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Zum Artikel Behiye Uca (Die Linke): „Mietwerttabelle nach jüngsten Urteilen nicht haltbar“ – Landkreis: „Ucas gewünschte Lösung rechtlich nicht zulässig“

  • Celle

CELLE. Zu dem Artikel nimmt der Leser Horst-Peter Ludwigs Stellung. Diese Stellungnahme veröffentlichen wir hier im Wortlaut. Daran anschließend finden Sie eine Stellungnahme des Landkreises zu Ludwigs Ausführungen.

Horst-Peter Ludwigs:

„Der Behauptung des Landkreises Celle, dass die Anwendung der Wohngeldtabelle plus 10 % rechtlich nicht zulässig ist, muss widersprochen werden, da der Landkreis Celle seit über 10 Jahren bewiesen hat, dass er nicht in der Lage ist, ein schlüssiges Konzept entsprechend der Vorgaben des Bundessozialgerichts zu erstellen.

Grundsätzlich ist es so, dass erst einmal der Landkreis ausgehend von Durchschnittsmieten in der Region teils selbst berechnen kann, was sie als „angemessene“ Kosten der Unterkunft festlegen. Dagegen spricht ja auch erst einmal nichts. Wenn dies jedoch wie nachweislich, dem Landkreis Celle seit Ewigkeiten nicht gelingt, ist bei rechtskonformer Auslegung und an diesem ist der Landkreis Celle zu messen, Kosten der Unterkunft als angemessene Kosten der Unterkunft nach dem Bundessozialgericht zu beurteilen. Dementsprechend wäre der Landkreis Celle politisch zu verpflichten, umgehend und sofort und auch für die Vergangenheit als angemessene Kosten der Unterkunft die Wohngeldtabelle plus 10 % heranzuziehen. Ansonsten spart man auf Kosten der Ärmsten und gewährt ihnen nur Leistungen unter dem soziokulturellen Existenzminimum.

Es ist erschreckend, dass vom Landkreis Celle auch noch gelogen wird. Dort wird gesagt, aktuell gibt es zudem keine Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz, die die Kosten der Unterkunft und damit das aktuelle, gerade fertiggestellte Wohnungsmarktgutachten angreifen. Der Beweis als Anlage, Beschluss Sozialgericht Lüneburg vom 09.05.2019 gegen den Landkreis Celle, vertreten durch den Landrat.

Dort lautet es in der Begründung „Den Fragen rund um die Erstellung schlüssiger Konzepte durch die Behörden bedürfen einer eingehenden und meist zeitintensiven Prüfung. Bei den in der Vergangenheit erstellten Mietwertkonzepten der Antragsgegnerin waren von Seiten des Landessozialgerichts (L 9 AS 510/13 und L 9 AS 1143/14) Mängel festgestellt worden, die zu deren Nichtanwendung und zur Heranziehung der Wohngeldtabelle zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von 10 % führten.“ Also Entscheidungen des Landessozialgerichts gegen den Landkreis Celle. Daraus ergibt sich, dass die Mietwerttabelle 2015 und auch die Aktualisierung der Mietwerttabelle, die bis zum 31.12.2018 vom Landkreis Celle angewendet wurde, in vollem Umfang als rechtswidrige Grundlage zur Beurteilung der angemessenen Kosten der Unterkunft zu bezeichnen ist.

Zur aktuellen Mietwerttabelle, die ab 01.01.2019 vom Landkreis Celle angewendet wird, äußert sich das Sozialgericht am 09.05.2019 wie folgt:

Bei Abwägung des Interesses der Antragstellerinnen an der Gewährung tatsächlicher Unterkunftskosten – hier weiteren 37 € monatlich – mit dem Interesse der Antragsgegnerin an einer rechtmäßigen und nur dem gesetzlichen Höchstmaß entsprechenden Leistungsgewährung überwiegt das Interesse der Antragstellerinnen. Der Umstand, welche Leistungen rechtmäßig zu gewähren sind, ist insoweit doppelt relevant. Vor dem Hintergrund der Sicherung der Wohnung der Antragstellerinnen ist zu Gunsten der Antragstellerinnen zu entscheiden.

