Donnerstag, 6. November 2025

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Wenn Worte zu Waffen werden

War das nur unbedacht dahingesagt, vielleicht im Affekt? Spricht da womöglich jemand, der oder die sich einfach nicht so gut ausdrücken kann oder über gar kein Sprachbewusstsein verfügt? Fragen, die sich vielleicht einige Menschen stellen, wenn Begriffe wie „kriegstüchtig“, „Ampel-Diktatur“ oder „Asylflut“ in der politischen Debatte verwendet werden.

Der Journalist und Sprachwissenschaftler Dr. Oliver Herbst verneint: „Politiker und Politikerinnen sagen selten etwas aus Versehen.“ Vielmehr handele es sich um eine kommunikative Strategie, wenn verbal provoziert, bewusst untertrieben, Tabubrüche begangen, Institutionen herabgewürdigt, der Sprachgebrauch in der Politik militarisiert werde, z.B. durch die Verwendung von Ausdrücken wie „Kampf“, „Festung“ oder „Jagd“.

Die Wahl der Worte ist kein Zufall, ist weder harmlos noch belanglos, Sprache hat Gewicht, formt Realität und daher muss genau hingeschaut, bewusst wahrgenommen und analysiert werden, wenn sich unsere Sprache verändert. „Entzivilisierung der Sprache? Eine Bestandsaufnahme im Jahr 2025“ hat Oliver Herbst seinen Vortrag überschrieben. Auf Einladung der Gesellschaft für deutsche Sprache e.V. (GfdS), Zweig Celle, ist er in der Residenzstadt zu Gast. Die Leiterinnen der Sektion Sabine Drenkhan und Gisela Herfurth zeigen sich hocherfreut, dass trotz des veränderten Veranstaltungsortes zahlreiche Gäste den Weg in die Aula des Ernestinum-Gymnasiums gefunden haben. Da der Kreistagssaal derzeit renoviert wird, steht er auch für den kommenden Vortrag im Frühjahr 2026 noch nicht wieder zur Verfügung.

„Wir leben in einer Zeit, in der Menschen Wörter als Waffen nutzen“, sagt Dr. Oliver Herbst, dessen gesetzte Zwischenüberschriften für sich sprechen: „Sprachliche Entgrenzung“, „Sprache als Kampffeld“, „Normalisierung sprachlicher Gewalt“. Er mahnt, genau hinzuhören, zu hinterfragen, bei der Nutzung des eigenen Wortschatzes bedacht zu sein, nichts Grenzwertiges zu reproduzieren. Der Begriff „Remigration“ fällt häufig im Laufe des Abends. Er stammt ursprünglich aus der Wissenschaft, war dementsprechend der breiten Masse in der Bevölkerung nicht bekannt. Mittlerweile hat er sich ins Vokabular eingereiht, obwohl er von der AfD in die Debatte um Migration geworfen wurde. „Dieser Begriff verschleiert Vertreibungsvorstellungen, es geht um nichts anderes, als Menschen zwangsweise aus Deutschland wegzuschaffen“, erläutert der Experte. Die regelmäßige Verwendung ist Teil der Strategie. „Wenn wiederholt von der Lügenpresse die Rede ist, dann geht es darum, eine Institution zu delegitimieren, Vertrauen in Vertreter der Presse soll zerstört werden.“

Normalisiere sich sprachliche Gewalt, würden Diskurse, die lange Zeit nur an den Rändern geführt wurden, in den Mainstream eindringen. Eine erhebliche Rolle spielen die sozialen Medien. „Sie sind Beschleuniger der Entgrenzung und Entzivilisierung von Sprache“, berichtet der Journalist und Linguist, der sich ehrenamtlich in der Gesellschaft für deutsche Sprache mit Sitz in Wiesbaden engagiert.

Und was kann man tun gegen die negativen Entwicklungen in der Sprache? Der Referent gibt am Ende seines mit intensivem Applaus bedachten Vortrags einige Hinweise und Empfehlungen: So müsse das Sprachbewusstsein gefördert, Begriffe immer in den Kontext gestellt und durchaus auch bei passender Gelegenheit eine Gegenrede geführt werden. Medienethik und -bildung sollten bereits Teil der frühkindlichen Erziehung sein.

In der anschließenden Diskussion gab ein Zuhörer einen Tipp für den alltäglichen Umgang mit dem Smartphone: „Nicht immer alles gleich weiterleiten, was man zugesandt bekommt, erstmal genau lesen, nachdenken, überlegen, ist es das überhaupt wert, weiterverbreitet zu werden? Enthält die Zusendung womöglich sprachliche Entgleisungen?“

Anke Schlicht
Redaktion Celler Presse
Foto: Anke Schlicht

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