Donnerstag, 6. November 2025

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Freiberufliche Hebammen unter Druck: Celler Hebamme berichtet von zunehmenden Belastungen

Die Situation freiberuflicher Hebammen bleibt angespannt. Darauf macht die Celler Hebamme Tina Kaltwasser aufmerksam, die seit vielen Jahren in der Region arbeitet. Im Gespräch schildert sie eine Entwicklung, die für viele Kolleginnen zunehmend zur Belastung wird. Trotz politischer Zusicherungen einer flächendeckenden Versorgung und der zum 1. November in Kraft tretenden Änderungen des Hebammenhilfevertrags sieht sie keine Entspannung der Lage – im Gegenteil.

Hebammenmangel bleibt – trotz gegenteiliger Einschätzung der Krankenkassen

Seit Jahren werde ein Mangel an Hebammen diskutiert. Laut Kaltwasser widerspreche dieser der Darstellung mancher Krankenkassen, die weiterhin von einer ausreichenden Versorgung sprechen:
„Die Realität ist, dass schwangere Frauen frühzeitig suchen müssen, oft direkt nach einem positiven Schwangerschaftstest. Viele möchten eine Hebamme – und finden keine.“ Besonders in den Sommer- und Wintermonaten sei die Nachfrage häufig nicht zu bewältigen.

Hohe Arbeitsbelastung und wenig planbare Arbeitszeiten

Die freiberufliche Tätigkeit sei schwer mit geregelten Arbeitszeiten vereinbar, vor allem für Hebammen, die Hausgeburten begleiten. „Viele von uns arbeiten faktisch rund um die Uhr“, sagt Kaltwasser. Zwar gebe es Kolleginnen mit festen telefonischen Erreichbarkeitszeiten, dennoch bleibe der Anspruch bestehen, möglichst verfügbar zu sein – auch nachts, an Wochenenden und Feiertagen.

Neue Abrechnungsregeln: höherer Aufwand – nicht immer höhere Vergütung

Mit dem neuen Hebammenhilfevertrag ändern sich die Abrechnungsgrundlagen für freiberufliche Leistungen. Die geplante Verbesserung falle jedoch aus Sicht vieler Hebammen ernüchternd aus.

Bislang erhielten Hebammen für einen Wochenbettbesuch eine Pauschale, unabhängig von Dauer. „Ob sechs Minuten oder über drei Stunden – es waren rund 40 Euro brutto“, erklärt Kaltwasser. Nun können bis zu 60 Minuten im Wchenbett und 90 Minuten in der Schwangerschaft (vorher waren es 120 Minuten) pro Besuch abgerechnet werden, im 5-Minuten-Takt mit 6 Euro brutto.

Für Tätigkeiten wie das CTG-Schreiben gebe es weiterhin keine Vergütung der Arbeitszeit, sondern lediglich eine Materialpauschale von 2 Euro. Ausgerechnet für Beratungen, Vorsorge und Hilfe bei Beschwerden – Leistungen, die besonders zeitintensiv seien – ergebe sich laut Berechnungen teils eine Einnahmereduzierung von bis zu 30 Prozent.

Rückzug aus der Freiberuflichkeit – Trend setzt sich fort

Viele freiberufliche Hebammen würden ihren Beruf vorzeitig verlassen oder bewusst nicht wieder aufnehmen, beispielsweise nach eigener Elternzeit. Andere wechselten in Kliniken oder in festangestellte Tätigkeiten. Auch die Zahl der freiberuflich Tätigen im Landkreis Celle gehe zurück.
Kaltwasser bestätigt: „Ich bekomme nach wie vor viele Anfragen, muss aber absagen, weil ich vollständig ausgelastet bin.“ Sie betreue inzwischen auch Familien in Burgdorf und Isernhagen, wo ebenfalls Versorgungslücken bestünden.

Zunehmende Bürokratie belastet zusätzlich

Die Vergütung einzelner Beratungsformen habe sich ebenfalls verändert. Während digitale Beratung während der Pandemie kurzfristig erleichtert worden war, ist diese Möglichkeit inzwischen weitgehend zurückgenommen.
„Eine kurze Frage per WhatsApp konnte früher unkompliziert abgerechnet werden. Jetzt ist nur noch ein Telefonat möglich – mindestens fünf Minuten – und die Frau muss die Leistung unterschriftlich bestätigen“, erklärt die Hebamme. Das verursache Mehraufwand ohne angemessene Honorierung.

Auch bei Kursen gebe es Änderungen. Kautionen für Geburtsvorbereitungs- oder Rückbildungskurse seien nicht mehr zulässig. „Wenn Plätze frei bleiben oder Teilnehmerinnen fernbleiben, bleiben wir auf den Kosten sitzen.“

Hohe Anforderungen – geringe finanzielle Sicherheit

Kaltwasser warnt davor, dass die wirtschaftliche Lage die Attraktivität des Berufs gefährde. Die Anforderungen seien hoch – sowohl fachlich als auch emotional.
Neben Haftpflichtkosten und Materialausgaben müssten Hebammen Fortbildungen und Notfalltrainings regelmäßig absolvieren. „Das ist wichtig und richtig, aber alles wird privat bezahlt. Am Ende darf man nicht vergessen: Wir müssen auch von diesem Beruf leben können.“

Branchenweiter Handlungsbedarf

Die Herausforderungen, über die Kaltwasser berichtet, decken sich mit aktuellen bundesweiten Einschätzungen. Der Deutsche Hebammenverband (DHV) verweist in einer Stellungnahme darauf, dass der neue Hebammenhilfevertrag die Lage nicht ausreichend stabilisiere. Eine Studie zeigt, dass 44 Prozent der Hebammen an eine Berufsaufgabe denken – vor allem wegen der Vergütung.

Der DHV warnt zudem vor Auswirkungen auf die Versorgung, insbesondere im ambulanten Bereich. Auch ärztliche Fachverbände sehen Risiken für die klinische Betreuung, beispielsweise durch Einschränkungen bei Abrechnungsmöglichkeiten von Beleghebammen.

Ausblick

Tina Kaltwasser hofft auf eine Weiterentwicklung des Vertrags im Interesse von Familien und Hebammen. „Die Versorgung rund um Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett ist ein sensibler Bereich. Es darf nicht dazu kommen, dass Hebammen aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben müssen.“

Redaktion
Celler Presse
Foto: Celler-Presse.de

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