Donnerstag, 17. Juli 2025

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Nach aufgeheizter Debatte – Celle schließt sich der „Trierer Erklärung“ an

Mit Ausnahme der AfD votierte der Celler Stadtrat in seiner gestrigen Sitzung parteiübergreifend dafür, sich der „Trierer Erklärung“ (siehe unten) des Deutschen Städtetages vom 8.1.2024 anzuschließen. Diese wurde aufgrund des von „Correctiv“ vor einigen Wochen aufgedeckten Geheimtreffens in Potsdam zwischen Vertretern extrem rechter Kreise, darunter AfD-Mitgliedern, verabschiedet. „Wir nehmen es nicht hin, dass rechtsextreme Kräfte eine Atmosphäre der Verunsicherung, der Angst und des Hasses in unserem Land und in unseren Städten schüren“, heißt es beispielsweise in der Erklärung anlässlich der in einer Potsdamer Villa verlautbarten Phantasien, deutsche Bürger zu „remigrieren“.

Die Celler SPD-Fraktion hatte den entsprechenden Antrag eingebracht unter Verweis auf die „große Demonstration am 20.1.2024“ in Celle, in der die Stadtgesellschaft deutlich gemacht habe, dass sie ein unmissverständliches klares Zeichen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus setzen möchte. „Aus Sicht der SPD-Fraktion müssen nun die Zielsetzungen der Demonstration weiter mit Leben gefüllt werden und in die tägliche politische und gesellschaftspolitische Arbeit einfließen. Das Verabschieden der Trierer Erklärung für Celle unterstreicht die Ziele“, heißt es in dem Antrag der Genossen, dessen Fraktionsvorsitzender Patrick Brammer in der Ratssitzung als erster das Wort ergriff, um sehr drastische Zitate bundesweit aktiver AfD-Mitglieder vorzutragen, allen voran Björn Höcke. An die drei Abgeordneten der AfD im Celler Rat gewandt, führte er aus: „Ich sage nicht, dass Sie Faschisten sind, sondern dass sie diesen eine Plattform bieten.“ Noch bevor sich die AfD-Fraktion mit ihrem Statement zu Wort melden konnte, schickte Brammer eine Bewertung bereits vorweg: „Wir werden einen Beitrag hören, in dem die Opferrolle eingenommen wird.“

Anatoli Trenkenschu (AfD) konnte selbst als geübter Redner nicht verbergen, dass ihn Brammers Auftaktrede emotional berührt hatte: „In sieben Jahren Ratsarbeit haben wir keinen Anlass gegeben, uns so zu behandeln“, sagte er mit einer Stimme, die weniger klar artikulierte als von ihm gewohnt. Die Trierer Erklärung bezeichnete er als „populistisch, überflüssig und vom eigentlichen Problem in diesem Land, z.B. Altersarmut und Wohnungsnot, ablenkend.“ Eine düstere Beschreibung der deutschen Lebensverhältnisse folgte.

„Sie haben sich mit dem Kern der Trierer Erklärung nicht auseinandergesetzt“, entgegnete Bernd Zobel (Grüne). „Sie schüren eine Atmosphäre der Angst. Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dann war es die Rede von Anatoli Trenkenschu.“ Diesen sprach Stephan Ohl (Grüne) direkt an: „Sie sind emotional, ich auch. Herr Trenkenschu, Sie hatten eine Chance, sich zu distanzieren von Menschen wie Björn Höcke & Co. in Ihren Reihen, diese haben Sie nicht genutzt, das ist sehr schade.“ Behiye Uca (Die Linke) verließ indes die große Bühne der bundesweit geführten Debatten und legte in Ihrem Statement den Fokus auf die spezifischen Verhältnisse im Celler Rat, in dem die „AfD-Fraktion als Mehrheitsbeschaffer diene“. Als Beispiele nannte sie die Abstimmungen über den Haushalt oder gebührenpflichtige Toilettennutzung. Auch Dr. Udo Hörstmann (Unabhängige) griff diesen Aspekt auf und formulierte: „Mit Stimmen der AfD zum Wohle der Stadt. Wir reden nicht ausreichend mit den Vertretern der AfD, wir sollten nicht ausgrenzen.“ Mit den kommunalen Vertretern der AfD könne man reden, mit einem Höcke nicht. Dr. Michael Bischoff (CDU) mahnte indes, „die Augen auch vor dem Links- und religiös motivierten Extremismus nicht zu verschließen. Auch dieses muss eine wehrhafte Demokratie abwehren.“

Als einer der letzten Redner begab sich Salhattin Kizilyel (SPD) ans Pult: „Ich als Celler liebe die Vielfalt dieser Stadt, eine Vielfalt, für die es sich lohnt, auf die Straße zu gehen.“

Anke Schlicht
Celler Presse

Die „Trierer Erklärung“ des Deutschen Städtetages vom 8.1.2024 im Wortlaut:

Das jüngst bekannt gewordene Treffen von AfD-Funktionären mit Mitgliedern der Identitären Bewegung und die dort diskutierte Deportation von Millionen Menschen aus Deutschland hat uns alle schockiert. Wir nehmen es nicht hin, dass rechtsextreme Kräfte eine Atmosphäre der Verunsicherung, der Angst und des Hasses in unserem Land und in unseren Städten schüren.

In unseren Städten leben Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammen, als Nachbarinnen und Nachbarn, als Kolleginnen und Kollegen, als Freunde und Freundinnen, als Familie. Das ist die Lebensrealität in unseren Stadtgesellschaften. Das macht unsere Städte aus. Unsere Städte gehören allen Menschen, die hier leben. Wir akzeptieren nicht, dass Bürger und Bürgerinnen, dass Familien, dass sogar Kinder in unseren Städten davor Angst haben müssen, von hier vertrieben zu werden.

Unterschiedliche Meinungen, unterschiedliche Bewertungen politischer Themen, auch unterschiedliche Positionen zur Migrations- und Asylpolitik sind Teil unserer Demokratie. Demokratie braucht Auseinandersetzung. Demokratinnen und Demokraten müssen auch Streit aushalten und Widerspruch akzeptieren. Was wir nicht akzeptieren, ist, wenn der Kern unserer Verfassung und die Basis unseres Zusammenlebens angegriffen wird: die Würde des Menschen.Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaat müssen immer wieder neu verteidigt werden. Eine wehrhafte Demokratie lebt von einer aktiven und wachen Zivilgesellschaft vor Ort. Das haben Zehntausende Menschen in den vergangenen Tagen in unseren Städten deutlich gemacht. Die Menschen, die aktuell gemeinsam auf die Straße gehen, um Farbe zu bekennen für Demokratie und Menschenwürde, senden ein klares Signal der Solidarität – und gegen die Spaltung unserer Stadtgesellschaften.

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