Sonntag, 6. Oktober 2024

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„Geschichte im Vorbeigehen“ – Feierstunde für Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime

Es handelte sich tatsächlich um eine Premiere. Noch nie sei den Widerstandskämpfern gegen das NS-Regime in Celle gedacht worden, erinnerten sich einige der insgesamt knapp 100 Teilnehmenden am Wochenende. „Eventuell etablieren wir hier eine neue Tradition“, griff die Klein Hehlener Ortsbürgermeisterin Karin Abenhausen (Grüne) die im Verlauf der Veranstaltung gereifte Erkenntnis auf.

Rund 15 Straßenzüge bilden in Klein Hehlen das „Widerstandsviertel“. Sie sind benannt und ehren gleichsam die Menschen, die sich auf unterschiedliche Weise zur Wehr setzten gegen die Herrschaft der Nationalsozialisten und dieses mit dem Leben bezahlten. Lediglich zu den Geschwistern Scholl gab es bis zum Wochenende eine kurze erläuternde Tafel. „Es war der Wunsch der Bürgerschaft, alle Schilder des Widerstandsviertels um einige grundlegende Informationen zu ergänzen“, berichtete die Ortsbürgermeisterin und hob als federführenden Initiator Jochen Barth hervor. Ein Spendenaufruf traf auf gute Resonanz, auch hier beteiligte sich Barth ebenso wie Andreas Gwinner tatkräftig, brachte schnell das notwendige Geld zusammen.

Der 80igste Jahrestag des Attentates auf Hitler am 20. Juli 1944 bildete den geeigneten Anlass, um zu einer Feierstunde einzuladen. Oberst Jörn Rohmann, der ranghöchste Offizier der Garnison Celle, samt Delegation, Sabine Maehnert, Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, zahlreiche Kommunalpolitiker, darunter etliche Angehörige des Ortsrates, sowie der ehemalige Verwaltungschef der Stadt Dr. Martin Biermann, folgten der Einladung. Oberbürgermeister Dr. Jörg Nigge ließ sich vertreten von einem seiner drei Stellvertreter. Es erschien jedoch nicht der langjährige Vorgänger im Amt von Karin Abenhausen und jetzige Bürgermeister der Stadt Celle, Klaus Didschies, sondern Alexander Wille. „Wer in der Zukunft lesen will, muss in der Vergangenheit blättern“, zitiert dieser den französischen Schriftsteller André Malraux (1901-1976) und beschreibt die Gegenwart mit den Worten: „Unsere Gesellschaft wird von allen extremistischen Akteuren bedroht.“ Generell, aber besonders vor dem Hintergrund der aktuell gefährdeten Demokratien in der Welt lohnt sich ein Blättern in den Biografien der Namensgeber, die ein breites gesellschaftliches Spektrum eröffnen. Der Adlige von Stauffenberg und der aus kleinsten Verhältnissen stammende SPD-Politiker Julius Leber verstanden sich beispielsweise überaus gut.  

Einige begrüßten zunächst die Machtübernahme der Nazis, darunter Claus Schenk Graf v. Stauffenberg. „Er weigerte sich jedoch der NSDAP beizutreten, Stalingrad war dann der Wendepunkt“, erläutert Karin Abenhausen an der ersten von vier Stationen, der Kreuzung Witzleben-/Stauffenbergstraße. Der wohl prominenteste Widerstandskämpfer des 20. Juli Graf v. Stauffenberg repräsentiert das Militär. „Wir haben drei Personen ausgewählt“, erklärt die Ortsbürgermeisterin. Der Theologe Dietrich Bonhoeffer steht stellvertretend für die Gegenwehr aus religiös motivierten Kreisen, Carl Friedrich Goerdeler war der bedeutendste Kommunalpolitiker seiner Zeit. Im Jahr 1936 beendete der Oberbürgermeister von Leipzig seine bis dahin erfolgreiche Karriere und bezog offen Position gegen den Nationalsozialismus.

Abenhausen enthüllt die drei mit mehr Information versehenen Straßenschilder, geht kurz auf das Wirken der Geehrten ein, verweist jedoch darauf, dass längere Redebeiträge an einem schattigen Waldstück am Rande Klein Hehlens gehalten werden. Aufmerksam verfolgen die Anwesenden die Ansprachen von Sabine Maehnert, Alexander Wille, Jochen Barth und Oberst Jörn Rohmann. „Das gescheiterte Attentat vom 20. Juli 1944 war sinn- und identitätsstiftend für die Gründung der Bundeswehr im Jahr 1955“, referierte der Offizier, Kadavergehorsam habe keinen Platz in der Bundeswehr.

„Es ist nicht einerlei, in welcher Straße man wohnt“, zitierte die Vertreterin der Christlich-Jüdischen Gesellschaft, Sabine Maehnert, Bernhard Strebel, der im Jahr 2010 im Auftrag der Stadt ein Gutachten über Celler Straßennamen erstellt hat. Seit vielen Jahren setze man sich dafür ein, dass Straßen auch nach Juden und Jüdinnen benannt werden.

Kein einfacher Prozess in Celle. Der frühere Verwaltungschef Dr. Martin Biermann erinnert sich gut daran. „Auch die Namensgebung hier in Klein Hehlen war nicht einfach durchzusetzen“, blickt er am Rande der Veranstaltung, die er als Beitrag der Erinnerungskultur hoch einschätzt, zurück. Die zusätzlichen Informationen an den Straßenschildern hält er für wichtig: „Die reine Namensgebung ist nicht das Entscheidende, besonders für die nachkommenden Generationen sind die Erklärungen das Bedeutsame.“

Allen, die sich für das Thema interessieren, bieten sie die Chance für „Geschichte im Vorbeigehen“, wie Karin Abenhausen in ihrem Eingangsstatement einen Vorzug der neuen Tafeln beschrieb.

Anke Schlicht
Redaktion Celler Presse
Fotos: Anke Schlicht

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