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Die Celler Kulturwirtschaft steht in Flammen

CELLE. Die bundesweite Aktion “Night of Light“ setzte in der Nacht vom 22. zum 23. Juni ein imposantes Zeichen für die bedrohte Veranstaltungswirtschaft. Damit ruft sie Politik und Gesellschaft zu einem Dialog auf, um gemeinsam Wege aus der finanziellen Krise zu entwickeln. In 250 unterschiedlichen Städten wurde zeitgleich Wahrzeichen der Kultur in leuchtende Mahnmale umgewandelt, welche zu einem gewaltigen Licht-Monument arrangiert werden. Mit diesem flammenden Appell thematisiere die Veranstaltungswirtschaft sowohl die Vielfältigkeit, als auch die eigene Systemrelevanz. Denn über Nacht hätten coronabedingte Auflagen diese Wirtschaft an den Abgrund gedrängt.

Der riesige Wirtschaftszweig besteht aus Veranstaltern, Spielstätten, Zulieferern und Dienstleistern jeder Art und Größe: Technikfirmen, Bühnen- und Messebauer, Ausstatter, Caterer, Logistiker sowie Künstler. Aber auch Einzelunternehmer steuern zum Beispiel Content, Drehbuch, Regie oder florale Dekoration zu Events bei. Über 150 verschiedene Gewerke und Spezialdisziplinen sind Teil dieser Industrie und verfügen daher über keine einheitliche Lobby. Eine enorme Pleitewelle droht und wirkt sich sowohl auf den Arbeitsmarkt als auch auf die kulturelle Vielfalt aus.

Sowohl Veranstalter als auch Veranstaltungstechniker aus Celle hätten Einbußen von knapp 100 Prozent zu verzeichnen. Viele würden die „freie Zeit“ sinnvoll nutzen für Umbaumaßnahmen, Weiterbildung, ehrenamtliche Projekte, Liegengebliebenes oder für die Familie. Soforthilfen, Kurzarbeit oder HartzIV-Bezüge stelle für die Wenigsten wirklich eine brauchbare Rettung dar. Ihr Wunsch: hoffentlich würden die Politik als auch die Gesellschaft bemerken, in welcher Not sich einer der größten Wirtschaftszweige in Deutschland befände und wieviele aus der weitverzweigten Branche in finanzielle Not gerieten.

Schlosstheater: „Wie lässt sich auf Bühnen in ausreichendem Sicherheitsabstand proben?“

Die pfiffige Beleuchtungsabteilung und Theatertechnik hatte diese Leuchtaktion umgesetzt. Das Theater werde wohl auch noch bis zum Ende der jetzigen Spielzeit Mitte Juli keine Vorstellungen zeigen können. 90 Prozent der Belegschaft wären streckenweise in Kurzarbeit beschäftigt gewesen. Eine große Herausforderung sei das Proben auf der Bühne in ausreichendem Sicherheitsabstand. So würde sie genau auf die Zahl der Menschen auf der Bühne acht und das seien weitaus mehr, als das Publikum üblicherweise sehen könne. Aber da wären sie zuversichtlich: „Hier suchen und werden wir kreative Lösungen finden!“ Das Schlosstheater erhoffe sich durch die Teilnahme an „Night of Light“ Aufmerksamkeit, Schulterschluss und Solidarität innerhalb der Veranstaltungsbranche. Bei der Aktion habe das Schlosstheater mit allen Celler Beteiligten und den lokalen Akteuren kooperiert.

Carsten Dapper: „Kreative leisten die zweithöchste Bruttowertschöpfung in Deutschland.“

Carsten Dapper von dapper.entertainment GmbH & Co.KG hatte Fenster seines Coworking Space beleuchtet. Seit März verkauft die Veranstaltungsagentur kaum Karten, selbst für zukünftige Veranstaltungen nicht. Schließlich wisse niemand, wann Veranstaltungen wieder erlaubt wären. Die Künstleragentur könne kaum Künstler zu zeitnahen Auftritten verhelfen, da derzeit keine Veranstaltungen stattfänden. Die Honorarkraft arbeite im bisherigen Umfang weiter, für die Aushilfskraft gebe es aber keine Aufgaben. Die rasche Soforthilfe habe einen wesentlichen Teil der laufenden Kosten abdecken können. Entgegen Aussagen wie, Künstler würden „das ja alles nur als Hobby machen“ und „ob man davon leben könne“,  leiste die Kultur- und Kreativwirtschaft die zweithöchsten Bruttowertschöpfung in Deutschland. Diese Aktion zeige gut auf, wie viele in der Branche von den Corona-Auswirkungen betroffen wären. 

