Freitag, 13. Juni 2025

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Ausstellung der Performance zu Else Lasker-Schüler

Das Projekt des ateliers 22 „Else Lasker-Schüler. Poetin der Zeichenfeder“ hat bei den beteiligten Künstlerinnen und Künstlern des Ateliers ein Feuerwerk an Kreativität ausgelöst. Daraus sind beeindruckende Werke und etliche Nebenprodukte entstanden. Es lohnt sich, sie in Ruhe anzuschauen. Die Ausstellung ist noch bis Sonntag, den 6.10. 2024 geöffnet und wird um 17 Uhr mit der Finissage in der Werkstatt des atelier 22 in der Hattendorffstr.13 beendet.

Die Ergebnisse der öffentlichen Performance vom 8. September beschreibt Hans-Hagen Nolte so:

„Fasziniert hat die Künstlerinnen und Künstler des ateliers 22 die Vielschichtigkeit der von der herausragenden Expressionistin bearbeiteten Themen und die Vielseitigkeit der verwendeten Kunstgattungen. Sie bearbeitete immer wieder die Themen Liebe, Verlust und Versöhnung als Lyrikerin, Dramatikerin, Romanschriftstellerin, Briefschreiberin, Malerin, Zeichnerin, Kalligrafin und Performancekünstlerin oder wie Else Lasker-Schüler sich selbst sah: Sie war Jussuf, der Prinz von Theben.“

Die bunte Vielfalt der Ausstellung zeigt, dass sich die Künstlerinnen und Künstler des Ateliers 22 auf ganz verschiedenen Wegen und mit höchst unterschiedlichen Ausdrucksmitteln der legendären Malerin, Zeichnerin und Dichterin näherten: malend und zeichnend, mit den Mitteln der Collage, Fotomontage und des Ausdruckstanzes.

1933 wurde Else Lasker-Schüler von den Nazis gewaltsam ins Exil in die Schweiz vertrieben. 1939 durfte sie auch in die Schweiz nicht mehr zurückkehren. Sie saß deshalb in Palästina fest. Den Verlust ihrer Heimat, dem der Verlust ihres geliebten Sohnes Paul 1927 vorangegangen war, verwandt Else Lasker-Schüler bis zu ihrem Tod im Januar 1945 nicht.

1932, kurz vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten erhielt Else Lasker-Schüler den damals angesehensten Literaturpreis, den Kleist-Preis, für ihr Gesamtwerk verliehen.

Das Schauspiel Arthur Aronymus und seine Väter, Else Lasker-Schülers Nathan, in dem sie Christentum und Judentum versöhnte, stand am Deutschen Theater Berlin unter Max Reinhard kurz vor der Uraufführung. Wegen des Machtantritts der Nazis wurde daraus nichts mehr. 

Ein Verlust, der sie zeitweilig in eine tiefe Verzweiflung stürzte, war auch der Tod ihres geliebten Künstlerfreundes Franz Marc. Er kam 1916 in der mörderischen Schlacht von Verdun ums Leben. Ihre tiefe Freundschaft zu Franz Marc hatte Else Lasker-Schüler 1910 in ihrem Gedicht Versöhnung zum Ausdruck gebracht. Franz Marc hatte zu dem Gedicht einen Holzschnitt geschaffen. Beides, Gedicht und Holzschnitt, wurden in der Zeitschrift Der Sturm von Herwarth Walden veröffentlicht. Günter Thomaschek interpretiert Lasker-Schülers Gedicht und Marcs Holzschnitt auf seine Weise. Malend zitiert er die Zeichnerin Else Lasker-Schüler.

1910 hatte Else Lasker-Schüler auch das Gedicht Ein alter Tibetteppich veröffentlicht. In ihm vereinigen sich zwei liebende Seelen.

Das Gedicht Ein alter Tibetteppich regte Anke Brammer zu einer Collage an. Sie schrieb dafür das Gedicht mit der Hand ab und erlebte es auf diese Weise schreibend sinnlich nach, so wie es die Dichterin in ihrem Essay Handschrift beschrieben hatte. Den Essay schrieb Anke Brammer ebenfalls in Auszügen eigenhändig ab. Beide Handschriften klebte sie zusammen mit anderen Fundstücken und typischen Lasker-Schüler-Köpfen auf einen Bogen Papier. Dessen Rahmen vermittelt den Eindruck eines Teppichs. In einer zweiten Collage stellt Anke Brammer das ebenfalls mit eigener Hand abgeschriebene Gedicht Ich schlafe in der Nacht in den Mittelpunkt. 

Die Kalligrafin Else Lasker-Schüler inspirierte auch Claudia Klassen dazu, das Gedicht Mein blaues Klavier mit eigener Hand abzuschreiben, intensiv nachzuempfinden und mit einem gezeichneten Else Lasker-Schüler-Portrait abzuschließen.  

Mein blaues Klavier erschien zuerst am 7. Februar 1937 in der Neuen Züricher Zeitung. Nicht zufällig entstand dieses wohl eindrücklichste Gedicht im Exil.

