Dienstag, 11. Februar 2025

✔ unabhängig ✔ überparteilich ❤ kostenfrei

Anzeige

Anzeige

150 Jahre SPD: Jubiläumsausstellung und Erinnerung an Peter Struck

WATHLINGEN. Etwas anders als geplant verlief die Jubiläumsveranstaltung im 4-Generationenpart in Wathlingen. Eigentlich sollte nur gefeiert werden. Doch der plötzliche Tod von Peter Struck, der eigentlich die Festrede halten sollte, führte dazu, dass es auch eine Veranstaltung zur Erinnerung an Peter Struck wurde. 120 Gäste nahmen an der Feier teil.

Die Festrede lag nun bei dem Unterbezirksvorsitzenden Rolf Meyer. Rolf Meyer, 10 Jahre lang im Landtag vertreten, tritt zur bevorstehenden Wahl nicht mehr an. Seit 42 Jahren ist er in der Partei aktiv. In seiner Rede schlug er einen weiten Bogen zur Verdeutlichung der Parteigeschichte, die ihren Ursprung im Jahre 1863 hat.

Hier ist die Festrede im Wortlaut:

Festrede Rolf Meyer zum 150. Jubiläum der SPD

„Eigentlich hatten wir unseren Freund Peter Struck eingeladen, heute die Festrede zu halten. Leider mussten wir ihn vorgestern beerdigen. Aus diesem Grund bitte ich sie, sich für eine Gedenkminute zu erheben.

Ich möchte diese Ausstellung nutzen, um in Kurzform wichtige Etappen und einige Persönlichkeiten der Sozialdemokratie in Erinnerung zu rufen. Die SPD ist die einzige deutsche Partei, die in den 150 Jahren ihrer Geschichte keinen Neuanfang oder zentrale Ziele aufgeben musste. Wir Sozialdemokraten können stolz sein auf unsere Geschichte. Natürlich haben auch Sozialdemokraten Fehler gemacht und einige davon haben richtig weh getan. Mein kleiner historischer Abriss kann nicht vollständig sein und ist sicher auch geprägt von meinen persönlichen Bewertungen. Einiges findet ihr in der Ausstellung wieder, anderes ist natürlich nur eigene Erfahrung.

Gliederung:
I) Aufklärung und Frühzeit der Arbeiterbewegung
II) Wilhelminische Ära und Sozialistengesetz
III) Weimarer Republik
IV) Nationalsozialismus
V) Deutschland nach dem Krieg

zu I) Frühzeit der Arbeiterbewegung
Am 23. Mai 1863 wurde in Leipzig der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein gegründet. Dies war der Vorläufer der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Wie und warum kam es dazu ? Aufklärung und Industrialisierung hatten eine neue Gesellschaftsordnung möglich gemacht. Was ist Aufklärung ? Die beste Definition ist die von Immanuel Kant: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.“ Selbst denken – selbst handeln – seinen eigenen Verstand gebrauchen in Freiheit. In Freiheit vor einem absolutistischen Herrscher und in Freiheit vor einer Kirche, die Menschenwerk als göttliche Ordnung verbrämte. Die französische Revolution 1789, der deutsche Revolutionsversuch 1848 waren notwendige Vorläufer im politischen Bereich. Rousseau, Kant, Hegel und Marx, um nur einige zu nennen, lieferten die politisch-philosophische Basis und das ökonomische Erklärungsmuster für die Ereignisse im 18. und im 19. Jahrhundert. Die Freiheit der Menschen war für viele Menschen nur eine scheinbare Freiheit. Die Industrialisierung schuf eine neue Armut, eine neue Unfreiheit und neue Abhängigkeiten. Abhängige Arbeit führte zur Verelendung großer Teile der Bevölkerung, Kinderarbeit war das Symbol einer unmenschlichen, alltäglichen Praxis. „Das Sein bestimmt das Bewusstsein“, sagte Marx. In der Frühzeit der Arbeiterbewegung waren Arbeiterbildungsvereine entstanden, aus denen heraus demokratische und/oder sozialistische Bestrebungen kamen. Natürlich gab es widerstrebende Aktivitäten und natürlich gab es immer wieder Versuche zur Entpolitisierung und damit zur Spaltung der reformerischen Kräfte.

zu II) Wilhelminische Ära und Sozialistengesetz
Bekannt ist ja sicher das sog. Sozialistengesetz vom 21.Oktober 1878. Wie heißt es da so klar?

