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Niedersachsens Landwirtschaft zwischen Exportboom und tiefer Krise

NIEDERSACHSEN. Auch im von der Corona-Pandemie überschatteten Jahr 2020 hat sich die Landwirtschaftskammer (LWK) Niedersachsen als Mittlerin zwischen gesellschaftlichen Debatten, politischen Veränderungen und den Anforderungen und Bedürfnissen der Praxis in Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Gartenbau und Fischerei bewährt: Dieses Fazit zog Kammerpräsident Gerhard Schwetje heute am Ende der Kammerversammlung, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes als Videokonferenz stattfand.

Die landwirtschaftlichen Betriebe stehen gleichwohl vor einer ungewissen Zukunft: Zwar haben die besonderen Bedingungen auf den asiatischen Schweinefleischmärkten die Wirtschaftsergebnisse 2019/2020 sehr positiv beeinflusst. Doch der Gegensatz zur aktuellen Lage könnte kaum größer sein: Längst sind die landwirtschaftlichen Unternehmerinnen und Unternehmer von den Hiobsbotschaften rund um den Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest, der Covid-19-Pandemie und der damit verbundenen Schließung von Schlachthöfen sowie dem Ausbruch der Geflügelpest eingeholt worden.

Die besonderen Bedingungen auf den asiatischen Schweinefleischmärkten haben die Wirtschaftsergebnisse 2019/2020 der landwirtschaftlichen Unternehmen in Niedersachsen sehr positiv beeinflusst. „Im Durchschnitt aller untersuchten Betriebe kletterten die Ergebnisse wegen des zeitweiligen Exportbooms auf rund 72.200 Euro“, zog Gerhard Schwetje, Präsident der Landwirtschaftskammer (LWK) Niedersachsen, am Donnerstag (26. November) eine Bilanz. „Noch nie aber lagen Zahlen aus der Vergangenheit und die zum heutigen Tage vorherrschende Realität so dramatisch auseinander“, betonte Schwetje während einer Video-Pressekonferenz, die im Anschluss an die Kammerversammlung stattfand.

Schwetjes Fazit: Längst seien die landwirtschaftlichen Unternehmerinnen und Unternehmer von den Hiobsbotschaften rund um den Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP), der Covid-19-Pandemie und der damit verbundenen Schließung von Schlachthöfen sowie dem Ausbruch der Geflügelpest eingeholt worden. Datengrundlage der genannten Zahlen ist eine repräsentative Stichprobe von 850 landwirtschaftlichen Betrieben in Niedersachsen (Testbetriebsnetz). Deren Jahresabschlüsse wertet die Landwirtschaftskammer Niedersachsen jährlich im Auftrag der Bundesregierung aus. Das berechnete Wirtschaftsjahr bezieht sich auf den Zeitraum 1. Juli 2019 bis 30. Juni 2020, bei Milchviehbetrieben vom 1. Mai 2019 bis 30. April 2020.

In der Schweinehaltung hatten im Sommer 2019 außergewöhnliche Exportmöglichkeiten nach China dazu geführt, dass Rekordpreise für Ferkel und Schlachtschweine realisiert werden konnten. „Die Veredlungsbetriebe erzielten dadurch ein Unternehmensergebnis von 113.700 Euro und liegen damit weit über den anderen Betriebsformen der landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebe“, berichtete der Kammerpräsident. Der boomende Fleischexport als Folge des Ausbruchs der Schweinepest in Asien hat mittlerweile allerdings ein jähes Ende gefunden: Seit Anfang September, als der ASP-Virus erstmals an einem in Deutschland verendeten Wildschwein diagnostiziert wurde, haben China und weitere asiatische Staaten den Import deutschen Schweinefleischs gestoppt.

Erneut hart traf es im abgelaufenen Wirtschaftsjahr die Milchvieh- beziehungsweise die Futterbaubetriebe: Im dritten Jahr in Folge fehlte der Niederschlag. Das Grünland hatte mit Mäuseplagen sowie mit Schäden durch Insektenlarven und Gänse zu kämpfen. Erneut rückläufige Preise für Milch und Rindfleisch setzen die Betriebe wirtschaftlich unter Druck. „Die Futterbaubetriebe stehen mit durchschnittlich 59.700 Euro am Ende der Einkommensskala“, präzisierte Schwetje. Rückläufige Unternehmensergebnisse nannte Schwetje auch für die
Ackerbaubetriebe: Zwar konnten die Getreideerträge im Vergleich zum extremen Vorjahr gesteigert werden, so dass die Umsatzerlöse aufgrund sinkender Weltmarktpreise stabil blieben. Besonders deutlich war aber der Preisrückgang für Speisekartoffeln. „Am Ende lagen die Ergebnisse insgesamt bei 77.500 Euro“, berichtete der Kammerpräsident.

Das Ergebnis der Gemischt- beziehungsweise Verbundbetriebe folgte der allgemeinen Entwicklung auf dem Schweinemarkt und stieg auf 64.500 Euro je Betrieb. Schwetje erinnerte nachdrücklich daran, dass von den errechneten Betriebsergebnissen noch Steuern, Alters- und Krankenversicherungen, die Leistungen für die Altenteiler sowie Neuinvestitionen zu bezahlen seien. „Da bleibt für die Eigenkapitalbildung nichts übrig“, folgerte der Kammerpräsident.

Der Durchschnitt der gut 2.100 Ökobetriebe in Niedersachsen rangiert beim Unternehmensergebnis im zurückliegenden Wirtschaftsjahr nahezu gleichauf mit den konventionell wirtschaftenden Berufskolleginnen und -kollegen: Der Gewinn von 71.800 Euro hat dabei aber nicht das Vorjahresniveau in Höhe von 78.600 Euro erreicht. Das wachsende Angebot an ökologisch erzeugten Nahrungsmitteln hatte Mühe, sich im Umfeld der ebenfalls zunehmenden regionalen Direktvermarktung zu behaupten. Durch ihre extensivere Wirtschaftsweise und den damit verbundenen geringeren Kapitaleinsatz haben es die Ökobetriebe aber trotzdem geschafft, ihr Kapital angemessen zu verzinsen und ihre eingesetzte Arbeit entsprechend zu entlohnen. Überaus besorgt zeigte sich die Kammerspitze mit Blick auf die aktuellen Geschehnisse in der Landwirtschaft und deren Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation der Familienbetriebe: Schlachthofschließungen und die mittlerweile auch in Deutschland ausgebrochene Afrikanische Schweinepest haben den Schweinemarkt fest im Griff.

Die geschlossenen Restaurants, die abgesagte Großveranstaltungen und die weiteren Auswirkungen des Lockdowns auf das öffentliche Leben führten dazu, dass die Absatzmärkte der Feldfrüchte spürbar gelitten haben. Für die Milchbauern werden auch die Produktionsverhältnisse des laufenden Wirtschaftsjahres 2020/21 nicht kostendeckend sein: Im dritten Jahr in Folge leiden die Rindviehhalter unter sinkenden Milch- und Rindfleischpreisen. „Das alles hilft nur wenig, um in existenzbedrohenden Zeiten Optimismus zu verbreiten“, sagte Schwetje.

PR

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