Donnerstag, 17. Juli 2025

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Unwägbares Risiko oder Chance? – Konzessionsverträge für Celle vorzeitig gekündigt

In einer Sondersitzung Anfang der Woche hat der Rat Celle mehrheitlich dafür gestimmt, vom Sonderkündigungsrecht für den mit der SVO bestehenden Konzessionsvertrag für das Strom- und Gasversorgungsnetz der Stadt Celle Gebrauch zu machen. Infolgedessen wird der Vertrag zum Ende des Jahres 2024 gekündigt, damit er, und damit die Kooperation mit der SVO bzw. Celle-Uelzen-Netz GmbH (CUN), am 31. Dezember 2026 vorzeitig endet.

Grundsätzlich gilt, dass von Energieunternehmen für die Nutzung der öffentlichen Verkehrswege der Gemeinde sowie von Grund und Boden, in dem die Gas- und Stromleitungen liegen, gezahlt werden muss, eine sogenannte Konzessionsabgabe. Die Konzessionen werden von den Gemeinden vergeben, und zwar spätestens alle 20 Jahre neu in einem wettbewerblichen Verfahren. In Celle wäre dieses Ende 2031 der Fall gewesen.

Im Zuge der Privatisierung des Energiemarktes Ende der 1990/Anfang der 2000er Jahre trennte sich die Stadt von ihrem Gas- und Stromnetz, verkaufte es an die SVO. Am 1. Januar 2012 schloss sie einen „Konzessionsvertrag über die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Versorgungsanlagen zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern mit Strom und Gas“ mit der CUN. Diese war im selben Jahr von der SVO gegründet worden, um Netz und Vertrieb zu entflechten. Aufgrund der Inanspruchnahme des Sonderkündigungsrechtes durch den jüngsten Ratsbeschluss, der konform geht mit dem Willen des Neuen Rathauses sowie den Antragstellern Grüne, Unabhängige und WG/Die Partei wird nun bereits zum Start 2027 neu ausgeschrieben, und zwar getrennt für Strom- und Gasnetz. Die Stadtwerke, die Gas- und Stromnetz zurückkaufen müssten, werden nicht nur ins Rennen gehen, sie gehen laut Medienberichten schon jetzt davon aus, dass sie den Zuschlag erhalten.

Etliche Ratsfrauen und -herren, die gestern ans Rednerpult traten, zweifeln dieses an. „Die Kündigung eröffnet nur die Option, dass die Stadtwerke als Beste aus dem Verfahren hervorgehen“, sagte Alexander Wille (CDU), der im namentlichen Voting mit „nein“ stimmte, und damit stellvertretend war für einen ungewöhnlichen Vorgang im Celler Rat. Üblicherweise kann sich der Oberbürgermeister Dr. Jörg Nigge (CDU) auf eine Mehrheit aus CDU, Unabhängige, AfD und FDP verlassen. In dieser Sitzung war alles anders, die CDU-Fraktion stellte sich zwar mehrheitlich hinter den OB, aber nicht komplett. Auch die „Unabhängige“ Iris Fiß wich von der Parteidisziplin ab. Sie erhielt für ihre Rede den größten Applaus von den zahlreich erschienenen Gästen (s. Foto), etliche aus den Reihen der SVO. „Dieses ist ein hochkomplexes Thema“, schickte sie wie andere Referenten auch ihrer Ansprache vorweg und führte anschließend aus: „Wir müssen europaweit ausschreiben. In 2031 wissen wir eher, was uns erwartet. Die Fortführung mit der SVO ist die bessere Lösung. Der Abkauf würde die Stadtwerke finanziell überfordern. Die Stadt müsste einspringen und die Verbraucher müssten zahlen. Mit der SVO haben wir einen Partner, dem das Stromnetz bereits gehört, der über Know-how verfügt und sich als zuverlässig erwiesen hat.“ Zuvor hatte bereits Ralf Blidon wie andere Ratsmitglieder auch auf die enorme Tragweite der in der Sitzung zu fällenden Entscheidung hingewiesen, er wich vom gewohnten Kurs der Celler Liberalen ab, stimmte gegen das Vorhaben und begründete dieses: „Niemand kann vorhersagen, wer den Zuschlag bekommt. Das von der Stadt im April vorgelegte Gutachten war keine Hilfe für die zu treffende Entscheidung. Auch das zweite Gutachten brachte keine neuen Erkenntnisse“, die Antwort darauf, wie Risiken zu vermeiden seien und sich Chancen erhöhen sollen, blieb die Stadtkämmerin Nicole Mrotzek laut Blidon schuldig. Das Finanzierungsrisiko sei zu hoch vor dem Hintergrund eines ebenfalls sehr hohen generellen Investitionsbedarfs. „Die Netze zurückholen, sozusagen heim in die Stadt, das akzeptiere ich nicht. Darauf wird die Diskussion reduziert, während die Finanzierung marginalisiert wird“, betonte der Liberale, der ebenfalls unter Applaus zurück zum Platz ging.

