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Neujahrsempfang 2015 im Oberlandesgericht Celle: Kritik an “Zielvereinbarungen” und “Paralleljustiz”

CELLE. Heute fand im historischen Plenarsaal des Oberlandesgerichts Celle (OLG) der traditionelle Neujahrsempfang statt. Wie in jedem Jahr bat die Richterschaft des OLG auch die Angehörigen des höheren Dienstes der Generalstaatsanwaltschaft, die pensionierten Kolleginnen und Kollegen beider Behörden, die Mitglieder des Advokatenvereins Celle sowie die Vorsitzenden der zahlreichen Anwaltsvereine im OLG-Bezirk hinzu.

Der Vorsitzende des beim Oberlandesgericht Celle eingerichteten Richterrats, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Dr. Andreas Scholz, warf einen Blick auf das Instrument der „Zielvereinbarung“. Hintergrund ist eine – erstmals für das Jahr 2015 – abgeschlossene Zielvereinbarung zwischen dem Niedersächsischen Justizministerium und dem Oberlandesgericht Celle, in der u.a.

• die Reduzierung von langandauernden Zivilprozessen,
• vermehrte Sicherheitskontrollen an den Eingängen der Gerichte,
• die Erprobung sog. „Bürgerbüros“ bei den Amtsgerichten und
• die Einstellung einer hauptamtlichen Gesundheitsmanagerin für die Bediensteten der Gerichte

als Schwerpunkte für die Arbeit im kommenden Jahr formuliert werden.

Scholz verweist darauf, dass dieses Instrument aus der Wirtschaft stamme, wo finanzielle Anreize für den Erfolgsfall und Sanktionen bei Zielverfehlung vorgesehen seien. Beides greife die Justiz nicht auf. Dies zeige, dass Zielvereinbarungen, wie sie in Wirtschaft und Industrie getroffen werden, in der Justiz ein Fremdkörper seien. Denn es sei vor allem Aufgabe der Gerichtspräsidien und der Dienstvorgesetzten, im Rahmen der Geschäftsverteilung die Zuweisung der Verfahren so zu ordnen, dass jeder Richter in der Lage ist, die ihm zugewiesenen Verfahren zeitlich angemessen zu fördern und zu erledigen.

Der Präsident des OLG, Dr. Peter Götz von Olenhusen, verwies zu Beginn seiner Rede darauf, dass sich in der Richterschaft des Bezirks viele Interessentinnen und Interessenten für eine Tätigkeit am OLG finden würden. Das spreche für die fachlich und persönlich gute Aufnahme der jungen Kollegenschaft im Oberlandesgericht und dürfe als großer Erfolg verbucht werden.

Im Anschluss zeigte sich Götz von Olenhusen nachdenklich, weil an verschiedenen Indizien ein Bedeutungsverlust für die Justiz ablesbar sei. So sei die Zahl der Zivilprozesse rückläufig und ganze Bereich der Streitschlichtung in Personenverkehrs-, Bank- und Versicherungsangelegenheiten würden in Abkehr von den staatlichen Gerichten bei Schlichtungsstellen „privatisiert“. Aktuell komme die EU-Streitschlichtungsrichtlinie hinzu, nach der ein flächendeckendes Netz von Verbraucherschlichtungsstellen eingerichtet werden muss, und zwar ersten Überlegungen zufolge außerhalb der Justiz. Und so nehme es nicht wunder, dass er am Rande einer Podiumsdiskussion in Brüssel von einem Teilnehmer mit den Worten beiseite genommen worden sei: „Wenn es so weiter geht, bleiben Ihnen in der staatlichen Justiz nur noch die Pudel, Katzen und Pferde“.

Um dem zu begegnen, habe das Oberlandesgericht Celle beispielsweise im Gesetzgebungsverfahren den Vorschlag unterbreitet, die Amtsgerichte als Verbraucherschlichtungsstellen einzurichten, deren Kompetenz auf diesem Sektor zu nutzen und damit zugleich die Präsenz der Justiz in der Fläche zu erhalten.

Im Übrigen habe die Justiz im vergangenen Jahr nicht nur viel berechtigte und seriöse Kritik, sondern auch polemische Äußerungen einstecken müssen. Die Gerichte müssten also etwas tun für ihre Reputation. Nach seiner Vorstellung sei mehr Aufklärung, mehr Präsenz positiver Nachrichten über Leistungen der Justiz in unserer Gesellschaft, sei ein verbessertes Marketing erforderlich, kurz: eine professionalisierte Pressearbeit. Hierzu wolle er im kommenden Jahr ein Konzept erarbeiten.