Darin reflektiert die Dichterin den kulturellen Niedergang Deutschlands und die rohe Gewalt des Nazi-Reichs, vor der sie geflohen war. Das symbolisieren die Ratten in ihrem Blauen Klavier. Else Lasker-Schüler hatte die stereotypen Juden-Ratten aus Veit Harlans berüchtigtem Film Jud Süß in Nazi-Ratten umgewandelt.

Der Bedrohung durch die Ratten auf der schwarz-weißen Klaviatur in Claudia Klassens von Dunkelheit beherrschtem Bild kann man sich kaum entziehen. Wie die Dichterin setzt sie den bedrohlichen Ratten die Klavierspielenden Hände, die singende Mondfrau im Boote und den Engel auf dem Türgriff entgegen, ein Hoffnungsschimmer, dass es doch einen Ausweg aus der Hölle gibt.

Anneliese Rinke hat sich ebenfalls mit dem Blauen Klavier auseinandergesetzt. Beim Lesen des Gedichts erinnerte sie sich an ihre jüdische Freundin Tilly. Tilly war unendlich dankbar dafür, dass sie dem Grauen des Holocausts nicht zum Opfer gefallen war, sondern überlebt hatte und so strahlte sie nach Anneliese Rinkes Erinnerung eine ansteckende Fröhlichkeit aus.

Diese tänzerische Fröhlichkeit und luftige Leichtigkeit Tillys stellt Anneliese Rinke in ihrem Bild zum Blauen Klavier dar und in einem zweiten, ganz allein Tilly gewidmeten Bild. Die bedrohlichen Ratten blendet Anneliese Rinke nicht aus. Ein wenig haben sie jedoch an Schrecken verloren. Denn die Ratten machen einen recht schwächlichen Eindruck. Anscheinend haben sie vor den Sternchen kapituliert.   

Für Else Lasker-Schüler war die Bedrohung durch die Nazis im Exil in Palästina stets präsent.  Sie war informiert über die Mordaktionen, denen Jüdinnen und Juden in Europa zum Opfer fielen. Für sie persönlich wurde die Gefahr im Juli 1942 real. Da rückten die Panzer von Rommels Afrikakorps mit überraschendem Tempo in Nordafrika vor. Erst in Ägypten bei El-Alamein, kurz vor Kairo, konnten die deutschen Panzer gestoppt werden. Die weitere Stoßrichtung wäre Palästina gewesen.

Daran erinnert Günther Thomaschek.

Er greift Else Lasker-Schülers Bild Jussuf reitet durch die Wüste auf. Er ergänzt den Titel in seiner Zeichnung wie folgt: Später kam ein weiteres Transportmittel hinzu. Jussuf reitet auf einem Kamel, das sich auf Panzerketten durch die Wüste bewegt. Die Hakenkreuze lassen keinen Zweifel zu, was gemeint ist. 

Irene Nolte bildet die einsame Else Lasker-Schüler als Flöte spielenden Jussuf von Theben ab.

Traurig und verloren sitzt Else Lasker-Schüler als Jussuf verkleidet, flötend in Jerusalem, völlig verarmt, krank und heimatlos. Um noch Hebräisch zu lernen, war Else Lasker-Schüler zu alt. Sie schrieb aber noch in Jerusalem weitere hinreißende Hebräische Balladen.

Else Lasker-Schüler vermisste vor allem Berlin, den lebendigen Austausch mit Künstlerfreunden im Romanischen Café, die vertraute deutsche Kultur der Weimarer Republik, die sie wesentlich mitgeprägt hatte. 

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Else Lasker-Schüler in der Bundesrepublik lange verdrängt und vergessen. Erst in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts erinnerte man sich wieder an die Exilantin.

Im Jahre 2019 strahlte der SWR eine Gedenksendung für die 150 Jahre zuvor geborene Künstlerin aus. Darin wurde Else Lasker-Schüler als allererste Performerin, als Urgroßmutter von Lady Gaga, Madonna und Elton John bezeichnet.

Der Mut und die Lust Else Lasker-Schülers, sich selbst zu inszenieren, faszinierte Eric Schaper und animierte ihn zu eigenen Fotoinstallationen.

Das Schwarz-Weiß-Foto des flötenden Prinzen von Theben diente ihm dabei als Referenzwerk.  

Anke Brammer und Ernestine Terres machten mit bei der Inszenierung à la Lasker-Schüler. So entstanden reizvolle Portraitfotos im Stil der 20er Jahre. Diese bearbeitete Eric Schaper und schuf drei Assemblage-Werke, in die er, wie Anke Brammer, die typischen Else-Lasker-Schüler-Köpfe und auch Flötenteile einarbeitete.

Modern war auch Frank Niemöllers Zugriff auf die Kunst Else Lasker-Schülers.

Besonders beeindruckend sein Ausdruckstanz am 08. September in der Galerie. Begleitet von repräsentativen Musikstücken gestaltete er, verschleiert und verborgen hinter einer weißen Maske, das zerbrechliche Leben der legendären Künstlerin einfühlsam nach.  

Das Projekt des ateliers22 „Else Lasker-Schüler. Poetin der Zeichenfeder“ hätte der „größten Lyrikerin Deutschlands“ (Gottfried Benn) sicher gefallen.

PR
Fotos von der Ausstellung; Bildrechte beim atelier 22 e.V.

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