Samstag, 5. Oktober 2024

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Demonstration in Eschede setzt Zeichen

ESCHEDE. Unter dem Motto: „Menschrechte universell und unteilbar“ zogen am Samstag rund 100 Demonstranten in Eschede durch die Stadt zum nahegelegenen Hof Nahtz. Sie wollten angesichts der bei den Rechten stattfindenden Sonnenwendfeier ein Zeichen für die Freiheit und Menschenwürde setzten.

Rund 100 Demonstranten versammelten sich in Eschede. Eingeladen hatte dazu der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB)und das Celler Forum gegen Gewalt und Rechtsextremismus. Mit bunten Fahnen und Bannern kritisierten sie die Flüchtlingspolitik und prangerten den Rechtsruck in Politik und Gesellschaft an. Daran beteiligt hatten sich auch Bewohner des Eschedeer Flüchtlingsheims. Mit dieser friedlichen Veranstaltung brachten die Bürger ihren Unmut über die “Nazitreffen in Eschede” zum Ausdruck. Gemeinsam zogen sie mit Gewerkschaften, Institutionen aber auch Parteien in ihren Reihen vom Alten Markt in Eschede über den Bahnhof zur Kreuzung Hermannsburger Straße / Im Dornbusch am nahegelegenen Hof Nahtz.

Auf dem Hof fand am Samstag zeitgleich eine private Veranstaltung mit einem Lagerfeuer zur Sonnenwendfeier statt. Bis zu 70 Teilnehmer des rechten Spektrums sollten sich laut Polizeiangaben hier versammelt haben. Die Polizei hatte sowohl auf die Demonstranten als auch auf die Teilnehmer der nicht anmeldungspflichtigen Veranstaltung ein Auge. Das zuständige Ordnungsamt war ebenfalls involviert, denn trotz des privaten Charakters der Veranstaltung unterliegt das Abbrennen eines größeren Lagerfeuers der Brennplatz-Verordnung, die die Veranstalter nicht eingehalten hatten. Laut einem Polizeisprecher musste der Veranstalter die dabei festgestellten Mängel bei der Größe des geplanten Feuers beseitigen.

Der Demonstrationszug wollte unweit vom Hof ein Zeichen setzen und Präsenz zeigen. Das macht die Bewegung schon seit dem Jahr 2007 immer zur Wintersonnenwend- und Sonnenwendfeier. Obwohl seit 2013 der Hof Nahtz nicht mehr offen für rechte Versammlungen genutzt wird, finden doch wiederkehrend Veranstaltungen dort statt.

Klaus Jordan verwies in seiner Ansprache an die Demonstranten auf kürzlich geschehene Sachbeschädigungen und Anfeindungen hin. Zudem etabliere sich in der Gesellschaft die unbegründete Angst vor Überfremdung. In diesem Punkt kritisierte Jordan auch zahlreiche Bürgerinitiativen, die sich von Ausländerfeindlichkeit zwar distanzieren, aber im gleichen Atemzug keine Ausländer in ihrer Nähe haben wollen. Jordan machte deutlich, dass wir die „Nazis“ in der Gegend und im Umfeld bereits haben und viele es stillschweigend hinnehmen.

Kirsten Lühmann (SPD) kritisierte sowohl die Triton-Mission der europäischen Agentur Frontex als auch das Dublin-III-Abkommen. Auch das in Kraft getretene Einschreiten gegen die Schlepperbanden sieht Lühmann skeptisch, schließlich müssten die Boote alle angehalten, durchsucht und im Anschluss versenkt werden. Die Realität sieht jedoch so aus, dass die Schlepper einem Flüchtling ein Mobilfunktelefon mit der Nummer der Seenotrettung geben. Gerät nun das marode Boot in Not oder sie sehen ein Handels- oder Marineboot, dann rufen sie diese Nummer an. Kurz vor der Rettung stehend, wird das Boot dann bewusst versenkt, um die Chancen um wirkliche Rettung vermeintlich zu erhöhen. Das Boot, oder die Flüchtlinge können somit nicht abgewiesen werden. Schlepper seien, laut Lühmann ohnehin nicht mehr an Bord. Lühmann plädierte für die Einstellung von Dublin-III und einer gerechteren Quotenregelung, doch vor allem Großbritannien wehrt sich dagegen. Der Umgang mit den in Deutschland eingetroffenen Flüchtlingen ist auch ausbaufähig. Nicht alle zusammen mit dem Koalitionspartner der CDU getroffenen Entscheidungen sind aus SPD Sicht optimal, doch man versuche, sich aktiv für die Flüchtlinge einzusetzen.

