Sonntag, 3. November 2024

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„Gut, dass Ihr die Rechten nicht machen lasst!“ – Protest gegen NPD-Hof und AfD

Wer in der jüngeren Vergangenheit häufiger aktiv oder beobachtend an den Demonstrationen gegen den Escheder NPD-Hof teilgenommen hat, erkennt das stetig Wiederkehrende – dieselben Gesichter, sich ähnelnde Redeinhalte und Abläufe, Variationen gab es immer. Doch heute war etwas anders. Nicht die Veranstalter, die Teilnehmer oder Inhalte haben sich verändert. Es ist der äußere Rahmen, der einen Unterschied macht. Nie waren die Umfragewerte der AfD so hoch, nie war die „Diskurs-Verschiebung nach rechts“, wie es einer der beiden Hauptredner, der Bundestagsabgeordnete der SPD Dirk-Ulrich Mende (MdB), nannte, so groß.

Der Protest gegen die Wintersonnenwendfeier auf dem ehemaligen Hof-Nahtz fand vor einem gesellschaftlich-politischen Hintergrund statt, der in den vergangenen Monaten Konturen angenommen hat, die sich so noch nie im Deutschland der Nachkriegszeit abgezeichnet haben. Und so schlugen sowohl Dirk-Ulrich Mende als auch der zweite Referent, der grüne Kreisvorsitzende Bernd Zobel, in ihren Ansprachen den Bogen von den Gefahren, die von rechtsextremen Umtrieben auf dem früheren Aussiedlerhof ausgehen, zu der Bedrohung, die die AfD für unsere demokratischen Werte darstellt. „Die AfD hat den Wunsch, dass alles von oben geregelt wird“, nicht selten auch mal mühsame Debatten, Problemanalysen und Abwägungen, um Lösungen zu finden, lehne sie ab. „Wir müssen deutlich Farbe bekennen“, betonte Mende vor mehr als 100 Teilnehmern und wies darauf hin, dass Aktionen wie die traditionellen Anti-NPD-Demos in Eschede auch international registriert würden. Noch heute Morgen hätte er eine Mail aus Israel erhalten: „Gut, dass Ihr die Rechten nicht machen lasst!“

Das langjährige Celler Ratsmitglied Bernd Zobel ging zunächst auf die Historie rechter regionaler Umtriebe der jüngeren Geschichte ein – die Wehrsportgruppe um den Berger Arzt Jürgens, Hetendorf 13 um den bekannten Nazi Rieger. Es gibt sie nicht mehr. Ein breit aufgestellter Protest verschiedener zivilgesellschaftlicher Gruppen hatte Erfolg. „Die Lehre: Kämpfen lohnt sich!“, skandierte Zobel, bevor er auf das düsterste Kapitel der deutschen Geschichte zu sprechen kam, indem er ein im Jahr 1931 geschriebenes Gedicht von Kurt Tucholsky vortrug, das, als Mahnung verstanden, aktueller erscheint denn je. In „Rosen auf den Weg gestreut“ rechnet der Schriftsteller mit einer Gesellschaft ab, die es nicht geschafft hat, sich klar gegen den Faschismus zu positionieren. „Und schießen sie – Du lieber Himmel, schätzt Ihr das Leben so hoch ein? Das ist ein Pazifisten-Fimmel! Wer möchte nicht gern Opfer sein?“, lauten einige Verse. „Wir stehen gegen alle rechten Bewegungen und Gruppierungen auf“, sagte Zobel und hatte gleich ein Beispiel parat: Am kommenden Montag, 18.12., findet um 17 Uhr eine Gegenveranstaltung zum „Bürgerdialog der AfD“ in der Celler Congress Union statt.

Beide Hauptreferenten warnten davor, rechtsextreme Parteien kleinzureden und ihr Tun zu beschönigen. Der Grünen-Politiker zitierte den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Stephan Weil, der im September in Eschede war, mit den Worten: „Der neonazistische Hof Nahtz erfordert von uns einen langen Atem“, und ergänzte: „Diesen langen Atem haben wir!“ Auch Dirk-Ulrich Mende warf einen Blick in die Zukunft: „Ich hoffe, dass wir uns hier irgendwann ein letztes Mal sehen, weil der Hof nicht mehr besetzt ist.“

Nachfolgend die Rede von Marlies Petersen, Sprecherin des Bündnisses gegen Rechtsextremismus in Eschede:

