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Zwei Berufene: Hermann Wiedenroth liest Fritz Graßhoff

  • Celle

Viele Literaturinteressierte hatten sich auf Einladung der Ernst-Schulze-Gesellschaft im Café Leander im Schaperkrug eingefunden, um zu erleben, wie der mitreißende Rezitator Hermann Wiedenroth Texte von Fritz Graßhoff las. Der Maler und Dichter, 1913 in Quedlinburg geboren und 1997 in Kanada gestorben, hat 20 Jahre in Celle gelebt, 1946 bis 1967. Hier hat er dauerhafte Spuren hinterlassen.

In seinem Todesjahr benannte Celle die Fritz-Grasshoff-Gasse nach ihm, es gab immer wieder Ausstellungen, Lesungen, auch Musikveranstaltungen. Vielfach hatte er sich Musik zum Thema gemacht, ironisch, pfiffig, vielsagend, und hatte auch (aus Geldnot nach dem Weltkrieg) sehr bekannte Schlagertexte verfasst.

Da sich in diesem Jahr Graßhoffs Todesjahr zum 25. Mal jährt, feierte die Ernst-Schulze-Gesellschaft den vielseitigen Künstler mit einer Lesung. Der Vorsitzende Lothar Haas begrüßte viele Literatur- und Kunstbegeisterte. Jeder Stuhl war besetzt, man wollte die Chance nicht verpassen, diese Lesung mitzuerleben. Einen optisch reizvollen Grund legten die kopierten Blätter eines Kalenders, den Graßhoff für seinen Gönner Dr. Hermann Moeck gestaltet hatte: In kunstvoller Handschrift sind für jeden Monat beziehungsreiche Texte mit kleinen geistvollen Zeichnungen zu entschlüsseln. Auch eine witzige Großgrafik Graßhoffs aus der Graphothek der Stadtbibliothek war zu begucken, sie zeigt eine sich räkelnde Riesenkatze vor dem Celler Schloss.

Was las, interpretierte Hermann Wiedenroth? Als erstes trug er Graßhoffs Essay vor: „Warum ich in Celle wohne“, das 1966 im Merian-Heft „Die Lüneburger Heide“ erschienen war. Graßhoff malt darin seine Wohnung in der Bahnhofstraße aus, seine Anstrengungen zu arbeiten, das Wetter in Celle, er ironisiert die Celler Gesellschaft, auch seine attraktive Ehefrau. Und er beschreibt seine Rache an Kritikern und weiteren Banausen, Er habe diese als kleine Holzpüppchen nachgestaltet, die er dann im Garten schön tief in die Erde versenkte. Hermann Wiedenroth betonte die Mehrdeutigkeiten im Text hörbar. Sehr wohlwollend ist Graßhoff mit Celle insgesamt nicht umgegangen!

Dann nahm sich der Rezitator der Poesie des Autors an. Aus „Graßhoffs unverblümtem Lieder- und Lästerbuch“ von 1965 trug er eine Reihe von Gedichten vor. Die Themen sind weitumspannend und berührend, weil wir sie noch heute gut verstehen. Hermann Wiedenroth arbeitete im Gedicht „Die Stadt, in der ich wohne“ Graßhoffs Kritik an der Selbstgefälligkeit der Wohlhabenden mit ihren „Vertreterbäuchen“ heraus. Im Gedicht „Die Frau am Steuer“ nahm er die Ich-Bezogenheit der Besitzerin aufs Korn. In „Das Scherflein“ spießte er den überhandnehmenden Geiz vieler Menschen auf, die, statt für die Not in Afrika etwas Geld zu geben, es bei einem Hosenknopf bewenden lassen.

Ein weiterer Ehrgeiz Graßhoffs war es, Gedichte aus Fremdsprachen zu übertragen, nachzudichten, so etwa besonders viele aus der Antike. Das bedeutete für ihn nicht zuletzt eine kritische Auseinandersetzung mit den Grundüberzeugungen europäischer Kultur. Hermann Wiedenroth trug Beispiele vor. Gedichte mit ganz anderem Ziel waren die ausgewählten in verschiedenen deutschen Mundarten oder auch das aus dem Ukrainischen übertragene zum Thema: „Was der Alte dachte, als er zu heiraten gedachte“. Der Interpret zeigte hier vergnügt, wie der durchaus humorvolle Dichter das bedächtige Temperament des Osteuropäers ausmalte.

In einem dritten Teil der Graßhoff-Darbietung las Wiedenroth schließlich alle zwölf Blätter des Kalenders, die der Künstler für Hermann Moeck gestaltet hatte. Das Thema ist natürlich: Musik, Musik! So heißt es da vergnüglich: „Im Jänner soll man nicht trompeten. Da friert die Spucke in den Flöten“. – Im April „wähle jetzt der Musizent das graßhoffsche Aprilstrument“ – Und dann auf dem Blatt für Mai: „Wie häufig hört jetzt in Verstecken die Jugend man die Flöte moecken!“ – Im Dezember schließlich sei, so Graßhoff, nicht selten das „Ladenkassen-Festgeläut“ zu hören.

Was für eine animierende Wiederbegegnung mit Graßhoff! Lothar Haas drückte es so aus: „Dank an den Autor posthum und auch an seinen Sohn Roger Grasshoff, der uns durch seine Erlaubnis diese Veranstaltung ermöglicht hat!“ Mit viel Applaus dankte das begeisterte Publikum schließlich dem Rezitator Hermann Wiedenroth, und der Vorstand dankte nicht nur mit Worten, sondern mit einem Glas Honig für diesen besonderen, nachhaltigen Nachmittag.

PR
Fotos: Rainer Schiedung

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