Zum Inhalt springen
Anzeige
Anzeige

Organistin Lisa Michaelis feiert Jubiläum in der Paulusgemeinde: „Da ist noch viel Luft nach oben“

  • Celle

CELLE. Seit 25 Jahren arbeitet Lisa Michaelis für die Celler Paulusgemeinde, für ihre Kunst erfährt sie viel Anerkennung. Ein Gespräch über das Leben in der Herzogstadt, die Faszination klassischer Musik und ein ganz besonderes Instrument. Das Interview führte Alex Raack.

Lisa Michaelis, wann saßen Sie das erste Mal an einer Orgel?

Lisa Michaelis: Ich bin 1964 in einem kleinen katholischen Dorf in der Nähe von Gütersloh geboren worden, als Kind bekam ich zunächst Klavierunterricht und als der örtliche Organist eine Kur bewilligt bekam, setzte er kurzerhand mich als seine Stellvertreterin ein – als ich meinen ersten Gottesdienst begleitet habe, war ich 12.

Welche Verbindung empfanden Sie zu diesem Instrument?

Für ein so kleines Dorf hatten wir eine ziemlich große Kirche. Und für die bekam ich einen eigenen Schlüssel in die Hand gedrückt, damit ich jederzeit üben konnte. Diesen Vertrauensvorschuss und die Möglichkeit, so viel Platz und Raum für meine kreative Entwicklung zu haben, fand ich wahnsinnig toll. Die Orgel an sich ist ein faszinierendes Instrument. Sehr groß, sehr massiv – und auf eine ganz andere Art anspruchsvoll als ein Klavier. Schon allein deshalb, weil sich durch die Fußpedale eine ganz andere Dimension ergibt.

Wie sind Sie schließlich in Celle gelandet?

Nach dem Abitur bewarb ich mich zunächst erfolgreich auf eine Lehrstelle als Bankkauffrau. Doch statt diese vermeintlich sichere Ausbildung anzutreten, begann ich ein Kirchenmusik-Studium an der Musikhochschule in Detmold. Ich lernte meinen Mann kennen – ebenfalls ein Kirchenmusiker – wir bekamen zwei Kinder und zogen nach Süddeutschland, weil ihm dort eine Stelle angeboten wurde. 1993 erhielt er die Chance, als Kantor in der Stadtkirche zu arbeiten. Und so kamen wir nach Celle.

Ihr erster Eindruck?

Ich war überrascht davon, wie wichtig den Cellern die Bewahrung ihrer kirchenmusikalischen Traditionen war. Ich lernte Menschen kennen, die mir stolz davon berichteten, seit 50 Jahren im Chor zu singen. So etwas kannte ich aus meiner Heimat nicht. Schon vor dem Umzug nach Niedersachsen bekam ich einen Anruf aus der Pauluskirche: „Wir brauchen dringend eine Organistin.“ Ich zögerte zunächst, übernahm dann aber schon bald erste Vertretungen. Und seitdem bin ich der Paulusgemeinde eng verbunden. Vor 25 Jahren übernahm ich schließlich die Organistenstelle.

Welche Möglichkeiten ergaben sich für Sie vor Ort?

Die Pauluskirche ist eine relativ moderne Kirche, hier steht die Orgel für jeden sichtbar vorne und nicht wie oft üblich auf einer Empore weit weg von der Gemeinde. Als sich mein Mann und ich trennten, blieb ich in Celle und lernte die Stadt und ihre Menschen immer mehr kennen und schätzen. Ich lebe immer noch sehr gerne hier.

Was macht die Stadt so lebenswert?

Mir gefällt der Menschenschlag. Und dass die kulturelle Dichte für eine vergleichsweise kleine Stadt sehr hoch ist. Die Identifikation der Celler mit der lokalen Geschichte, der Musik und der Kunst ist sehr ausgeprägt. Die Stadt vermittelt einem ein besonderes Heimatgefühl. Ich erlebe das bei meinen beiden Söhnen. Die wollten nach dem Abi so schnell wie möglich weg, jetzt sind sie über 30 und schätzen Celle plötzlich wieder viel mehr.

