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Die Prinzessin von Zelle

CELLE. Ungewöhnliches wurde im Celler Kreistagssaal geboten. Nicht Kommunalpolitik wurde diskutiert, es wurde ein Schauspiel vorgestellt, das nie geschrieben wurde. Vor mehr als 200 Jahren hatte Friedrich Schiller in seinem letzten Lebensjahr geplant, ein Drama zu verfassen mit dem Titel „Die Prinzessin von Zelle“. Dem Dichter der Klassik gelang es nicht mehr, dieses Stück zu schreiben. 1805 starb der Schwerkranke.

Auf seinem Schreibtisch lagen etliche Blätter, auf denen er den Verlauf der Handlung skizziert hatte, auch mit mehreren Varianten. Welche Gedanken er mit dem Schauspiel vermitteln wollte, hatte Schiller dabei durchaus formuliert. Doch Monologe, Dialoge, Szenen für das Stück hatte er noch nicht einmal zu schreiben begonnen.

Die Ernst-Schulze-Gesellschaft hat nun dieses ungeschriebene Drama im voll besetzten Kreistagssaal dem Celler Publikum vermittelt. Aufgeführt werden konnte es ja nicht, weil Schiller keinen Dialog mehr zu Papier gebracht hat. Da das geplante Stück sich auf das Schicksal der Sophie Dorothea (1666 – 1726) beziehen sollte, die auch als „Prinzessin von Ahlden“ bekannt ist, wurde zu Beginn diese historische Person in ihrem Umfeld geschildert. Uwe Winnacker trat als Kavalier vom Celler Hof auf, in einem Kostüm vom Ende des 17. Jahrhunderts, und erzählte voll Vergnügen und mit feiner Ironie von dieser Tochter des letzten Celler Herzogs und der Eleonore d’Olbreuse, von ihrer Jugend in Celle, von ihrer Verheiratung mit dem Sohn des hannoverschen Herzogs, der schwierigen Ehe, von der Verachtung, die sie wegen der nicht ebenbürtigen Abkunft ihrer Mutter erfuhr, von ihrer Affäre mit dem Grafen Königsmarck, der Scheidung und der dreißigjährigen Verbannung nach Ahlden.

Anschließend berichtete Dr. Elke Haas davon, wie es Schiller in seiner Jugend als Sohn eines einfachen Offiziers an der Karlsschule ergangen war, welche Erniedrigungen er im Vergleich zu seinen adligen Mitschülern zu ertragen hatte und wie er einerseits mit seinen großen Dichtungen deutschlandweit Anerkennung fand, andererseits aber als Bürgerlicher selbst am Weimarer Hof gegenüber Adligen zurückgesetzt wurde. In Erinnerung brachte Haas dem Publikum auch, wie Schiller darunter litt, dass seine Frau, selbst von adliger Geburt, nach der Heirat mit ihm, dem Bürgerlichen, nicht mehr bei Hofe verkehren durfte, was sich erst änderte, als er 1802 vom Kaiser geadelt worden war. Elke Haas arbeitete in ihrem lebendigen Vortrag heraus, wie Schiller die Sophie Dorothea als Prototyp einer Erniedrigten verstand. Er habe nicht die Realität der historischen Person Sophie Dorothea mit der Affäre Königsmarck nachbilden, sondern eine literarische Figur gestalten wollen, die sich schließlich frei entscheidet und sich von den Niedrigkeiten löst. Haas verwies auf eine Äußerung Schillers gegenüber Goethe, sobald es auf etwas rein Menschliches ankomme, sollten Geburt und Stand in ihre „völlige Nullität zurückgewiesen“ werden. Schiller habe sich gegen das Unrecht wenden und damit viele Menschen erreichen wollen. Warum dieses Ziel gerade mit einem Theaterstück habe erreicht werden sollen, begründete Elke Haas mit Schillers Überzeugung: „Kultur heilt.“ Auf dem Theater könnten Menschen alle Emotionen unmittelbar erleben und miteinander teilen. Dafür sei eine kunstvolle Sprache in getakteten Versen notwendig. Nur so hafte das Gesagte positiv im Gedächtnis.

Unterbrochen und unterstrichen wurde dies durch eine Reihe längerer Zitate von Schiller und anderen, die drei Schülerinnen des Gymnasiums Ernestinum engagiert und mit Nachdruck vortrugen, Jacqueline McDonald, Josephine Hilpert und Jule Petersen. Nach all dieser Vorbereitung kam dann der Originaltext des Schillerschen Dramenplans zur Geltung. Hermann Wiedenroth las zwei der vom Dichter hinterlassenen Varianten mit großer Souveränität und so einfühlsam, dass es auch bei schwierigen Passagen leicht fiel, Schillers Gedanken zu folgen. Von einem Zuhörer kam später die Äußerung, er habe mit geschlossenen Augen gelauscht. So konnte Wiedenroth die Überzeugung vermitteln, dass aus diesem Plan ein großes Theaterstück hätte werden können.

Abgerundet wurde die Veranstaltung mit dem von Jule Petersen vorgetragenen Bericht eines Studenten aus dem Jahr 1803 über eine Huldigung an Schiller: Er und seine Freunde suchten ihn in Bad Lauchstädt in seiner Wohnung auf, überredeten den schon zu Bett Gegangenen, zu ihrem Fest mitzukommen, halfen ihm in die Kleider und brachten ihn im Triumph zum Festsaal, wo er mit Jubel und dem Lied „Freude, schöner Götterfunke“ begrüßt wurde, seinen Versen in der Vertonung von Beethoven.
Für manche kann diese Veranstaltung wohl ein Anstoß gewesen sein, mal wieder im Schiller zu lesen.

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