle des Schlosstheaters gleich nebenan. Ob es eine Feier zum 35. oder gar 40. geben wird, steht in den Sternen und wird im achteinhalb eher skeptisch gesehen, doch für heute gilt der Satz Fellinis: „Das Leben ist ein Fest, lass es uns gemeinsam erleben.“ In der Festwoche vom 9. bis 15. Januar 2025, im Kino und in der Halle 19 des Schlosstheaters.

FUENF FRAGEN UND ANTWORTEN

„Welche Bedeutung misst Du dem ‚achteinhalb‘ in Deiner Funktion als Geschäftsführer der CD-Kaserne bei? Welchen Stellenwert hat es innerhalb des kulturellen Bündels, das die CD-Kaserne bereithält?“

KAI THOMSEN, Musiker und Geschäftsführer der CD-Kaserne:

„Das Kino achteinhalb ist für mich einer der kulturellen Leuchttürme in Celle. Seine Bedeutung für die Celler Kulturlandschaft und darüber hinaus ist immens, denn es bietet nicht nur außergewöhnliche Filmkunst abseits des Mainstream, sondern schafft auch einen Raum für Austausch, Inspiration und kulturellen Dialog.

Dass das Kino achteinhalb heute auf 30 Jahre erfolgreiche Arbeit zurückblicken kann, verdanken wir vor allem Stefan Eichardt, dem Gründer des Vereins, und seinen engagierten Mitstreiterinnen und Mitstreitern. Stefan Eichardt ist für mich ein großartiger Visionär, der es immer wieder versteht, ein Kinoprogramm auf die Beine zu stellen, das bundesweit seinesgleichen sucht. Mit unermüdlichem Engagement, viel Liebe zum Detail und einer unvergleichlichen Leidenschaft hat er das Kino achteinhalb geprägt und zu dem gemacht, was es heute ist – eine unverzichtbare Institution der Celler Kulturszene und in der CD-Kaserne.

Institutionen wie das Kino achteinhalb leben von Menschen wie Stefan Eichardt. Ohne ihn und sein großartiges Team wäre das Kino nicht das, was es ist. Er hat in den vergangenen drei Jahrzehnten nicht nur das Kino gelebt, sondern es auch nachhaltig vorangebracht. Ich wünsche mir, dass wir ihn und seine Arbeit noch viele Jahre erleben dürfen und gratuliere ihm und dem gesamten Team herzlich zu diesem beeindruckenden Jubiläum.

Das Kino achteinhalb ist und bleibt eine zentrale Säule des kulturellen Angebots in Celle und der CD-Kaserne. Es ergänzt das Programm der CD-Kaserne und anderer Kultureinrichtungen in der Region auf wertvolle Weise und bereichert unsere Stadt um eine besondere Facette. Vielen Dank an Stefan Eichardt und sein Team für 30 Jahre Engagement, Herzblut und unvergleichliche Filmkunst!“

„Sie sind der Kinotechniker, leiten selbst das Linden-Theater in Frechen und sind Vorsitzender des gleichnamigen Trägervereins. In der Kinoszene sind Sie bestens vernetzt. Was zeichnet in Ihren Augen das Kino ‚achteinhalb‘ aus?“

CARSTEN KURZ, Kinotechniker, Leiter des Linden-Theaters in Frechen, Vorsitzender des gleichnamigen Trägervereins:

„Als Kinoleiter sowie als Vorsitzender eines Kino-Vereins kenne ich die Vor- und Nachteile, ein Kino als Verein zu betreiben.

