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Kämpferische Appelle am Tag der Arbeit in Celle

CELLE. Am heutigen Tag der Arbeiterbewegung fand auf der Stechbahn eine von den Gewerkschaften und arbeitgebernahen Verbänden organisierte Kundgebung statt. Politisch und emotional sprachen die Redner den Besucherinnen Besuchern ins Gewissen. Dabei erhoben sie mehrfach den Zeigefinger und forderten Geschlossenheit und Solidarität. Ganz nach dem diesjährigen Motto „Wir sind viele – Wir sind eins.“

Nach den Umstrukturierungen und Neuaufstellungen der deutschen Gewerkschaften feiern sie den Tag der Arbeit. Das ist schon 125 Jahre her, erinnert der Celler Kreisvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Paul Stern bei seiner kurzen Begrüßung. Er übergab jedoch schnell an Pastor Dr. Andreas Flick von der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Celle. Flick sprach jedoch nicht allein im Namen seiner Gemeinde. Im Rahmen der Ökumene in Celle konnte er im Namen der Celler Kirchen die Besucherinnen und Besucher willkommen heißen. Für Flick ist dies ein wichtiger Tag und dankte den Gewerkschaften im Namen der Kirche. „Die Gewerkschaften setzen sich ein, dass der Sonntag frei bleiben soll“, erläutert Pastor Dr. Andreas Flick. Die Kirchen seien ebenfalls auf der Seite Gewerkschaften und somit vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Einzelhandel. Daher findet Flick, dass die Shopping-Lust nicht über dem Wohl der Arbeiter/innen stehen darf.

Paul Stern forderte in einer flammenden Rede die Tarifbindung für Alle und bezog sich auch die neuen Arbeitsverhältnisse der Freelancer und anderer fragiler Beschäftigungsverhältnisse. Stern verwies auf die Brücke von „Laptop und Wischmop“, die die Gewerkschaft verbindet. Jeder solle sich bei den Gewerkschaften organisieren. Nur so seien die Gewerkschaften stark genug, die Interessen durchzusetzen, so Stern. Er fordert zugleich eine radikale „Sozial-Ökologische-Transformation“, denn in diesem Land müsse sich etwas ändern. Global gesehen verglich Stern den in der Kritik stehenden amerikanischen Präsidenten Donald J. Trump mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Die Welt ändere sich gerade, nicht zum Guten. Stern verwies auf den kommenden G20-Gipfel am 7. und 8. Juli 2017 in Hamburg. Dort sollen wieder Kundgebungen gegen die fehlgeleitete Politik, die gegen den eigentlichen Willen der Bevölkerungen sich richtet, stattfinden.

In einer emotional bewegenden und zugleich auch besorgniserregenden Rede traten die ver.di-Mitglieder Marion Wiechmann und Uwe Stark an das Mikrofon. Wiechmann und Stark arbeiten selbst im Allgemeinen Krankenhaus Celle (AKH) und wollten in einem Appell auf die schlechten Zustände aufmerksam machen. Der Pflegenotstand und der Zeitdruck im medizinischen Bereich seien den Menschen bekannt, doch die Dramatik werde der Politik noch nicht bewusst, wenn man die Worte der beiden Redner mitverfolgt hat. So werde die verpflichtende Händedesinfektion, die nur wenige Momente dauert, zum Zeitfresser, denn Zeit haben sie nicht, ganz im Gegenteil, erklärt Wiechmann. Da werde bei der freien Zeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als selbstverständlich erachtet, dass diese mit eingebracht werde. Es tue ihnen in der Seele weh, wenn sie pflegebedürftigen Menschen das Essen zuführen müssen, jedoch eigentlich keine Zeit haben und ihnen die erbrachte Pflege nicht gerecht werde. Der Pflegenotstand sei omnipräsent und ein dringendes Problem, was bis zur Verwechslung von Medikamenten führe.
Wiechmann und Stark „rufen um Hilfe“ und wollen die „Rechte der Kranken erzwingen, damit jeder eine menschenwürdige Pflege bekommt“.

Fabiola Richter von der IG Metall verweist auf eine bundesweite Beschäftigtenbefragung. Diese dauere zwar 30 Minuten, jedoch haben sich viele dazu bereiterklärt daran mitzumachen, erzählt Richter. Die Ergebnisse seien nicht verwunderlich, denn die Befragten fordern eine Korrektur der Arbeitsmarktpolitik. Das sagen nicht nur 83%, sondern sei auch ein Kernanliegen der IG Metall. Die Altersversorgung sei ebenfalls ein zentrales Thema, was auch das ver.di-Ortsverbandsmitglied Wolfgang Ebensen aufgriff. Ebensen kritisierte die etablierten Parteien, dass diese nicht auf die Belange der Rentnerinnen und Rentner eingehen. Man müsse wieder Wut lernen, denn das niedrige Rentenniveau, die geringen Steigerungen und die versteckten Steuern führen mittelfristig dazu, dass viele Rentner in Zukunft noch Sozialhilfe beziehen müssten. Ebensen mahnt, dass es nicht sein könne, dass man durch solche Politik Rentner dazu zwinge, nebenbei einen Minijob annehmen zu müssen.