Fazit: Das Sozialgericht Lüneburg hat mit dem Beschluss vom 09.05.2019 auch entschieden, dass sowohl die vom Landkreis Celle erstellten Mietwertkonzepte in der Vergangenheit rechtswidrig waren als auch dass das aktuelle Mietwertkonzept mit großer Wahrscheinlichkeit als rechtswidrig anzusehen ist.

Bei logischer Folge und Konsequenz aus diesem Beschluss müsste man annehmen, dass der Landkreis Celle, wenn er die Auffassung vertritt, dass sein Mietwertkonzept rechtskonform ist, den Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 09.05.2019 nicht akzeptiert, sondern im Hauptsacheverfahren seine Meinung prüfen lässt. Dies hat der Landkreis Celle jedoch vermieden, indem er den Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg in vollem Umfange für die Vergangenheit als auch für die Zukunft anerkannt hat. Da kann man doch nur zur Entscheidung kommen, dass der Landkreis Celle selbst festgestellt hat, dass seine Mietwerterhebung 2019 rechtswidrig ist und eine höher instanzliche Entscheidung, also eine weitere Klatsche, nicht eingehen will mit dem Hintergedanken, Hunderten wenn nicht Tausenden die ihnen zustehenden tatsächlichen Kosten der Unterkunft vorzuenthalten.

Zum Thema aktuell gibt es zudem keine weiteren Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz. Wie der Landkreis Celle behauptet, ist auch falsch es kann auf die öffentliche Sitzung des Sozialgerichts Lüneburg vom 12.02.2019 in der Sache S 27 AS 590/17 und S 27 AS 183/18 hingewiesen werden, das als Anlage beigefügt ist.

Dort lautet es im Hauptsacheverfahren „Der Beklagte erklärt sich bereit, für die Zeit vom 01.03.2017 bis 28.02.2018 Kosten der Unterkunft nach der Wohngeldtabelle plus 10 % den Klägern zu gewähren.“ Der o. g. Zeitraum kommt zustande, weil das der Klagezeitraum war und somit das Gericht auch nur über den Zeitraum vom 01.03.2017 bis 28.02.2018 zu entscheiden hatte.

Hier war ein Hauptsacheverfahren anhängig und der Beklagte hat es zu keiner Entscheidung des Gerichts kommen lassen, sondern auch hier durch Vergleich anerkannt, dass seine Mietwerttabellen rechtswidrig sind und somit Kosten der Unterkunft nach der Wohngeldtabelle plus 10 % anzuerkennen ist. Mit diesen unseriösen Taschenspielertricks wird vom Landkreis Celle eine rechtskonforme Gewährung der Kosten der Unterkunft den betroffenen Haushalten vorenthalten und sie müssen Monat für Monat von dem Geld, was für den Lebensunterhalt, die Lebensmittel, erforderlich ist, hungern, um diese Mittel für die vom Landkreis Celle rechtswidriger Weise nicht anerkannten Kosten der Unterkunft einbringen.

Übrigens ergibt sich aus der öffentlichen Sitzung des Sozialgerichts Lüneburg vom 12.02.2019 auch noch ein weiterer Aspekt. Dort hat der Beklagte wie folgt erklärt „Der Vertreter erklärt weiter, dass zurzeit mit dem Landkreis Celle Gespräche geführt werden, ob auch durch die Rechtsfortschreibung das neue Konzept möglicherweise keinen Bestand haben kann.“ An dieser Stelle wird vom Jobcenter im Landkreis Celle deutlich gemacht, dass die Mietwerterhebung 2019 als voraussichtlich nicht rechtskonform angesehen wird. Wenn dies schon so im Vorfeld ist, muss man sich die Frage stellen, warum vom Landkreis Celle eine voraussichtlich nicht rechtskonforme Mietwerterhebung überhaupt zum 01.01.2019 in Kraft gesetzt wurde.