Das achteinhalb zeichnen aus meiner Sicht besonders zwei Aspekte aus: 1. Der Wille, ein kleines, nicht gewinnbringendes Kulturprojekt trotz Widrigkeiten und Meinungsverschiedenheiten gemeinschaftlich konstant mit Leben zu füllen. 2. Der hohe Anspruch bei der Programmgestaltung. Ich kenne kein anderes Kino, in das so viel Leidenschaft bei der Programmgestaltung gesteckt wird.“

„Ihre tägliche Arbeit ist Kultur. Welchen Beitrag leistet das Kino ‚achteinhalb‘ Ihrer Ansicht nach zum kulturellen Leben der Stadt?“

JULIANE SCHMIEGLITZ-OTTEN, Leiterin des Residenzmuseums im Celler Schloss:

„Das achteinhalb hat zu allererst einmal ein großartig kuratiertes Filmangebot abseits des Mainstream: Herausragend gute Filme, die beeindrucken, in Erinnerung bleiben, zum Nachdenken und Diskutieren anregen – gegenwärtige Filme wie auch Schätze aus der Filmgeschichte. Darunter sind auch seltene Fundstücke, auf die man allein niemals gestoßen wäre.

Dann ist es auch sozialer Ort, offen für vielfältige Kooperationen mit anderen Kulturpartnern, mit Angeboten für unterschiedliche Interessengruppen, unkommerziell und mit günstigen Eintrittspreisen.

Und schließlich ist es ein wunderbares Kino: klein, gemütlich, originell, aber mit großer Leinwand, hier kann man wirklich für zwei Stunden ganz in eine eigene Welt versinken. Ich mag das achteinhalb sehr und schätze das Handgemachte, die ganz eigene und individuelle Atmosphäre, keinesfalls perfektionistisch, aber richtig gut!

Ich bin von Anbeginn Fördermitglied und möchte vor allem Stefan Eichardt danken, der Kopf, Herz und Seele dieses besonderen Kinos ist!“

„Sie erinnern sich doch sicher an die Anfänge des ‚achteinhalb‘, hätten Sie damals ein 30-jähriges Jubiläum überhaupt für möglich gehalten?“

REINHARD ROHDE, Archiv für neue soziale Bewegungen, Lokalhistoriker für Nationalsozialismus und Erinnerungskultur:

„In den frühen 1990er Jahren war Celle jenseits des Schlosstheaters eine kulturelle Wüste. Das hing auch mit dem Mangel an Orten zusammen, an denen etwas veranstaltet werden konnte. In den 1980er Jahren war das „Le Bistro“ noch ein solcher, der aber, nachdem das Kneipenkollektiv aufgegeben hatte, für vieles verloren war. Und so agierten in dieser Phase jüngere Leute nach dem Motto der Punk-Bewegung: „Do-it-yourself“ … und machten einfach. In den Mitt-Neunzigern wurde das „Celler Loch“ (heute „Morlock“) so zu einem sonntäglichen Konzertort, wohin sich auf ihren Touren auch Bands wie „At the Drive-In“ verirrten. Das „Bunte Haus“ konnte auf dem Gelände der CD-Kaserne eröffnen und bot Platz für alternative Kultur. Und auf das Gelände der CD-Kaserne wanderte dann von Altenhagen aus ja zur Spielzeit 1996/97 auch das 8 1/2. Dass es das Kino 30 Jahre später noch gibt, war in der Zeit nicht zu erwarten, aber auch keine Frage, die irgendwen umgetrieben hätte. Bei selbstverwalteten Projekten hängt oft viel an einzelnen Leuten, zeitlich, aber irgendwann auch von der akkumulierten Erfahrung her. Im Unterschied zum Bunten Haus, das zwischenzeitlich einige Generationenwechsel vollzogen hat, wird das 8 1/2 ja von Menschen getragen, die mehr oder weniger von Beginn an dabei sind. Das Merkwürdige ist dabei, dass das Programm des 8 1/2 in den Anfangsjahren heute – naja – ein bisschen verschnarcht wirkt, sofa-cineastisch … und nicht unbedingt auf Zukunftsfähigkeit gestellt (was im Wesentlichen externe Gründe hatte). Irgendwann im neuen Jahrhundert haben sich dann Kino-Team, Publikum und Ort in einen gemeinsamen Flow gefunden – das passt zusammen. Aber es ist an allen drei Trägern immer auch fragil, wie z.B. die Erfahrungen mit Covid-Einschränkungen gezeigt haben oder die technischen Wandel, die jeweils finanziert werden wollten. Wahrscheinlich sind selbstverwaltete Programmkinos, die so gut laufen wie das 8 1/2, in der Republik an ein, zwei Händen abzuzählen – und, wie es vom Team her immer heißt: ein Geschenk an die Stadt. Im 8 1/2 in Altenhagen war ich erstmals nicht, um einen Film zu schauen, sondern mit meiner damaligen Reggaeband „Viva Kunterbunt“ – und auch das macht ja das Kino bis heute aus: Es ist nicht auf Film beschränkt.“