Yilmaz Kaba ist nicht nur im Vorstand der Eziden in Deutschland, Kaba sprach beim Tag der Arbeit auch für das ezidische Kulturzentrum in Celle. Der Tag der Arbeit sei auch ein Tag der Solidarität und so machte Kaba auf die Missstände in der Welt und vor allem in den umkämpften Kurdengebieten aufmerksam. In Deutschland, kritisierte er, werden Ängste geschürt, was auch Einfluss auf die Lage der Kurden habe. Kaba forderte zum Kampf gegen die Unterdrückung und für Solidarität und Demokratie auf.

Werner Leise von der Gruppe A-t-t-a-c (association pour une taxation des transactions financières pour l’aide aux citoyens) rief alle Anwesenden zur Mündigkeit auf. In diesem Jahr sind viele Wahlen und die Menschen sollten endlich einmal auf die Wahlprogramme der Parteien schauen und nicht nach einem festen Muster immer dieselbe Partei wählen. Leise erinnerte ebenfalls an den G20-Gipfel in Hamburg und würde sich freuen, wenn viele aus Celle zur großen internationalen Demonstration mitkommen würden.

Die organisierte Veranstaltung mahnte und rüttelte auf. Die kleinen Stände und der Imbiss rundeten das Konzept ab. Gemeinsam standen die Teilnehmer zusammen und bei schönem Wetter glich es einem Fest.

Den musikalischen Schluss bildete Celles älteste Bluesband „Stars & Bars“. Mit ihrer stimmungsvollen Musik luden sie zum Verweilen ein, denn die Verbände, Gewerkschaften und Organisationen hatten am Rande immer ein offenes Ohr und viele Informationen.

Redaktion
Celler Presse

Niedersächsischer Appell für mehr Krankenhauspersonal
Es fehlt an Personal im Krankenhaus. Die Versorgung ist in Gefahr. Patienten und Angehörige leiden darunter. Die Beschäftigten haben ihre Belastungsgrenze längst überschritten.

Rede des DGB-Kreisvorsitzenden Paul Stern auf der 1. Mai-Kundgebung des DGB-Kreisverbandes Celle am 1. Mai 2017

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
mit diesen Flüchtlingen kann es nicht mehr weiter so gehen. Wir müssen sie hart in die Schranken weisen. Ihr wisst, von wem ich spreche. Die Tarifflucht breitet sich wie ein Krebsgeschwür in der Gesellschaft aus. Weniger als die Hälfte der Kolleginnen und Kollegen arbeiten in Betrieben mit Tarifbindung. Die Unternehmer nutzen die Tarifflucht, um ihre Profite zu erhöhen.
Das muss ein Ende haben: Tarifbindung für Alle statt Armutslöhne für Viele !
Und deshalb auch keine Aufträge von Bund, Länder und Kommunen an Unternehmen, die tarifflüchtig sind.

Die sich entwickelnde Industrie 4.0 bietet jede Menge Risiken.
Neue Fragen sind aufgetaucht, die weitergehende Diskussionen erfordern: etwa die Frage, wie angesichts der neuen Rationalisierungswelle (“Industrie 4.0”) ein neuer Anlauf für eine massive Arbeitszeitverkürzung als gesellschaftspolitisches Projekt unternommen werden kann
Im Zuge der Digitalisierung ist ein neues Arbeiter_innenheer entstanden, das vom alten Proletariat entfernt ist , das neue Pixelproletariat. Freelancer, denen ihre vermeintlich selbstgewählte Freiheit gefällt, auch wenn Burnout, Depression, Tinitus und Altersarmut vorprogrammiert sind.
Wir können ihnen nur raten, organisiert euch in den Gewerkschaften, wir sind offen für euch.
Neue und alte Arbeitsformen in einer Bewegung.
Plakativ: Wir brauchen ein Bündnis von laptop und Wischmob !

Prekäre Beschäftigung schafft keine soziale Sicherheit. Rund 38 Prozent der Leiharbeiter_innen sind im vergangenen Jahr nach einem Jobverlust direkt in Hartz IV gerutscht oder mussten ergänzend die Leistung beantragen. Sie scheiterten an den hohen Hürden für den Bezug von Arbeitslosengeld I oder verdienten vorher zu wenig. 2016 waren trotz ihrer Beitragzahlungen mehr als 129.000 Leiharbeiter_innen nicht oder nicht ausreichend über die Arbeitslosenversicherung abgesichert.

Soziale Gerechtigkeit bedeutet: Auf dem Arbeitsmarkt, bei der Rente, bei der Krankenversicherung und bei den Löhnen muss es wieder aufwärts gehen.
Die Beschäftigten haben ein Recht auf anständige Löhne, auf unbefristete Arbeitsverträge, auf Absicherung und Weiterbildung in der Erwerbslosigkeit.
Sie brauchen den Schutz von Tarifverträgen und eine Ausweitung von Mitbestimmungsrechten.