Zum Beginn der Sitzung, an der krankheitsbedingt der Verwaltungschef nicht teilnehmen konnte, hatte sich die Kämmerin und Stellvertreterin des OB Nicole Mrotzek nur sehr kurz geäußert, es gebe womöglich bessere Optionen, der Beste möge das Verfahren gewinnen. Ausführlich äußerte sich Dr. Udo Hörstmann (Unabhängige) im Namen der Befürworter: Die Entscheidung eröffne die Chance, den Weg der Neuaufstellung der Stadtwerke Celle konsequent fortzusetzen. „Seit 2013 haben sie sich zu einem zentralen Unternehmen im Gesamtkonzern Stadt Celle entwickelt… Sollte die Ausschreibung zu Gunsten der Stadtwerke und deren Partner ausfallen, ergeben sich z.B. Synergien mit den Sparten Wasser, Straßenbeleuchtung, Wärme, Photovoltaik und E-Mobilität. Die Stadt hätte zu 100 Prozent die Handlungshoheit und Kontrolle über die gesamten Geschäftsbereiche.“ Dr. Hörstmann verschwieg demnach nicht, dass es sich nicht um eine echte Rekommunalisierung handeln würde, denn hinter den Stadtwerken steht „ein Partner“. Auch die aktuellen Konzessionsinhaber agieren nicht selbständig, 50,1 Prozent der SVO-Holding befinden sich in Händen der Avacon, einer Tochter von Eon.

Als „unverantwortlich“, auch gegenüber den SVO-Mitarbeitern, bezeichnete Anatoli Trenkenschu (AfD) die vorzeitige Kündigung. „Bei dieser Faktenlage, schlechter Haushalt, über 200 Mio Euro Schulden, hoher Investitionsbedarf, kaputte Straßen. Letztendlich werden die Verbraucher die Zeche zahlen müssen. Zudem ist die Zukunft des Gasnetzes ungewiss“, betonte er. Völlig konträr hierzu bezeichnete Johanna Thomsen (Grüne) das Sonderkündigungsrecht als eine „einmalige Chance“, am besten wäre es, wenn Stadtwerke und SVO sich zusammentäten. Ihr Parteikollege Stephan Ohl fiel die gesamte Sitzung über durch Zwischenrufe auf, zum Vortrag des letzten Redners des Abends, Dr. Jörg Rodenwaldt, meldete er sich offiziell zu Wort und forderte, die Nennung des französischen Konzerns Veolia solle nicht ins Protokoll aufgenommen werden. „Sie suggerieren, ich würde hier Geheimnisse verraten“, konterte der Vorsitzende von „Zukunft Celle“, der in seinem Beitrag kritisierte, dass die Rekommunalisierung als Vorteil herausgestellt werde, es sich jedoch um keine echte Zurückführung handele: „Ebenso werden die Stadtwerke als Konzessionsinhaber – wie auch bereits beim Wasser – die Betriebsführung nicht in Eigenregie durchführen, sondern benötigen einen anderen Partner. Angedacht ist, wie beim Wasser, die Betriebsführung über nicht ortsansässige Zwischengesellschaften dem französischen Multi Veolia zu überlassen. Natürlich wird auf jeder Stufe mitverdient, Profite vereinnahmt…“ Er gab abschließend vier Handlungsempfehlungen, darunter: „Stärken Sie die Stadtwerke, dass sie endlich im Kerngeschäft profitabel werden. Denn nur ein starkes kommunales, von Gasleitungen unabhängiges Unternehmen wird sich in die Energie- und Wärmewende einbringen und sich stärker auf erneuerbaren Energieausbau und grüne Wärmenetze fokussieren können.“

Doch weder diese Handlungsempfehlung noch die kritischen Einlassungen der übrigen Ratsmitglieder zeigten durchschlagende Wirkung: 25 Ja-Stimmen standen 13 Nein-Stimmen gegenüber, der Konzessionsvertrag mit der SVO wird zum Ende des Jahres 2024 gekündigt, damit er zum 31.12.2026 vorzeitig endet.

Anke Schlicht
Celler Presse
Fotos: Anke Schlicht

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