Zum Inhalt springen
Anzeige
Anzeige

„Ich war im Knast – wohin gehe ich jetzt, wenn ich entlassen werde, und wer kann mir bitte helfen?“

CELLE. Die JVA Celle ist die Justizvollzugsanstalt mit der höchsten Sicherheitsstufe in Niedersachsen und ein so genanntes Hochsicherheitsgefängnis – also für die ganz harten Jungs. Was aber passiert, wenn die Strafe abgesessen wurde, und wie findet man in das normale Leben zurück? Der christliche Verein Schwarzes Kreuz hilft seit 1925 bundesweit Straffälligen und ihren Angehörigen durch ehren- und hauptamtliche MitarbeiterInnen. Die Anlaufstelle „Projekt Brückenbau“ bietet den Straffälligen der JVA Celle ganz besondere Hilfe, um die ersten Schritte in Freiheit vorzubereiten und zu gehen und lud gestern zum traditionellen Brückenbaufest unter dem Motto „Willkommen bei uns“ ein.

Das Wetter meinte es gut, und so waren viele Menschen gekommen: Inhaftierte, Haftentlassene, deren Angehörige, Vertreter der Staatsanwaltschaft, der Polizei, die vielen HelferInnen der Diakonie, und auch Abgeordnete der politischen Parteien ließen es sich nicht nehmen, bei diesem fröhlichen Fest dabei zu sein, Berührungsängste hinter sich zu lassen und mit den Menschen in Kontakt zu kommen.

Zunächst begrüßte Otfried Junk, Geschäftsführer des Schwarzen Kreuzes, die Anwesenden und führte weiterhin durch das vielfältige Programm. Der Vorsitzende des Projektes Brückenbau Celle e.V. Henning Buchhagen, der über 20 Jahre Gefängnispastor war, hieß die Gäste ebenso willkommen und erklärte das Anliegen dieser Initiative. Auch Häftlinge hätten ein Recht auf eine „Willkommenskultur“, und jeder verdiene eine zweite Chance, sofern er sie dann auch ergreifen mag. Anschließend gab es eine Podiumsdiskussion mit Thomas Papies, Leiter der JVA Celle, Oberbürgermeister Dirk-Ulrich Mende, Karsten Willemer (Pastor Paulus Gemeinde), Henning Buchhagen und Mona Gremmel (Verantwortliche für das Kreativcafé), wobei jeder für sich erklärte, was für ihn persönlich Willkommenskultur bedeute. Oberbürgermeister Mende schilderte, wie er, aus Münster stammend, in Celle begrüßt wurde. „Natürlich sind die Leute erstmal skeptisch, aber wenn man an die Tür klopft und sich vorstellt, dann werden die Türen aufgemacht, auch wenn man sich vorher eher eingeigelt hat.“ Henning Buchhagen beantwortete die Frage mit: „Meine Willkommenskultur fängt mit freundlichen Worten und freundlichem Schauen an. Was brauchen Häftlinge? Sie brauchen offene Gesichter und Selbstvertrauen.“ Mona Gremmel (intern „Kücken“ genannt) schilderte, wie sie als Praktikantin beim Schwarzen Kreuz angefangen hatte und nun hauptamtlich für das Kreativcafé zuständig sei. Sie habe sich in dem Team sofort willkommen gefühlt und fände die Arbeit mit den Inhaftierten sehr bereichernd. Pastor Karsten Willemer ergänzte: „Gott gibt mir immer wieder eine neue Chance, und das was wir hier machen, macht unsere Gesellschaft sicherer. Schönen Gruß an die AfD! Denn jeder, der sich wieder im normalen Leben eingliedert und zurechtfindet, ist einer weniger, der Straftaten begeht.“ Danach wurde Hannelore Schön von Otfried Junk und Karsten Willemer geehrt, die sich seit 5 Jahren für den Verein engagiert. Sie bedankte sich und sagte: „Leider habe ich zu spät damit angefangen!“

Anschließend gab es eine Inszenierung von Inhaftierten und Haftentlassenden, die zunächst mit weißen Masken auftraten, um ihre Gesichter nicht zu zeigen und damit die Ausgrenzung zu symbolisieren. Einer nach dem Anderen nahm die Maske ab, bekannte sich zu sich selbst und berichtete von den Schwierigkeiten, die man als „Ex-Knacki“ so habe: “Ohne Wohnung keinen Job, ohne Job keine Wohnung. Wo kann ich meine Wäsche waschen, denn ich habe keine Waschmaschine? In der JVA war mein Tag geregelt, und mir wurde gesagt, was ich zu tun habe. Jetzt muss ich alles neu lernen, selbst entscheiden, Behördengänge meistern, und am Ende fehlt immer das Geld.“ Über diese und viele andere Fragen wurde dann gemeinsam diskutiert. Bei Grillwürstchen, alkoholfreien, leckeren Cocktails und musikalischer Begleitung von Friedhelm Keil konnte man Themen besprechen, die man schon immer wissen wollte. So sind wohl an diesem Abend viele BürgerInnen über Brücken gegangen.

Redaktion
Celler Presse

Hinweis zu der Meldung
Diese Seite zeigt gesponsorten Marketing-Inhalt, Quell- und Informationslinks sowie extern eingespielte Banner und Flash-Anzeigen.



Anzeige