Freitag, 18. Juli 2025

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Zwischen Normen und Nachbarn: Wer darf eigentlich Strom auf dem Balkon erzeugen?

Kaum sichtbar lehnt das Solarmodul am Balkongeländer, angeschlossen an eine gewöhnliche Steckdose. Keine lauten Umbauten, keine Baugenehmigung, keine großen Eingriffe – und trotzdem ein Politikum. Balkonkraftwerke, auch Mini-PV-Anlagen genannt, boomen. Sie stehen für die Idee, Strom dezentral, bezahlbar und im Kleinen zu erzeugen. Was in der Theorie einfach klingt, stößt in der Praxis jedoch schnell auf Grenzen – rechtlicher, technischer und zwischenmenschlicher Art.

In vielen Städten Deutschlands wächst das Interesse an dieser Art der privaten Energiegewinnung. Gründe dafür gibt es genug: steigende Strompreise, der Wunsch nach Unabhängigkeit und das gute Gefühl, wenigstens einen kleinen Beitrag zur Energiewende zu leisten. Informationen zu technischen Details und Angeboten gibt es mittlerweile zuhauf – etwa im Artikel Alles über das Balkonkraftwerk.

Aber darf das eigentlich jeder? Und was passiert, wenn der Nachbar sich gestört fühlt – oder der Vermieter nicht mitspielt?

Kleine Anlage, große Fragezeichen

Rein technisch betrachtet, sind Balkonkraftwerke mittlerweile erstaunlich ausgereift. Die Module leisten bis zu 800 Watt (die Grenze liegt aktuell bei 600 Watt, eine Anhebung ist jedoch im Gespräch), können am Geländer montiert oder aufgestellt werden und speisen den erzeugten Strom direkt in das eigene Hausnetz ein. Der Clou: Die Geräte sind auf „plug and play“ ausgelegt, also einfach anschließen und los.

Doch so simpel die Installation scheint, so komplex sind die Regeln drumherum. Die Anlagen müssen beim Netzbetreiber gemeldet und ins Marktstammdatenregister eingetragen werden. Das klingt nach unnötiger Bürokratie, ist aber verpflichtend – und wird mitunter streng kontrolliert. Wer hier nicht korrekt vorgeht, riskiert im schlimmsten Fall Bußgelder.

Mieterrecht, Eigentum und die berühmte Zustimmung

Entscheidend ist auch die Wohnsituation. Eigentümerinnen und Eigentümer haben deutlich mehr Spielraum als Mieter – zumindest auf den ersten Blick. Wer in einer Wohnung lebt, die Teil einer Eigentümergemeinschaft ist, muss trotzdem mitsprechen lassen: bauliche Veränderungen an der Außenfassade – und dazu zählt ein Solarmodul am Balkon – bedürfen oft der Zustimmung der Gemeinschaft.

Mieter stehen vor ähnlichen Hürden. Zwar dürfen sie ihre Wohnung grundsätzlich im Rahmen des Mietrechts nutzen, aber sobald es um Eingriffe in die Bausubstanz geht (z. B. Bohrungen am Balkon), braucht es das „Okay“ des Vermieters. Viele Vermieter reagieren mittlerweile offener, doch es gibt keine Verpflichtung zur Zustimmung. Und selbst bei Genehmigung bleibt oft das Restrisiko: Wer haftet bei Schäden? Wie sieht es mit der Versicherung aus?

Der Nachbar als Stolperstein

Ein weiterer kritischer Punkt: das nachbarschaftliche Verhältnis. In dicht besiedelten Gebieten können PV-Module durchaus Streit auslösen – sei es wegen Blendungen, optischer Veränderung des Hauses oder schlichtweg ideologischer Differenzen. Zwar gibt es derzeit keine expliziten gesetzlichen Regelungen, die Solaranlagen am Balkon verbieten würden, aber es gibt auch keine Rechtssicherheit, die jeden Konflikt ausschließt.

Gerichte urteilen bislang uneinheitlich. In einem Fall aus Nordrhein-Westfalen wurde einem Mieter untersagt, eine Solaranlage am Geländer zu betreiben, weil diese die Optik des Hauses zu stark verändere. In einem anderen Fall entschied ein Gericht zugunsten des Mieters – mit Verweis auf das wachsende gesellschaftliche Interesse an nachhaltiger Energiegewinnung. Die juristische Lage bleibt also volatil.

Steckdose allein genügt nicht

Abgesehen von rechtlichen Aspekten gibt es auch technische Stolpersteine. Die oft beworbene „einfache Steckdosenlösung“ setzt voraus, dass die Hausinstallation den Normen entspricht – konkret der VDE-Norm 0100-551-1. Viele Altbauten erfüllen diese Vorgaben nicht. In solchen Fällen wird eine spezielle Energiesteckdose oder der Anschluss durch eine Elektrofachkraft notwendig.

Hinzu kommt: Auch wenn ein Balkonkraftwerk tagsüber Strom erzeugt, heißt das nicht automatisch, dass dieser auch vollständig genutzt wird. Überschüsse werden ins Netz eingespeist – ohne Vergütung. Eine Speicherung, etwa durch Akkus, ist derzeit noch die Ausnahme. Wer realistisch plant, sollte also den Stromverbrauch tagsüber entsprechend anpassen – oder mit niedriger Eigenverbrauchsquote rechnen.

Energie im Eigenbau – aber nicht im rechtsfreien Raum

Was bleibt also vom Traum der privaten Stromerzeugung in der Stadt? Ein Stück Selbstbestimmung, ja. Aber auch ein Feld voller Grauzonen. Die rechtlichen Grundlagen sind vorhanden, aber oft unübersichtlich. Die Technik ist marktreif, aber nicht immer kompatibel mit bestehenden Strukturen. Und die gesellschaftliche Akzeptanz? Im Wandel – aber noch nicht frei von Reibung.

Ein Wandel hin zu mehr Unterstützung durch Politik und Verwaltung ist absehbar. In einigen Bundesländern werden Genehmigungsverfahren bereits vereinfacht, Förderprogramme erprobt. Doch solange nicht klar ist, wie weit das individuelle Recht auf Selbstversorgung reicht – und wo es mit Eigentum, Miete und Nachbarschaft kollidiert – bleibt das Balkonkraftwerk ein Symbol. Für Fortschritt, Eigeninitiative – und für all die Fragen, die eine Gesellschaft beantworten muss, wenn sie sich wandelt.

Foto: ChatGPT

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