„Wir, Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc. verordnen im Namen des Reiches nach erfolgter Zustimmung des Bundesrates und des Reichstages: §1) Vereine, welche durch sozialdemokratische, sozialistische oder kommunistische Bestrebungen den Umsturz der bestehenden Staats- oder Gesellschaftsordnung bezwecken, sind zu verbieten.“
Was bedeutete dies in der Praxis ? Die SPD und Gewerkschaften wurden verboten, viele Sozialdemokraten wurden verhaftet und verurteilt oder ins Exil gezwungen.

Und dennoch erreichte die SPD bei den Reichstagswahlen (1881) 19, 7 Prozent. Gerade auch in dieser Zeit gab es die Auseinandersetzung innerhalb der Arbeiterbewegung: Sozialdemokraten als reformerische Kraft, Kommunisten mit einer revolutionären Zielsetzung. Geschadet hat dieser Streit letztlich beiden Bewegungen. Ferdinand Lassalle, August Bebel waren prägende Persönlichkeiten in dieser Zeit.

zu III) Weimarer Republik
Friedrich Ebert – der Namensgeber unserer Stiftung- war Sattler und wurde der erste Reichspräsident in einem demokratischen Deutschland. Übrigens, wer einmal Heidelberg besucht, sollte unbedingt in die Pfaffengasse gehen: dort steht das Geburtshaus von Friedrich Ebert. Anschaulicher kann man die Bedingungen nach 1918 nicht darstellen. Hier wird sichtbar, wohin ein völlig übersteigerter Nationalismus führen kann.

Am 9. November 1918 wurde in Deutschland die Demokratie ausgerufen, der Kaiser musste abdanken. Endlich.

Für die Sozialdemokratie war es ein Spagat. Ein Spagat zwischen der Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Ordnung, der Einbindung der alten Eliten und den Zielen der Arbeiterbewegung. Der Streit zwischen der SPD und der USPD, den Gewerkschaften, den sog. Arbeiterausschüssen und später der KPD war außerordentlich belastend. In der ersten deutschen Demokratie, der Weimarer Republik, gab es leider viel zu wenig Demokraten. Ich kann hier nicht alle einzelnen Schritte bis zur Machtergreifung durch die Nazis auflisten, aber klar ist, dass mit einer größeren Geschlossenheit der Arbeiterbewegung mehr zu erreichen gewesen wäre. Am 30. Januar 1933, dem Tag der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, war es dann zu spät für wirksame Aktionen. Wohl jeder hat schon einmal die bewegende Rede von Otto Wels im Reichstag gehört. Am Tage des Ermächtigungsgesetzes sagte er den berühmten Satz: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht“. Die SPD hat diesem Verbrechergesetz als einzige Partei nicht zugestimmt!

Es macht nachträglich wenig Sinn, einzelne Erntscheidungen zu kritisieren. Aber man muss daraus lernen, dass Appeasement-Politik auf Dauer nicht erfolgreich ist.

zu IV) Nationalsozialismus
Die totale Machtausübung in der Zeit des Nationalsozialismus bedeutete für Sozialdemokraten eine Zeit der Verfolgung, der Emigration und für einige ein Zeit der Vereinzelung im Widerstand. Nicht wenige haben ihren Widerstand mit dem Leben bezahlt. Aber: Es war ein Ausgangspunkt für ein demokratisches Deutschland nach dem Krieg, weil es Menschen, die sich nicht gleichschalten ließen und die breit waren, den Wiederaufbau durchzuführen und ein neues Deutschland zu schaffen, in dem demokratische Strukturen keine hohle Phrase waren. Mit dem Grundgesetz, in dem die Allgemeinen Menschenrechte verankert sind, schließt sich der Kreis, den ich mit dem Hinweis auf Kant begonnen hatte:

zu V) Deutschland nach dem Krieg
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Politiker wie Kurt Schumacher, Erich Ollenhauer, Herbert Wehner, Willy Brandt, Helmut Schmidt, bei uns in Celle Lisa Korspeter, um nur einige der bekanntesten zu nennen, haben mehr Demokratie gewagt. Politische Mündigkeit kommt nicht von allein, sondern man muss sie immer wieder erarbeiten.