Liebe Demokratinnen und Demokraten,
ich heiße Marlies Petersen, ich bin Sprecherin des Bündnisses gegen Rechtsextremismus in Eschede und freue mich darüber, dass sie alle unseren gemeinsamen Kampf gegen die Nazis auf dem Hof, hier im Wald, unterstützen! Vielen Dank! Wir hier für Demokratie und Menschenrechte zusammen stehen. Zur Situation auf dem Hof und unsere Motivation hier zu stehen, muss ich nichts weitersagen, da gehen wir dakor mit unseren Vorredner*innen. Ich kann die Worte nur unterstreichen.
Unser Bündnis setzt sich zum Ziel aufzuklären über Szene auf dem Hof und Rechtsextremismus und Fassungsfeinde, die uns umgeben. Unser Bündnis wird sehr breit getragen. Wir haben 67 Mitglieder. Über Unterstützung freuen wir uns immer. Zu unserem Bündnis gehören, außer AFD, NPD und andere Rechtsextreme, Menschen aus allen Parteien und Gesellschaftsschichten.
Wir besuchen den Hof immer wieder im Rahmen von kleinen angemeldeten Spaziergängen, um dort nach den Rechten zu sehen. Dazu setzen wir Symbole. In diesem Jahr waren wir 10 mal am Hof. Diese kleinen Demonstrationen werden von uns spontan angemeldet und die Daten geben in unsere Verteiler. Leider haben wir es nur einmal haben geschafft, dann da zu sein, wenn die Rechten anreisten. Das war am 22. Juni 23. Wir waren 12 Menschen und die anreisenden Nazis fuhren auf diesem Weg an uns vorbei.
Ein weiteres mal haben Wir symbolisch einen bunten Stein an den Weg gelegt, als Symbol für Vielfalt. Der Stein wurde bei einem Dorffest von den Besucher*innen vorher gestaltet. Dieser ist leider von den Rechten entfernt worden.

1999 wurde bei uns in Eschede Peter Deutschmann von rechten Skinhaeds aus unserem Dorf erschlagen. Er starb am 10.8.1999. Das gedenken wir jedes Jahr. Wir haben deshalb als Bündnis vor, den 25. Todestag zum Anlass zu nehmen, auf die Opfer rechter Gewalt aufmerksam zu machen. Als Stein des Anstosses hat ein Steinmetz aus Eschede mit uns zusammen diesen Stein gemeiselt und verankert. Der Stein wird manchen Anwesenden aufstoßen, weil darauf steht: 113 Todesopfer rechter Gewalt von 1990 bis 2020 lt. Dt. Verf. Schutz. Für uns im Bündnis gilt aber die Zählung der Amadeus Antonio-Stiftung. Diese sagt, dass es 214 Todesopfer in diesem Zeitraum waren. Warum, steht das dann nicht drauf? Der Verfassungsschutz ist die Zahl, die von niemanden rechtlich noch nach unten negiert werden kann. Auch unser Escheder Opfer, Peter Deutschmann, wurde anfangs nicht gezählt.
Diese Zahl bedeutet, kein Nazi kann kommen und dagegen klagen. Sie können unseren Stein, der auf öffentlichen Grund liegt, niemals gerichtlich anzweifeln lassen und kein Gericht kann ihn deshalb entfernen lassen. Er wurde hier befestigt und ist in Sichtweite des Briefkastens des NPD-Hofes. Jeder Postbote, der hier etwas einwirft, soll wissen, für wen die Post ist und für wie gefährlich auch unser konservative Staat, die Bewohner des NPD Hofes einschätzt. Sie selbst werden bei jedem herausholen der Post an diese Toten erinnert und an uns. Wir beobachten Sie. Das ist unsere Intention.
Der Diskurs ist hier: Wieviele Opfer gibt es? Welche Opfer werden benannt. Ist das Opfer das überlebt, in welcher Form auch immer, nicht so wichtig?
Der Stein des Anstosses soll uns in die Diskussion bringen, wie wir darauf reagieren wollen. Hier steht das Minimum.
Wir planen zusammen mit dem Netzwerk Südheide und dem Forum gegen Gewalt und Rechtsextremismus weitere Aktionen. Mindestens werden wir ein Gedenken setzen, mit den Todesopfern rechter Gewalt mit der Zahl 214 lt. Amadeus Antonio Stiftung von 1990 – 2020. Wo wir diesen aufstellen, ist offen. Offen ist auch, welchen Text wir verwenden. Und ob es ein Stein ist, ist auch offen.
Erinnern möchten wir, dass nach wie vor der schlimmste Terroranschlag in Deutschland mit einer Explosion auf dem Pktberfest 1980 war .Es wurden 13 Personen getötet und 221 verletzt, 68 davon schwer.
Mancher denkt, der islamistische Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz 2016 in Berlin hatte auch viele Tote. Richtig. 13 Opfer starbe beim Attentat und mindestens 67 weitere Besucher des Marktes wurden zum Teil schwer verletzt.

Wir werden in 2024 Informationsveranstaltungen planen, die auf die Opfer und Täter aufmerksam machen.
Jeder der es möchte, kann uns dazu Gedanken senden, die in unsere Diskussion einfließen werden. .

Ich wünsche im Namen des Bündnisses aus Eschede friedlichere Weihnachten und für 2024 wünsche ich uns allen Friedenswillen und das wir darauf achten, dass die Rechte aller Menschen bewahren.

Anke Schlicht
Redaktion Celler Presse
Fotos: Anke Schlicht und Celler-Presse.de

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