Pastorin Ilka Greunig hat im Vorgespräch mehrfach erwähnt, wie dankbar die Gemeinde sei, eine solche „A-Musikerin“ in der Pauluskirche zu haben. Warum hat es Sie nie woanders hingezogen?

Mit meiner Qualifikation hätte ich mich durchaus auf andere hauptberufliche Stellen bewerben können, aber zunächst wollte ich meinen Kindern einen weiteren Umzug ersparen und später gab es für mich keinen Grund mehr, wegzuziehen. Ich gebe Unterricht, habe Freiraum für eigene kreative Projekte und eine Gemeinde, in der ich mich sehr wohl fühle.

Sie haben die eigenen Projekte angesprochen. Worum geht es da konkret?

Ich habe mehrere Kammermusikformationen mit unterschiedlichen Instrumentalisten, in der ich selbst das Cembalo spiele, ein Kaffeehausmusikensemble, werde auf Hochzeiten oder anderen Veranstaltungen gebucht und habe gemeinsam mit Pastorin Greunig zahlreiche Krippenspielprojekte auf die Beine gestellt. Sie schreibt die Texte, ich komponiere die Lieder. Da ist inzwischen auch einiges veröffentlicht worden. 

Wie sehr sind Sie von der Corona-Krise betroffen?

Hochzeiten oder Fest sind natürlich alle ausgefallen, dafür geht die Arbeit in der Paulusgemeinde weiter und auch der Unterricht mit den Schüler*innen. Die Pandemie hat uns gezeigt, dass Kreativität gefragt ist – viel Herzblut investiere ich unter anderem in neue Improvisationsformate, zum Beispiel das Format #einklang mit Kirchenkreiskantorin Katrin Hauschildt.

Was passiert in den nächsten 25 Jahren?

(Lacht.) Vermutlich irgendwann der Ruhestand. Wobei ich sicherlich bis an mein Lebensende Musik machen werde, das ist sonnenklar. Ich würde gerne meinen Teil dazu beitragen, dass die Orgel in ihrer Vielschichtigkeit noch mehr in den Fokus der Öffentlichkeit kommt. Da ist noch Luft nach oben. 2021 ist sie „Instrument des Jahres“, ich hoffe, das gibt diesem wunderbaren Instrument einen Push nach vorne. Gleichzeitig möchte ich weiter meine Liebe zur klassischen Musik teilen. Mir ist bewusst, dass sie bei vielen oft als sehr angestaubt gilt, aber wer sich mit ihr beschäftigt, wird feststellen, wie tiefgründig sie ist, wie viel tatsächlich in ihr steckt. Sie können Bach 100-mal spielen, und sie werden immer etwas Neues finden. Wie die Orgel, muss auch die klassische Musik gefördert werden, sonst hat sie einen noch schwereren Stand. Das ist ein großes deutsches musikalisches Erbe, für das wir Verantwortung tragen. Im Ausland beneidet man uns dafür. Gehen Sie mal in eine Kirche in Frankreich, da fallen Sie vom Glauben ab, wie schlecht der Zustand da manchmal ist.

Ihr Zwischenfazit nach 25 Jahren in Celle?

Als ehemalige Katholikin – und inzwischen konvertiert – finde ich, dass die evangelische Kirche der Musik mehr Freiraum ermöglicht, die kreative Zusammenarbeit ist wirklich toll. Ich fühle mich mit meiner Arbeit ernst genommen. Und das ist mir sehr wertvoll.

Gibt es ein persönliches Ziel, dass Sie sich für die nächsten Jahre vorgenommen haben?

Ich würde gerne mein Akkordeonspiel verbessern! Auch da ist noch viel Luft nach oben…

Alex Raack
Foto: Alex Raack

Hinweis zu der Meldung
Diese Seite zeigt gesponsorten Marketing-Inhalt, Quell- und Informationslinks sowie extern eingespielte Banner und Flash-Anzeigen.



Anzeige