Gewerkschaften als traditioneller Bündnispartner der Friedensbewegung sind für Abrüstung und die friedliche Beilegung von Konflikten. Aber der Irre in Washington schickt beim Schokoladenkuchenessen einfach mal 59 Marschflugkörper nach Syrien, die Tod und Verderben brachten. Ohne Beweise, ohne eine internationale Untersuchung abzuwarten. Das ist Staatsterrorismus übelster Sorte – das kann nicht die Zukunft internationaler Politik sein.
Statt Auslandseinsätze der Bundeswehr brauchen wir mehr Streikeinsätze der Gewerkschaften.
Um eine Celler Lokalposse zu konterkarieren sagen wir klar:
Bouleplätze statt Truppenübungsplätze !

Praktischer Klimaschutz wird immer wichtiger. „Mutter Erde“ wird es den Gewerkschaften nicht verzeihen, wenn wir nicht zuverlässiger Bündnispartner der Umweltschutzbewegung werden.
Gute Arbeit wird nur einen Sinn haben, wenn die Erde intakt und sauber bleibt.
Climate justice – Klimagerechtigkeit – drückt es aus. Der „grüne Kapitalismus“ wird es nicht schaffen, global ökologische und sozialverträgliche Verhältnisse zu schaffen.
Wir brauchen eine radikale sozialökologische Transformation. Das heißt jetzt damit anfangen, sei es in den Braunkohlerevieren im Rheinland und in der Lausitz oder beim Little Rock in Dakota, wo die Sioux sich verzweifelt gegen die Trump-Ölpipeline wehren.

Dieser Trump, der wie Erdogan und andere Despoten im Juli nach Hamburg kommt, wird nicht müde, die Welt mit neuen Twitterideen zu beglücken.
Der meint, der Klimawechsel sei eh nur ein fakenew.
Dieser G20-Gipfel stellt Weichen für die nächsten Jahre. Deshalb ist es so wichtig, diese Wagenlenker mit unseren Forderungen zu konfrontieren. Die Zeiten sind vorbei, dass hinter verschlossenen Türen Weltpolitik gestaltet wird. Deshalb – save the date – am 8. Juli 2017 alle nach Hamburg zur großen internationalen Demonstration „Solidarität statt G20“.
Solidarität auch für die Kollegin Feleknas Uca. Die Cellerin,
die für die legale Partei HDP als frei gewählte Abgeordnete im türkischen Parlament sitzt, steht unter Terrorverdacht und soll
abgeurteilt werden. Der Sultan von Ankara schafft sich so die Opposition vom Hals. Letzte Woche wurden erneut 14 Gewerkschafter_innen verhaftet.
Im Machtrausch werden täglich nichtmilitärische Ziele in Syrien und im Irak unter Feuer genommen. Bodenoffensiven gegen kurdische Selbstverwaltungsstrukturen laufen an. Unser DGB-Kreisverband hat in den vergangenen Jahren diese Strukturen in Rojava wie PYD und YPG politisch und finanziell unterstützt, z.B. das Projekt „Eine Feuerwehr für Rojava“.
Diese Projekte verglühen nun im türkischen Bombenhagel.
Wir fordern den sofortigen Stopp dieser staatsterroristischen und völkerrechtswidrigen Attacken.
Ebenso fordern wir die Bundesregierung auf, den kurdischen Widerstand zu entkriminalisieren und diese entschiedenste Kraft gegen den „Islamischen Staat“ massiv zu unterstützen.
Wir werden uns von niemanden vorschreiben lassen, mit wem wir solidarisch sind. Da sind wir stur.

In wenigen Wochen später haben wir die Möglichkeit, die Zukunft dieses Landes in die eigene Hand zu nehmen. Wir entscheiden, wie die Bundestagswahl am 24. September 2017 ausgeht.
Wir entscheiden, ob es ein „Weiter so“ geben wird oder ob es zu einem Politikwechsel kommt, der diesen Namen auch verdient.
Ein existenzsichernder Mindestlohn, eine armutsfeste Mindestrente, eine Abschaffung von Leiharbeit – es liegt an uns, dies zu erreichen.
Und wir als Gewerkschaften hatten es versprochen – die Freihandelsabkommen CETA, TTIP und TISA sind unfairhandelbar.
Trotzdem ist CETA auf den Weg gebracht – aber noch zu stoppen.

Wir dürfen nicht zur Wahl einer bestimmten Partei aufrufen, aber wir können klar sagen:
Wer sich für die demokratiefeindlichen Freihandelsabkommen ausspricht, ist für uns nicht wählbar.
Und weiterhin können wir sagen, dass Parteien mit einem nationalautoritären Markenkern für uns nicht wählbar sind. Es gibt kein Recht auf völkisch-rassistische Hetze !
Lieber bunt als blau-braun !
In diesem Sinne, Kolleginnen und Kollegen, einen schönen 1. Mai. Glück auf !

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