„Das Jahr 2014 stand im Zeichen der Veränderung“, hob Generalstaatsanwalt Dr. Frank Lüttig heute in seiner Rede auf dem traditionellen Neujahrsempfang des Oberlandesgerichts Celle hervor.Er bezog sich vor allem auf die personellen Wechsel in allen drei Abteilungen der Generalstaatsanwaltschaft. Die Zentrale Stelle Organisierte Kriminalität und Korruption (ZOK) leitet seit Beginn des Jahres der Leitende Oberstaatsanwalt Christian Schierholt. „Christian Schierholt ist auf dem europäischen Parkett bestens bekannt, verfügt als Leiter einer der Kontaktstellen des Europäischen Justiziellen Netzes über beste Verbindungen und ist seit Jahren hoch geschätzt“, sagte Dr. Lüttig. An seine frühere Wirkungsstätte zurückgekehrt ist der stellvertretende Behördenleiter der Staatsanwaltschaft Lüneburg, Roland Kazimierski. Er hat unter Ernennung zum Leitenden Oberstaatsanwalt die Leitung der Abteilung für Rechtssachen übernommen. „Ich freue mich, mit Herrn Kazimierski eine Persönlichkeit gewonnen zu haben, die die Geschäfte der Generalstaatsanwaltschaft aus eigener Anschauung bestens kennt, aber auch sehr genau weiß, was aktuell bei den Staatsanwaltschaften vor sich geht“, hob Dr. Lüttig hervor. Darüber hinaus sind auch bei den Dezernentinnen und Dezernenten in allen Abteilungen Personalwechsel erfolgt.

Das vergangene Jahr beschrieb Dr. Lüttig als „fachlich spannend, zeitlich belastend und personell herausfordernd“. So sei die Generalstaatsanwaltschaft bei erheblicher zusätzlicher Arbeitsbelastung u.a. durch die beiden spektakulären Großverfahren Wulff und Edathy, immer wieder besonders gefordert gewesen, personelle Engpässe auszugleichen. Dr. Lüttig hob hierbei die Anstrengungen bei der parlamentarischen Aufarbeitung des Verfahrens Edathy im Bund und in Niedersachsen hervor. „So mussten bei den Staatsanwaltschaften und auch bei uns mehrere tausend Seiten Akten durchgesehen und darauf geprüft werden, ob sie herausgegeben werden konnten oder nicht“ schilderte Dr. Lüttig.
Ferner thematisierte er die Anstrengungen der Generalstaatsanwaltschaft, um das wirklich beste Personal für die Justiz. Sehr bewährt habe sich das unter der Federführung der Leitenden Oberstaatsanwältin Katrin Ballnus entwickelte Konzept der „familienfreundlichen Erprobung“. Die Erprobung von Staatsanwältinnen und Staatsanwälten erfolgt, um sich im Rahmen einer Abordnung an die Generalstaatsanwaltschaft für ein Beförderungsamt zu qualifizieren.

Schließlich betonte Dr. Lüttig, dass auch zukünftig ein besonderer Tätigkeitsschwerpunkt der Arbeit der ZOK auf der Bekämpfung der Cyberkriminalität liegen wird. Im letzten Jahr sei es zu seiner großen Freude gelungen, hier einen besonderen Erfolg zu erzielen. Er führte hierzu aus: „Im Rahmen eines EU-Projektes (illegal Trade on Online Marketplaces) konnte jetzt erstmalig ein in 17 Staaten parallel geführtes Ermittlungsverfahren gegen verschiedene kriminelle Anbieter im so genannten „DarkNet“, der dunklen Seite des Internets, erfolgreich abgeschlossen werden. Ziel war und ist es, im weltweiten Netz verborgene Marktplätze für Drogen, Waffen, Kinderpornografie, bedrohte Tierarten, gestohlene Kreditkartendaten oder andere illegale Güter aufzuspüren, die Marktplätze zu schließen und die Täter dingfest zu machen. Die Generalstaatsanwaltschaften Celle und Frankfurt waren in diesem Projekt gemeinsam für die deutschen Strafverfolgungsbehörden vertreten.“

PR/Redaktion
Celler Presse

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