Samstag, 12. Oktober 2024

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Wegschauen keine Alternative

Am Samstag versammelten sich ca. 130 Demonstranten zu einer Kundgebung vor dem Bahnhof in Eschede. Der DGB und das Netzwerk Südheide gegen Rechtsextremismus hatten dazu aufgerufen. Nach einigen Reden zogen die Teilnehmenden im Anschluss wieder zum nahegelegenen NPD-Hof, um gegen Rechtsextremismus und den dort befindlichen Hof zu demonstrieren. Die Veranstaltung verlief friedlich.

Das Wetter war kalt, aber sonnig. Warm gekleidet und gut gerüstet, versammelten sich zunächst um 13 Uhr die Teilnehmenden vor dem Bahnhof in Eschede. Moderator und Anmelder Dirk Garvels, DGB-Region Nord-Ost-Niedersachsen, begrüßte alle Anwesenden und unterstrich die Wichtigkeit dieser Kundgebungen und Demonstrationen.

Bürgermeister Heinrich Lange beleuchte zunächst das örtliche Bündnis gegen Rechtsextremismus bei dem er selbst auch Mitglied ist. Der Demonstration des DGB und des Netzwerks Südheide gegen Rechtsextremismus schließe man sich gern an, obwohl das örtliche Bündnis auch im Ort eigene Aktionen durchführt. Lange verwies auf die Events der „Starken Stimme“, des „Bürgerfrühstücks“ und der kürzlich mit 350 Teilnehmenden durchgeführten „lebendigen Lichterkette“. Aktionen für Frieden, Freiheit und Demokratie. Der Bürgermeister ist sich sicher, dass die Menschen im Ort ihren Protest zeigen wollen, denn Eschede ist bunt und nicht braun, unterstrich Lange.

Wilfried Manneke, Netzwerk Südheide gegen Rechtsextremismus, blickte zurück und zeigte im Zeitraffer auf, was man bisher zusammen erreicht habe. Manneke ist sich dabei sicher, dass Wegschauen das falsche Signal ist, schließlich verfestige sich die Szene hier über die Jahre im Ort. Dabei erinnerte er auch an größere Treffen auf dem Hof mit 300 Neonazis und gar 600 Rechtsrockern. Diese größeren Zusammenkünfte dürften der Vergangenheit angehören, schließlich habe es Landverkäufe am Hof gegeben und das Grundstück biete nur noch Platz für circa 100 Teilnehmer. Dieser Teilerfolg trügt, so Manneke, schließlich finden nach wie vor Treffen dort statt, und auch die Landesparteitage werden dort durchgeführt. Manneke appelliert, dass es im Ort Eschede über die Zeit mit der NPD am Ortsrand immer schlimmer werde. Politik und Behörden seien gefordert. Doch auch die erfolgreiche Petition mit über 40.000 Unterschriften verpuffte. „Wir sind keinen Schritt weitergekommen“, zeigt sich Manneke resigniert, da schließlich auch der Innenminister nichts machen könne. Dennoch müsse der Protest nun weitergehen, denn schließlich sei wegschauen keine Alternative.  

Julia Willie Hamburg, Kultusministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin, betonte in ihrer Rede, dass die Landesregierung hinter den Demonstranten und den Bündnissen stehe. Sie sieht, dass in Eschede in der Konstellation „dicke Bretter“ gebohrt wurden und gebohrt werden müssen. Es dürfe für Rechtsextreme aber kein ruhiges Hinterland geben, meint Hamburg. Alle Anfänge müsse man abwehren und vorhandene Strukturen brechen, ist die Kultusministerin bezogen auf den NPD Hof überzeugt. Hamburg lobt den zivilgesellschaftlichen Zusammenhalt und auch den Protest bei Wind und Wetter. Sie sieht den Wissenstransfer zwischen den einzelnen Bündnissen gegen Rechts als elementar wichtig an und würde es positiv sehen, wenn solche Strukturen ausgebaut werden, um besser dem Thema Rechts entgegenzuwirken. Julia Willie Hamburg berichtete den Teilnehmenden noch von dem abermaligen Bestreben die NPD zu verbieten und schließt mit der Agenda „rechtsextreme Strukturen zerstören“ zu wollen.