Etliche von uns waren bei der Trauerfeier von Peter Struck und haben u.a. Frank-Walter Steinmeier und General Schneiderhahn zugehört. Beide haben in Erinnerung gerufen, was für Peter Struck ein zentrale Rolle gespielt hat: die parlamentarische Demokratie. Das Parlament als wichtigste Instanz, den Willen des Volkes in politisches Handeln umzusetzen.

Es ist Mode geworden, Politiker als dümmliche Figuren darzustellen, die nur eins im Sinn haben, nämlich die Selbstbereicherung und Sachwalter von Einzelinteressen zu sein. Das gibt es auch, aber die große Mehrheit arbeitet verantwortungsbewusst und versucht, dem Gemeinwohl nahe zu kommen. Das gelingt nicht immer, aber wenn man die Geschichte, die ich in wenigen Ausschnitten nachgezeichnet habe, seit 1789 betrachtet, dann haben wir seit 1945 zum ersten Mal wirklich demokratische Strukturen, wir haben Bürgerinnen und Bürger, die zur Demokratie stehen. Wir haben freie, gleiche und geheime Wahlen, deren Ergebnisse akzeptiert werden.

Ich habe mich besonders über die Passage in der Trauerrede von Frank-Walter Steinmeier gefreut, wo er das Eintreten Peter Strucks für das Parlament (sprich Bundestag, Landtag oder Kreistag) hervorgehoben hat. Der Grund ist klar: Gesetzgeber ist immer das Parlament, stellvertretend für das Volk; die jeweilige Regierung ist nur ausführendes Organ. Das gilt auf allen Ebenen und das muss man den Ministern und Landräten immer wieder deutlich machen – auch den eigenen!

Haben 150 Jahre SPD gereicht, die Probleme zu lösen?
Natürlich nicht: Wir haben Armut (auch in Deutschland), wir haben immer noch ungleiche Löhne bei Frauen und Männern, wir haben zu viel Leih- und Zeitarbeit, neuerdings sog. Werkverträge, eine beschönigende Umschreibung für Sklavenhalterverhältnisse. Mitten in Niedersachsen!

Kurz und gut: es gibt auch in Deutschland noch jede Menge zu tun, um gerechte Verhältnisse zu schaffen. Politische Freiheit ohne wirtschaftliche Sicherheit bleibt fragil. Das Sein bestimmt das Bewusstsein ?!

Für uns Sozialdemokraten ist völlig klar, dass Politik global agieren muss: millionenfache Kinderarbeit, übelste Ausbeutung, millionenfacher Hunger, Kriege auf allen Kontinenten, ökologische Katastrophen. Auch hier sind alte Probleme nicht gelöst, sondern nur verdeckt.

Es gibt wahrlich genügend Aufgaben, nicht nur für uns Sozialdemokraten, um die Ziele der Französischen Revolution zu erreichen und der Charta der Menschenrechte umzusetzen: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.

Wir Sozialdemokraten haben es so formuliert: Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität.

Mir ist schon bewusst, dass ich hier eine ideale Gesellschaft postuliere, aber man muss wissen, wo man hin will, bevor man etwas tut. Und zu tun gibt es genug.

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde,

ich durfte 10 Jahre für die Menschen im Landkreis Celle im Landtag arbeiten und für die SPD bin ich seit 42 Jahren aktiv. Von vielen Anwesenden habe ich dabei Unterstützung erhalten und dafür bedanke ich mich. Ich habe es mit Freude gemacht und viel dabei gelernt. Bitte leistet die gleiche Unterstützung für Maximilian und Annette, wenn sie am 20. Januar in den Landtag eingezogen sind.

Vielen Dank!“

Redaktion
Celler Presse

Hinweis zu der Meldung
Diese Seite zeigt gesponsorten Marketing-Inhalt, Quell- und Informationslinks sowie extern eingespielte Banner und Flash-Anzeigen.

WhatsApp-Kanal Immer bestens informiert! Erhalten Sie die neuesten Nachrichten und Updates jetzt auch direkt auf Ihr Smartphone. Folgen Sie unserem WhatsApp-Kanal und bleiben Sie schnell und unkompliziert auf dem Laufenden. Hier klicken und abonnieren!



Anzeige


Anzeige


Anzeige