Behiye Uca (Die Linke) richtete in ihrem Redebeitrag den Fokus auf die aktuellen rechtsradikalen Tendenzen. Hier ihr Beitrag im Wortlaut:
„Seit Jahren versammeln wir uns hier im Juni wie auch im Dezember, um auf die Gefahr aufmerksam zu machen, die von Neonazis ausgeht. Wir sind hartnäckig. Und dafür sage ich allen, die heute hier sind, ein großes „Danke schön“.

Seit 1990 sind über 160 Menschen in der Bundesrepublik Deutschland von Faschisten getötet worden. Ihr wisst es – eines der Opfer war Peter Deutschmann hier in Eschede, den zwei Neonazis totgeschlagen haben, weil er sich gegen ihre Nazisprüche gewandt hatte.

Der unfassbare Höhepunkt dieser Gewalttaten ist die Mordserie des NSU. Viele Menschen haben diese Verbrechen tief erschüttert. Aber sind wirklich Konsequenzen gezogen worden? Eher nicht, oder?

Jetzt ist bekannt geworden, dass der niedersächsische Verfassungsschutz einen Gewerkschafter beobachtet, der unter anderen auch diese Demonstrationen hier mal angemeldet hat. Und auch die Journalistin Andrea Röpke, die oft über Eschede berichtet hat, wurde überwacht. Ich frage mich: Wo leben wir eigentlich?

Wie Ihr wisst, hat die Partei Die Linke, für die ich hier spreche, eine klare Position: Der Verfassungsschutz muss abgeschafft werden. Er ist Teil des Problems und nicht der Lösung.

Was wir in Niedersachsen wieder brauchen, ist eine Landeszentrale für politische Bildung, die diesem Namen gerecht wird. Aktuell erledigt bekanntlich der Verfassungsschutz diese Aufgabe – so nebenbei. Wie soll das gehen in einer Institution, die Akten darüber anlegt, dass jemand gegen Nazis kämpft und dafür das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nutzt?

Nach wie vor stimmt ein Viertel der Bevölkerung fremdenfeindlichen und rassistischen Positionen zu. Viele davon werden wir auch mit Bildungsarbeit nicht erreichen. Und schon gar nicht die Nazis, die sich heute hier treffen. Aber: Wir können die normalen Menschen erreichen, die sich in der Schule, auf der Arbeit, in der Familie oder im Verein mit Rassismus auseinandersetzen müssen. Da ist es wichtig, sich nicht resigniert abzuwenden, sondern deutlich zu sagen: NEIN.

Genau das tun wir hier und heute. Mal wieder. Und dafür möchte ich mich bei Euch allen bedanken.“

Miriam Seedorf vom DGB unterstrich zum Tag des Flüchtlings am Samstag das Motto „Menschrechte universell und unteilbar“. In den Redebeiträgen und den Plakaten kritisierten die Demonstranten die deutsche Flüchtlingspolitik. Wichtig war den Teilnehmern auch, ein Zeichen gegen die „Rechten“ und „Rechtsextremismus“ in Eschede zu setzen. Dabei verwies Seedorf auf die kürzlich in Eschede stattgefundenen Übergriffe auf Flüchtlinge. In Ihrem Redebeitrag mahnt sie hinzusehen: „Wir müssen die Augen aufmachen, weitere Menschen informieren und uns in unserem nahen Umfeld in breiten Bündnissen für eine bessere Gesellschaft einsetzen!“

Der Kreisvorsitzende des DGB Paul Stern richtete seinen Blick auf Europa. Mit Sorge sieht er die neue von Marie Le Pen und Geert Wilders gebildete Rechtsfraktion im EU-Parlament. Doch auch auf Länderebene gibt es laut Stern einen Rechtsruck. In Österreich und Dänemark sind die Rechtspopulisten und Neoliberalen auf dem Vormarsch und in Italien gewinnt die Liga Nord in Italien an Boden. Generell scheinen die Rechten auf dem Vormarsch zu sein. Stern sagte ein klares „Nein – zum Rechtspopulismus” und blickt zum Schluss noch sorgenvoll auf die sich in Celle formierende Cegida-Bewegung.

Nach Mitteilung der Polizei kam es Im Verlaufe des Aufzugs für den Individualverkehr zu kurzzeitigen Behinderungen auf der Landesstraße 281. Ansonsten verliefen die Veranstaltungen aus Sicht der Polizei ohne Zwischenfälle.

Redaktion
Celler Presse

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