Nachdem die Kundgebung am Bahnhof beendet wurde und sich die Teilnehmenden durch die Unterführung auf die andere Gleisseite begaben, kam es dort zu einer irritierenden Szene. Man wartete noch auf die letzten Nachzügler, da fiel einigen an der Spitze auf, dass ein ganz besonderer Fotograf nun anwesend war und eifrig Fotos von ihnen schoss. Es handelte sich beim Fotografen um das NPD Mitglied Michael Müller, der mit einem Presseausweis ausgestattet von den Demonstranten geduldet werden musste. Um weitere Provokationen beider Seiten entgegenzuwirken, stand Müller unter besonderem Polizeischutz, was die Demonstranten fragwürdig fanden. Schließlich waren Begegnungen mit Michael Müller aus früheren Protesten bestens bekannt. Dort war Müller aber stets auf dem NPD Hof und fotografierte über den dort befindlichen Zaun die Menge. Nunmehr standen sich Müller und die Demonstranten irritierend nah beieinander. Es folgten zwar verbale Beschwerden der Demonstranten, offizielle Beschwerden der Leitung bei der Polizei und der Versuch, mit Fahren und Bannern das Fotografieren Müllers zu erschweren, aber eine befürchtete direkte und aufgeladene Konfrontation blieb aus.

In dieser befremdlichen Konstellation bewegte sich nun der Demonstrationszug zur nächsten Zwischenkundgebung „Am Schweinestall“. Die Versammlung musste sich neu organisieren und aufstellen, da der von den Demonstranten unerwünschte Begleiter noch immer anwesend war. Mit einer geschlossenen Bannerreihe versuchte die Menge, eine bunte Wand zu bilden, um dem weiteren Redner einen würdigen Rahmen zu bieten.

Dr. Stephan Schaede, Regionalbischof für den Sprengel Lüneburg der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, richtete zunächst Grüße vom Landesbischof Ralf Meister und Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ aus. Schaede sagte, dass Protest auch Gesichter brauche, diese er hier sieht, denn alle Anwesenden seien Türöffner für den zusammenstehenden Ort. Der Regionalbischof positioniert sich klar gegen Rechtsextremismus und die Ignoranz. Wer sich dagegen stellt, habe seine Unterstützung. Dr. Stephan Schaede betont, dass jeder Mensch einzigartig sei und „Toleranz“ sei der Herzschlag.

Der weitere Verlauf der Demonstration führte nun direkt zum NPD Hof, der etwas abseits des Ortes gelegen ist, ohne weitere Vorkommnisse. Direkt vor dem Hof kam es in den vergangenen Jahren oftmals zu Provokationen und Wortgefechten, doch nicht in diesem Jahr. Die Teilnehmenden zeigten sich mit Banner und Fahnen, vereinzelt kam es zu Ausrufen, aber zügig und friedlich gingen alle am Hof vorbei zur abschließenden Kundgebung.

Jürgen Uebel, „Bad Nenndorf ist bunt – Bündnis gegen Rechtsextremismus e.V.“, beklagte, dass oftmals  das Thema NPD Hof heruntergespielt wird: „die paar Hansel auf dem Hof“. Uebel verweist aber darauf, dass mangelnder Widerstand von der NPD als Zuspruch verstanden werde. Er dankte daher den vielen Anwesenden für die Kraft und das Engagement. Die Solidarität ist bei der den Mitstreitern der Liebe zur Demokratie besonders wichtig. Uebel verwies auf die fortgeschrittenen Baumaßnahmen auf dem Hof. Er erinnerte, dass es sich hier um ein „Leuchtturmprojekt“ der NPD handele – ein „Kampfgemeinschaftszentrum“. Die „Umbenennungsbestrebungen“ der NPD in „Die Heimat“ hatte auf dem letzten Parteitag zu Streitigkeiten geführt und hatte beinahe zur Abspaltung der Jugendbewegung JN geführt, beleuchtet Jürgen Uebel, doch ist sich sicher, dass die Umbenennung sicherlich dennoch bald Einzug hält. Seine Einbringung über die desolate finanzielle Situation der Partei wies Michal Müller zurück. Der Bau schreite kontinuierlich voran und werde bald abgeschlossen sein, so Müller. Mehrere Gebäude, Spenden, Erbschaften und Veräußerungen hatten zuletzt die Parteikasse anschwellen lassen.

Die Entwicklung auf dem zunächst unscheinbar verlassen aussehenden Hof wird von den meisten Demonstranten mit Sorge betrachtet. Parteitage, Schulungen oder Sonnenwendfeuern, die fortschreitende Erschließung und Entwicklung auf dem Hof mache vielen Angst und die Bündnisse setzen vermehrt auf die Unterstützung aus der Bevölkerung und den Behörden.

Redaktion
Celler Presse

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