„Man baut ein Stück heile Welt“

Dieses Motiv steht einem impressionistischen Gemälde in nichts nach: Der Blick geht zu den beiden harkenden Frauen, rechts davon ein Strommast, davor die Bahnlinie. Aber es handelt sich um kein Bild, sondern um eine Modellbau-Landschaft, geschaffen mit ungeheurer Präzision, Feinheit, Liebe zum Detail. „Dieses Hobby schult Fertigkeiten“, berichtet Ubbo Lanske als Vertreter der Modellbahngruppe Papenteich. Sie ist eine von zahlreichen Gruppen oder Einzelpersonen, die am Wochenende nach Wathlingen gekommen sind, um an der 7. Wathlinger Modellbahn- und Modellbauausstellung teilzunehmen, veranstaltet vom Märklin Insider Stammtisch Osthannover gemeinsam mit der Vernetzungsagentur der Gemeinde Wathlingen.

Der 4-Generationen-Park ist am Samstag gut besucht, überwiegend sind es Männer, die sich durch die Reihen zwischen den Modellaufbauten bewegen. Ganz genau, teilweise mit staunendem und lächelndem Blick schauen sie sich die Werke an, die es hier zu sehen gibt. Stadtansichten, Bauernhöfe, nostalgische Lokomotiven, D-Züge, Triebwagen, aber auch moderne ICEs – eine Welt en miniature. Vor den Präsentationstischen ist jeweils das Motiv und der Erbauer genannt. „Alle Motive, die Sie hier sehen, gibt es wirklich, sie entstammen der Region“, erläutert Ubbo Lanske für den Bereich seiner Gruppe. Er ist von Beruf Eisenbahningenieur, ist dementsprechend in seinem Berufsalltag mit den modernen Entwicklungen der Bahn befasst. Privat hat er wie seine Mitstreiter „Spaß an lebendiger Eisenbahngeschichte“. „Wir bewahren durch den Nachbau für die Ewigkeit“, fügt er hinzu und hebt das Werkeln in Gemeinschaft als positives Merkmal der Freizeitbeschäftigung hervor.

Bei einem Rundgang durch die Ausstellung ist sie ablesbar: Hier sind Spezialisten beieinander, verbunden durch das gemeinsame Hobby, man inspiriert sich und lernt voneinander. „Ein grundsätzliches Technikinteresse muss vorhanden sein“, erläutert Bernd Leiweke von den Großbahnfreunden Hildesheim e.V. Er hat Züge aus verschiedenen Epochen auf die Schiene gebracht, der ICE fährt hier neben der Dampflok, gesteuert wird digital. Viele Kinder machen Halt, nehmen das Handy in die Hand, steuern. „Die Kinder kombinieren auf diese Weise die digitale Welt mit der analogen Welt der Handarbeit“, berichtet Leiweke.

Wie kleinteilig, präzise und fein Handarbeit im Modellbau sein kann, ist auf zahlreichen Tischen zu bestaunen. „Das Auge spielt hier eine große Rolle“, sagt Armin Schumacher aus Wathlingen. „Hier sehen Sie, jedes Auto hat einen Spiegel und ein Fahrer sitzt darin. Und hier geht ein Landvermesser“, erläutert Roland Hoffmann, der sich bereits seit 1970 dem Hobby widmet und einen klassischen Bauernhof mit Pferdewagen, freilaufenden Tieren auf Hof und Weiden sowie der Heuernte nachgestaltet hat. Jedes Detail stimmt. Lässt denn die Feinmotorik im Laufe der Jahre nicht nach? „Nein, ganz im Gegenteil, sie nimmt zu durch die Übung und die Motivation wird immer größer“, entgegnet Armin Schumacher.

Dass es die Wathlinger Modellbautage überhaupt gibt, geht auf den Wathlinger Bürgermeister Torsten Harms zurück. Im Jahr 2017 rief er den „Märklin Insider Stammtisch Osthannover Wathlingen“ ins Leben, ein Jahr darauf folgte die erste Modellbahn- und Modellbauausstellung. „Die Besucherzahl ist gleichbleibend, der technische Standard verändert sich“, berichtet der Verwaltungschef und gelernte Eisenbahner. „Es ist immer mehr Leben auf den Anlagen, der Computer ist aus diesem Bereich gar nicht mehr wegzudenken.“ Dennoch überwiegt in seiner Wahrnehmung das Analoge. „Das Digitale steht nicht im Vordergrund. Vielmehr liegt der Schwerpunkt auf dem Handwerklichen und Gestalterischen“, sagt Harms und verweist auf eine entsprechende AG an der Oberschule, die von Mitgliedern des Stammtisches geleitet wird. Sich mit einem Modellbauprojekt zu beschäftigen, bedeutet für ihn, sich eine „Auszeit zu nehmen und sich hineinzubegeben in eine Welt, die man selber gestaltet hat. Letztendlich baut man doch ein Stück heile Welt“, betont Torsten Harms und bewertet die 7. Wathlinger Modellbautage als eine rundum gelungene Veranstaltung.

Anke Schlicht
Redaktion Celler Presse
Fotos: Anke Schlicht

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