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„Alle schweigen“ – Internationaler Diskurs über häusliche Gewalt während eines Online-Seminares des Ev.-luth. Missionswerkes in Niedersachsen (ELM)

HERMANNSBURG. Häusliche Gewalt ist ein zunehmend drängendes Problem nicht nur in Deutschland. Das erfährt Gabriele De Bona, Referentin für Gender International beim Ev.-luth. Missionswerk in Niedersachsen (ELM), auch aus den Partnerkirchen des Missionswerks. „Wir müssen darüber reden“, ist sie überzeugt. „Gegen häusliche Gewalt vorzugehen und aufzuklären, ist ein kirchlicher Auftrag.“ Mit Nachdruck setzt sie sich seit Jahren dafür ein, dass auch sensible Bereiche, die das Miteinander der Geschlechter betreffen, thematisiert werden. So auch in einem kürzlich stattgefundenen Onlineseminar zu den Ursachen und Folgen häuslicher Gewalt sowie deren Prävention.

Ein Beitrag von Susanne Zaulick:
Ein zerbrochenes Glas, ein umgeworfener Stuhl, ein Koffer mit wild zusammengesuchten Kleidungsstücken. „Betroffene, die Gewalt er-fahren haben, entdecken die kleinen Anzeichen. Das ist wie eine Spurensuche“, sagt Rogério Aguiar. Im Online-Seminar des Ev. Luth. Missionswerkes berichtet der Theologe der Stiftung Lutherische Dia-konie in Brasilien (FLD) über eine Wanderausstellung, die er organi-siert und die bereits an vielen Orten in Brasilien gezeigt wurde. Es geht um häusliche Gewalt. Und die gibt es in Südamerika, ebenso wie in Europa und anderswo auf der Welt. Das machten bei dem „ELMinar“ auch Pastorin Carmen M. Siegle, die ebenfalls in Brasilien arbeitet, und die Leiterin des Celler anonymen Frauenhauses, Anja Fischer, deutlich. Und sie zeigten Wege auf für Betroffene, aber auch für all Jene, die sich in „Privatangelegenheiten“ eigentlich nicht einmischen wollen.

„So traut ist das Heim gar nicht“, lautet das Motto der Ausstellung, über die geschulte Gastgeber in Brasilien mit Besuchern ins Gespräch kommen möchten über ein Thema, das in vielen Gesellschaften tot-geschwiegen und verdrängt wird. „Die Nachbarn halten sich raus. Man drückt beide Augen zu. Man sieht nicht hin“, weiß Rogério Aguiar. Nach dem Besuch der Ausstellung fangen Betroffene oft an zu reden. „Kinder berichten, dass sie sexuell missbraucht worden sind“, nennt er ein Beispiel. Häusliche Gewalt betrifft nicht nur Frauen. Auch Kinder, alte Menschen, Menschen mit Behinderung – und hin und wieder auch Männer können Opfer sein. Gespräche mit geschulten Ansprechpartnerinnen sollen die Betroffe-nen ermutigen, über ihre Erlebnisse zu sprechen, sich der Problematik bewusst zu werden und im letzten Schritt auch Anzeige zu erstat-ten. In Brasilien, berichtet Aguiar, könne das zum Beispiel die Kon-sequenz haben, dass der Täter zu einem Workshop „verdonnert wird, um seinen Macho-Wahn zu bearbeiten“.

Täterarbeitskurse seien in Deutschland noch sehr selten und wenn sie angeboten würden, sei die Bereitschaft seitens der Männer, sie anzunehmen, eher gering, berichtet Anja Fischer aus ihrer Arbeit als Leiterin des Frauenhauses Celle. Auch sie ist überzeugt, dass häusliche Gewalt begünstigt wird durch patriarchalisch geprägte gesell-schaftliche Machtverhältnisse. Den Begriff der Gewalt macht die So-zialpädagogin nicht nur an körperlicher Gewalt fest: Von Bedrohung, Erniedrigung, Nötigung oder Stalking bis hin zu Menschenhandel und Zwangsverheiratung reiche das Spektrum dessen, was – zumeist Frauen – im privaten Raum erfahren, bevor sie Hilfe suchen, zum Beispiel in einem Frauenhaus.

Die Einrichtung in Celle, deren Adresse nicht genannt wird („Es gibt Frauen, denen der Tod droht, wenn ihre Partner sie finden.“) verfügt über acht Betten in sechs Räumen. Gegebenenfalls werden Kinder mit aufgenommen. Die Frauen werden beraten und begleitet bei rechtlichen Schritten und beim Aufbau eines eigenständigen Lebens. Wie bei der kirchlichen Arbeit für Opfer häuslicher Gewalt in Brasili-en, steht auch in Deutschland hinter einer einzelnen Einrichtung ein breites Netzwerk. Anja Fischer nennt die Beratungs- und Interventionsstellen (BISS), die nach einem Polizeieinsatz wegen häuslicher Gewalt Kontakt zu den Opfern aufnimmt oder auch das Netzwerk „Pro Beweis“, dem Krankenhäuser angeschlossen sind, die nach ei-nem Übergriff Beweise, beispielsweise Verletzungen, dokumentieren und speichern.

Neben der direkten Hilfe für die Opfer sieht Anja Fischer die Öffent-lichkeitsarbeit als ihre Aufgabe an. „Wir wollen darüber sprechen, damit das Thema nicht länger ein Tabuthema ist.“ So wolle man zum Beispiel auch eine bessere Finanzierung der Frauenhäuser errei-chen, bei denen in Niedersachsen gerade der Geldhahn etwas zugedreht wurde.

„Darüber reden“ sieht auch Carmen M. Siegle als wichtigste Aufgabe an. Die Pastorin ist Koordinatorin für Gender, Generationen und Ethnien der Evangelischen Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien (IECLB). „Wir haben festgestellt, wenn nicht darüber gesprochen wird, dann schweigen die Frauen, die Nachbarn – alle schweigen. Keiner traut sich“. Damit auch Amtsträgerinnen der Kirche das Thema ansprechen können, zum Beispiel in ihren Predigten, müssten sie geschult werden. „Viele wissen gar nicht, was sie tun sollen und was sie den Frauen raten sollen“, sagt Siegle, die hier eine klare Aufgabe für die Kirchen sieht: „Wenn Kirche schweigt, trägt sie dazu bei, dass sich nichts ändert.“
Das ELMinar zu diesem Thema dürfte ein Baustein auf diesem Weg gewesen sein. Gut 20 Teilnehmer*innen aus Deutschland und Brasilien hat Organisatorin Gabriele De Bona am 25. November, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, mit dem ELMinar, comoderiert von Niels von Türk, Referent des ELM für Internationale Partnerschaften und übersetzt von Cristina Marten und Marten Hen-schel, erreicht.

PR

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