Seit Jahren werden Sozialleistungsbezieher vom Landkreis Celle in Angst und Schrecken versetzt. Sie werden genötigt, ihr gewohntes Umfeld zu verlassen.
Die Folge für die Betroffenen sind Mietschulden, drohende Obdachlosigkeit, Wohnungsverlust oder sie hungern, damit die Kosten der Unterkunft weiterhin gesichert bleiben.

Es ist zu hoffen, dass viele Betroffene sich gegen die nunmehr schon jahrelange skandalöse Praxis des Landkreises Celle in Bezug auf die rechtswidrige Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft wehren.“

Dazu teilt der Landkreis mit:

„Der Beschluss S 32 SO 6/19, der von Herrn Ludwigs zitiert wird, betrifft ein abgeschlossenes einstweiliges Rechtsschutzverfahren. In dem Beschluss wird deutlich ausgeführt, dass der Ausgang des Verfahrens zum Zeitpunkt des Beschlusses nicht absehbar, also offen ist. Eine vom Gericht getätigte Abwägung in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren führt im Hauptsacheverfahren nicht zwangsläufig zu der gleichen Entscheidung. Es geht vielmehr darum, dass in einem solchen Verfahren der Dringlichkeit zu aller erst auf die überwiegenden Interessen der Antragsparteien geschaut wird. In Fällen der Sozialgerichtsbarkeit ist dies häufig der Leistungsberechtigte. Wie aus diesem zitierten Beschluss des Sozialgerichtes eine Tendenz abzulesen ist, dass auch die aktuelle Mietwerttabelle nicht rechtmäßig sein könnte, erschließt sich dem Landkreis Celle nicht. Im Übrigen ist dieses einstweilige Rechtsschutzverfahren auch nicht auf das aktuelle Wohnungsmarktgutachten gerichtet, sondern auf das alte bis zum 31.12.2018 geltende. Auch das andere von Herrn Ludwigs zitierte Urteil greift das vorangegangene Gutachten an. Die Aussage des Landkreises Celle ist also völlig korrekt, dass zur Zeit kein einstweiliges Rechtsschutzverfahren zum aktuellen Wohnungsmarktgutachten anhängig ist, denn mit dem Beschluss endet das einstweilige Rechtsschutzverfahren und wird gegebenenfalls in das Hauptsacheverfahren überführt.

Des Weiteren kann es sein, dass Verfahren im einstweiligen Rechtsschutzverfahren mit vielschichtigen Aspekten bzw. Antragspunkten nicht im Hauptsacheverfahren weiter verfolgt werden, wenn ein entscheidender und berechtigter Grund vorliegt, weswegen darauf verzichtet wird. Diese Gründe können sehr vielfältig sein und außerhalb der Kosten der Unterkunft liegen, beispielsweise in einer Behinderung, einer Schwangerschaft oder der Änderung der Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft. Es ist allerdings nicht zutreffend, dass der Landkreis Celle versucht Urteile zu umgehen, so dass es keine Entscheidung zum aktuellen oder vorangegangenen Wohnungsmarktgutachten gibt. Der Landkreis Celle würde ein obergerichtliches Urteil zu der Rechtswirksamkeit des schlüssigen Konzeptes begrüßen, allerdings ist dies aufgrund der vielfältigen Aspekte, auf die eine Klagebegründung gestützt werden kann, und der Länge der Klageverfahren kurzfristig nicht zu erlangen. Der Landkreis Celle wendet in seiner Praxis die geltenden Gesetze und Vorgaben der höchstrichterlichen Entscheidungen des Bundessozialgerichts an.

Es bleibt eine Tatsache, dass die letzten beiden Wohnungsmarktgutachten in der höheren Instanz des Landessozialgerichts nicht gescheitert sind. Eine politische Verpflichtung, die Wohngeldtabelle plus 10 Prozent für die Kosten der Unterkunft anzuwenden, findet keine Rechtsgrundlage.“

PR

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