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Sprachwandel durch „unsichtbare-Hand-Phänomene“

CELLE. Etwa 60 Zuhörer hatten sich im Beckmannsaal eingefunden, als Professor Dr. Rainer Wimmer aus Mannheim auf Einladung des Celler Zweiges der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) über das Thema „Sprachwandel heute. Was ist akzeptabel in unserer Sprache und was nicht?“ referierte. Wimmer: „Es ist unausweichlich, dass sich Sprachen ändern.“ Die These, dass die Fehler von heute die Regeln von morgen sein sollen, fand allerdings nicht die Zustimmung aller Zuhörer. 

„Der Wandel gehört zur natürlichen Sprache“, so der Professor. Obwohl grundsätzlich auf Normen zu achten sei, z. B. in Schule, Verwaltung, Politik, Literatur, vor allem in Gesetzestexten, gebe es den Wandel, den ein Einziger nicht steuern könne. Sprachwissenschaftler versuchten, die Normen beizubehalten. Wimmer wies auf den aktuellen Sprachgebrauch hin, der die Nation spaltet: „Ich gehe zu Bett, weil ich bin müde“. Hier hat sich die Entwicklung der Nebensatzwortstellung verselbständigt. Aber auch die Kasusrektionen wie „gegen Ende diesen Jahres“ oder „wir gedenken den Toten“ haben Eingang in den offiziellen Sprachgebrauch gefunden. Darüber hinaus ist ja der Verdrängungstrend des Genetivs durch den Dativ kaum noch aufzuhalten. 

Ein weiterer Aspekt des Wandels sei durch die „Jugendsprache“ erkennbar. Das habe auch zum großen Teil mit der Werbung zu tun, wenn von „cool“, „krass“ und „geil“ gesprochen werde. Auch sei sinnverwandt der Begriff „porno“ im Umlauf. Der Referent wies darauf hin, dass es einen Sprachwandel auch in anderen Sprachen gebe. Als Beispiel zitierte er einen Text aus dem Alt-Englischen, den Kenner der modernen englischen Sprache nicht verstehen konnten. Auch die in den unterschiedlichen Ländern und Kontinenten gesprochene englische Sprache drifte auseinander, insbesondere in Downunder (Australien und umliegende Länder) gebe es erhebliche Abweichungen zum Britischen Englisch. 

Sprachwandel sei ein riesiges Thema, das viele Leute im Lande bewege. Wenn auch der Einzug der Anglizismen in die deutsche Sprache häufig kritisiert werde, so sei festzustellen, dass es für einige Begriffe gar keine deutsche Entsprechung gebe. Selbst der „Keks“ sei eigentlich kein deutsches Wort und wurde lediglich aus dem englischen Begriff „Cakes“ eingedeutscht. Bereits im 19. Jahrhundert ging man der Frage nach, welcher Natur die Sprache sei. Ist sie ein Naturereignis von Gott gemacht oder ist sie von Menschen gemacht? Die Antwort klingt da schon sehr kryptisch: Die Sprache ist weder Naturprodukt und auch kein Artefakt, aber ein Phänomen der dritten Art. Auch die Erklärung dazu des britischen Ökonomen Adam Smith bringt nicht unbedingt Licht ins Dunkel: Er sprach von der „unsichtbaren Hand“, die die Geschicke im Rücken der Handelnden beeinflusse. 

In der anschließenden Diskussion brach Franziska Sevekow eine Lanze für die Jugend. Sie war offensichtlich die einzige Vertreterin dieser Spezies unter den Zuhörern. Man solle die Anwendung der Jugendsprache nicht verallgemeinern. Nicht alle Jugendlichen bedienten sich dieses speziellen Wortschatzes. Es gebe viele Jugendliche, deren Anliegen es sei, sich auch um die Sprachkultur zu kümmern. Ein anderer Zuhörer brachte die Frage nach der Aufgabe der Gesellschaft für deutsche Sprache im Zusammenhang mit Normen in die Diskussion. Professor Wimmer verwies auf die Sprachdokumentationen der GfdS, außerdem gebe es eine Sprachberatung im Internet, die der Lehre im In- und Ausland diene. 

Recht ungehalten kritisierte ein Zuhörer die Unterscheidung der gesprochenen und geschriebenen Sprache. Der Duden sei auch schon so verkommen, dass er Wendungen aus dem Umgangssprachgebrauch zulasse. Es müsse eine Autorität geben, „die unsere Sprache rettet“. Darin habe er die Aufgabe der GfdS gesehen. Wimmer stellte fest, dass die deutsche Sprache gerettet werden müsse. 

Horst Pape, Vorsitzender des Celler Zweiges der GfdS, musste einräumen, dass die kontroverse Diskussion lebhafter ausgefallen ist, als er es bei diesem Thema erwartet hatte. Es sei dabei deutlich geworden, dass der Wunsch bestehe, die Sprache zu pflegen. Viele Steine seien ins Rollen gebracht worden. 

Redaktion
Celler Presse 

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