Dienstag, 11. Februar 2025

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Vortrag bei der Ernst-Schulze-Gesellschaft: Literatur als Cassandra bei Konflikten

Die Vorfreude auf Weihnachten wird uns täglich getrübt, wenn wir Neues über den Krieg in der Ukraine erfahren. Das hatte die Ernst-Schulze-Gesellschaft bewogen, Jürgen Wertheimer, Professor für internationale Literatur in Tübingen,  zu einem Vortrag einzuladen. Seine Forschungen lassen aufhorchen: Seit vielen Jahren sammelt er Stimmen in der Literatur, die uns lange vor Ausbruch eines Krieges und auch vor der Errichtung einer Diktatur warnen könnten. Wertheimer nennt sie „Cassandra“-Stimmen.

Seine umfänglichen Forschungen hierzu könnten sowohl für Analysen hilfreich sein wie auch bei der brennenden Frage, warum wir, die Gesellschaft und die Politik, geneigt sind, erkennbare Menetekel zu übersehen. Die Veranstaltung fand im Direktorenhaus statt, einem der bedeutenden Gebäude Haeslers, das gleichsam Geschichtsbeweise beisteuern konnte.

Wertheimer belegte seine These von der Seismographen-Kraft der Literatur u.a. durch Zitate aus einem Roman des ukrainischen Autors Serhij Zhadan, der den diesjährigen Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten hat, später erinnerte er auch an Schillers „Wilhelm Tell“, an Warnungen von Herta Müller, von Olga Grjasnowa und anderen. Vielfach deckten solche Texte die menschenverachtende Anmaßung auf, einzigartiges Glück zu garantieren, indem man auf die eigene Einzigartigkeit pocht.

Er ließ keinen Zweifel daran, dass er Putins Vorgehen als verbrecherisch einordnet, hielt es aber für bedenklich, wenn politische Akteure mit Blick auf die Ukraine sagten: „Ihr gehört zu uns!“ Er begründete dies mit der Geschichte, nicht zuletzt mit der Kulturgeschichte. Russen und Ukrainer hätten zwar nur zeitweise friedlich nebeneinander gelebt, aber es habe doch auch ein Gefühl der Zusammengehörigkeit gegeben. Das bestehende Spannungsverhältnis erscheine jetzt unaufgearbeitet. Wertheimer plädiert für ein „Sowohl als Auch“. Denn die Dominanz einer Gruppe zerstöre den inneren Frieden im Land, nicht nur in der Ukraine, wie die Geschichte beweise. Eine politische Lösung wäre seiner Meinung nach nicht die Einverleibung in Blöcke, sondern im Osten Europas die Neutralität von Regionen.

In der sich anschließenden intensiven, teils auch scharfen Diskussion mit Zuhörerinnen und Zuhörern kamen die Gewalt, die von Putin ausgeht, zur Sprache, der Hass von Serben gegen Albaner, die Auseinandersetzungen in Lemberg, die Probleme in den baltischen Staaten. Nicht alle Urteile der Beteiligten stimmten überein. Wie bestimmt sich Europa heute? Der Wunsch aller Anwesenden aber war, und so fasste es Wertheimer mit einem Zitat der griechischen Antigone zusammen, dass man unsere Dialogfähigkeit – gerade auch mit Hilfe der Literatur – vergrößern müsse, das Gespräch miteinander sollte wachsen.

Lothar Haas drückte den Dank der Ernst Schulze-Gesellschaft für diesen fordernden und förderlichen Abend aus, auch mit dem Hinweis auf die Buch-Veröffentlichungen Wertheimers und auf dessen Website, auf der man gesammelte Stimmen von Autorinnen und Autoren aus ganz Europa finden kann: https://projekt-cassandra.net/.

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