„Was schätzen Sie am ‚achteinhalb‘? Wieso gehen Sie regelmäßig dahin?“

DIRK-ULRICH MENDE, früherer Oberbürgermeister der Stadt Celle, SPD-Politiker, MdB:

„Zunächst herzlichen Glückwunsch zu 30 Jahren Programmkino in Celle! Herzlichen Glückwunsch zu 30 Jahren unermüdlichen ehrenamtlichen Einsatz für Filmkultur in Celle! Herzlichen Glückwunsch zu 30 Jahren gefüllt mit sehenswerten Filmen, die sonst nie oder doch nur sehr schwer das Celler Publikum erreicht hätten!

Und das ist auch schon einer der zentralen Aspekte, weshalb ich gerne und immer wieder ins Kino 81/2 gehe. Hier werden Filme gezeigt, die nicht im Mainstream Kino gezeigt werden, die ich aber in aller Regel als äußerst sehenswert empfinde. 

Kommunales Programmkino  – und dann noch ehrenamtlich betrieben – zeichnet sich dadurch aus, dass insbesondere von Herrn Eichardt,  aber auch allen anderen ehrenamtlichen Mitstreiter:innen mit fundierten Filmkenntnissen Filme in die Stadt gebracht werden, die es im kommerziellen Kinos schwer haben, sich durchzusetzen und die Einnahmen zu generieren, die Kommerzielles Kino erwirtschaften muss oder meint erwirtschaften zu müssen. 

Das Kino 81/2 füllt die sonst entstehende Lücke im Kino! Meine Frau und ich gehen ausgesprochen gerne ins Kino, insbesondere in die Programmkinos. In Kassel war das der „Filmladen“ und seine angeschlossenen Kinos. Gerade für meine Frau und mich war es deshalb eine große Freude, als wir von Freunden kurz nach unserem Umzug nach Celle erfuhren, dass es auch hier ein Programmkino gibt. Seitdem gehen wir – soweit es andere Verpflichtungen zulassen – regelmäßig ins 8 1/2! 

Neben den ausgewählten Filmen sind wir auch von der besonderen Atmosphäre im 8 1/2 angetan und fühlen uns einfach wohl. Was sogar dazu geführt hat, dass wir dort einen runden Geburtstag meiner Frau gefeiert haben.

Noch immer ein wenig alternativ ist es eine kulturelle Bereicherung für die Stadt Celle. Ich hole mir da auch immer die gedruckte Ausgabe der „Revista“, einem linken Journal, das unter anderem die Stadtpolitik aus einer anderen, aber sehr wichtigen Perspektive beleuchtet und kommentiert. 

Für mich hat sich bisher also jeder Besuch aus mehreren Gründen im 8 1/2 gelohnt! Ich kann mir nur wünschen und hoffen, dass dieses Engagement weitere 30 Jahre Bestand hat, dass weiterhin Nischenfilme ihren Weg nach Celle finden und damit Cineast:innen auch künftig in Celle ein breites Angebot an Filmkunst erleben können und nicht auf Kinos in den benachbarten Großstädten ausweichen müssen.

Dem Kino 8 1/2 also weiterhin alles Gute und weiterhin eine so gelungene Filmauswahl wie in den vergangenen drei Jahrzehnten. Das Kino ist eine Perle der Kunstszene in Celle!“ 

Zusammenstellung: Anke Schlicht
Redaktion Celler Presse
Foto: WWPM (Archiv)

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