Freitag, 11. Juli 2025

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Großes Theater mit Tiefgang im Malersaal des Schlosstheaters Celle

Prima Facie – der preisgekrönte Monolog von Suzie Miller feierte am Donnerstag den 14.11.2024 im Malersaal des Celler Schlosstheaters Premiere. Pia Noll überzeugte mit ihrem packenden und empathischen Spiel die Premierengäste als erfolgreiche Strafverteidigerin Tessa Ensler, die plötzlich selbst zum Opfer wird.

Für Tessa ist ihr Beruf so etwas wie Leistungssport. Sie macht sich auf ihrem Ergometer fit für den Gerichtssaal, schlüpft in ihr Businesskostüm, steckt die Haare hoch, schminkt die Lippen und lächelt siegessicher. Ihr geht es nur um den Sieg. Sie glaubt an das System: Schuldig ist, wessen Schuld eindeutig bewiesen ist. Es geht  ihr um die juristische Wahrheit und die Unschuldsvermutung. Eines ihrer Spezialgebiete sind Vergewaltigungsprozesse in denen sie die angeklagten Männer vor dem Gefängnis bewahrt. Ihre Standart-Verteidigung: Er wusste nicht, dass es kein Einvernehmen gab.

Der Malersaal mit seiner intimen Atmosphäre stellt eine besondere  Nähe zur Schauspielerin Pia Noll her. Sie agiert als Strafverteidigerin in direkter Ansprache der Anwesenden. Das Publikum ist gleichzeitig Zuschauer und Geschworenenjury. Sie erklärt wie mit juristischen, rhetorischen und psychologischen Tricks die Ankläger:innen zu verunsichern sind, um Zweifel an ihren Aussagen zu wecken. Sie spürt Unsicherheiten und Gedächtnislücken der Zeug:innen auf, und nutzt sie geschickt aus. Das Gesetz schützt den Angeklagten so lange, bis die Schuld rechtskräftig bewiesen wurde. 

Den moralischen Aspekt erkennt Tessa erst, als sie selbst zum Opfer wird. Sie beginnt eine Affäre mit einem netten Kollegen, sie hatten bereits einvernehmlichen Sex. Nach einem Abend mit gutem Essen, guter Laune und sehr viel Alkohol vergewaltigt er sie plötzlich in ihrer Wohnung.

Nach diesem Übergriff verwandelt sich die anfangs stolze und siegessichere Juristin in eine völlig traumatisierte unsichere Person, der die Glaubwürdigkeit abhandengekommen ist. 

Sie trägt nun weite Kleidung, die Haare sind zerzaust, sie ist völlig ungeschminkt – es scheint, dass sie am liebsten unsichtbar wäre.

Tessa erstattet Anzeige obwohl ihr sehr bewusst ist, dass sie diesen Prozess verlieren wird. Die Profiverteidigerin ist nun Anklägerin. Der Seitenwechsel erschüttert plötzlich ihr Vertrauen in das Rechtssystem.                                             

Jetzt geht es ihr nicht nur um sich selbst, sondern um all die Frauen, denen Gewalt angetan und nicht geglaubt wurde. Nun spürt sie selbst die Angst und die Retraumatisierung im Zeugenstand, erlebt den Freispruch des Vergewaltigers.

Am Ende hält sie ein flammendes emotionales Plädoyer für mehr Gerechtigkeit, für mehr Menschlichkeit im System, für Veränderung, für eine Strafrechtsreform, die Frauen zu ihrem Recht verhelfen soll.

Sie macht darauf aufmerksam, dass jede dritte Frau sexuellen Missbrauch erfahren hat. „Schauen sie nach links, schauen sie nach rechts, eine von uns…

Darstellerisch war der Abend ein absolutes Meisterwerk mit allen Facetten der Schauspielkunst.

Die herausragende Schauspielerin Pia Noll spielte die Verwandlung von der knallharten Verteidigerin zum traumatisierten Vergewaltigungsopfer ergreifend realitätsnah und emotional. Sie ließ den Zuschauer die brutale Realität des Gerichtssaals und die Einsamkeit des Opfers vor Gericht erschütternd deutlich miterleben und hinterließ einen bleibenden Eindruck.

Das Premierenpublikum war von Pia Nolls Darstellung völlig überwältigt und feierte ihre Leistung mit Standing Ovations und einem nicht enden wollenden Applaus.

Unterstützt wurde Pia Noll von einem hervorragenden Team, dem dieser Applaus ebenso galt.

Regie: Ruth Langenberg, Dramaturgie: Sandra Omlor, Bühne und Kostüme: Kathrin Schobel, Spielleitung: Kathrin Schobel.

Der juristische Fachbegriff „Prima facie“ bezeichnet den ersten Eindruck und Anschein einer kritischen Situation, der gerade im Fall sexualisierter Gewalt häufig nicht der Wahrheit entspricht, und doch nicht selten ausschlaggebend für die Urteilsfindung ist.

  • weil man den Frauen nicht glaubt
  • weil die Tat schwer zu beweisen ist
  • das Opfer als Zeugin von der gegnerischen Partei ins Kreuzverhör genommen wird

Schätzungen zufolge zeigen nur 5 bis 15 Prozent der Frauen, die mit sexueller Gewalt konfrontiert wurden, die Straftat an – viele fürchten die Folgen nicht ertragen zu können.

Einstellungen der Prozesse oder Freisprüche sind die Regel.

Editha Urich
Redaktion Celler Presse
Fotos: Schlosstheater Celle/Lucas Rosenbaum

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