Inkognito: „Corona hat deutliche Auswirkungen auf das Personal gehabt.“

Das Team hat auch in ihrer Freizeit und nach der eigentlichen Arbeit mit angepackt. So hatten sie mit eigener Technik diese Aktion realisieren können. Zuletzt habe die Disko die ü30-Party am 07. März veranstaltet. Den fehlenden Einnahmen stünden ein immenser Kostenapparat gegenüber. Durch die coronabedingte Schließung hätten 450€-Kräfte, Thekenbedienungen, Service & Reinigungskräfte keinen Verdienst erhalten. Selbst für die festangestellten Mitarbeiter fielen alle Nachtzuschläge weg. Derzeit bewältige das inkognito einen großen Umbau, daher habe es keine Kurzarbeit gegeben. Ganz im Gegenteil: die festangestellten Mitarbeiter hätten Betrieb und Umbau durch Lohnverzicht ermöglicht. Die Soforthilfe und das neue Hilfe Paket ab dem 01. Juli würden nicht die bestehenden Fixkosten decken. Der übervorsichtige Umgang mit dem Corona Virus treibe aktuell die komplette deutsche Veranstaltungsindustrie in den Ruin. Das inkognito-Team freue sich über ein so deutliches und zahlreiches Zeichen in Celle.

Karin Skradde: „Ich kann mir Deutschland ohne Kultur nicht vorstellen.“

Das Angebot der technischen Unterstützung von Max Mund hat die Beleuchtung so kurzfristig ermöglicht. Die Soforthilfe hat die meisten bisherigen Kosten wie Miete decken können. Allerdings müsse der Verein weitere Kosten wie Versicherung und Reinigung selber stemmen. Auch für Künstler würden geplante Einnahmen wegbrechen, daher habe die Programmkoordinatorin Brigitte Hildebrand bei der Umbuchung sie auf mögliche Auftritte bei Kanal29 hingewiesen. Die Schüler der KAV-Tec könnten derzeit keine weiteren Erfahrungen mit der Veranstaltungstechnik sammeln. Die 1. Vorsitzende Karin Skradde fordert die Politik auf, dringend rettende Maßnahmen ohne Neuverschuldung zu beschließen, um Kultur zu erhalten: „Deutschland ohne Kultur kann ich mir nicht vorstellen. Ich möchte auch nicht in einem solchen Land leben wollen!“

Max Mund: „Das gute Netzwerk der Celler Veranstaltungsbranche hat es erst ermöglicht.“

Der Verband der deutschen Medien- und Veranstaltungstechniker hatte Max Mund (Organisator der Celler Aktion) mit einer Rundmail zu dem Vorhaben informiert. Durch das gute Netzwerk in der Celler Veranstaltungsbranche hatten sie „Night of Light“ so kurzfristig umsetzen können. Die Arbeit mit dem selbst inszenierten Kulturstreamingprojekt Kanal29 (Streamingdiesnt für Betriebsversammlungen, Autokino und diverse Konzerte) hatten alle etwas näher zusammengeführt. Auch Stadt Celle habe dieses Projekt voll und ganz unterstützt, so wären durch die richtigen Ansprechpartner in kurzer Zeit alle Anträge genehmigt worden. Diese Aktionen hätten aber nicht einmal die Betriebskosten gedeckt. Die aktuellen Soforthilfe Maßnahmen seien insbesondere für mittelständische Betriebe absolut unzureichend. So würden einige Betriebe aus der Veranstaltungswirtschaft die kommenden 100 Tage nicht überleben. Teilnehmer dieser  Aktion: Congress Union / CD Kaserne / Schlosstheater / Kunst&Bühne / SOUND&VISION Eventtec GmbH / Viso Productions / In Light&Sound / CellLight Laser und sie selbst, MM Veranstaltungstechnik. Weiterhin hätten mehrere selbstständige Einzelunternehmern mit ihrer Arbeitskraft unterstützt.

Maike Wrede-Stellmann: „Für Veranstaltungen bleiben die Vorhänge noch lange unten!“

Mit knapp 130 Milliarden Euro stehe die Eventbranche auf Platz 6 der umsatzstärksten Branchen in Deutschland. Oft würden sie unbemerkt im Hintergrund arbeiten, unauffällig und diskret, damit jedes Event reibungslos laufe. Daher wolle sie als relevanter Wirtschaftszweig für Deutschland wahrgenommen und wertgeschätzt werden. Derzeit werde mit Rücklagen und Erspartem versucht Lager, Büros, Fuhrpark, Verwaltung weiterhin zu unterhalten. Soforthilfen vom Bund würden kleine Firmen nicht erreichen. Das indirekte Berufsverbot habe eine finanzielle Not verursacht, die Menschen in Hartz IV treibt. Dies könnte zu ausfallenden Veranstaltungen auch nach Corona führen. Für die Veranstaltungsbranche würde noch lange die Vorhänge nicht wieder aufgehen. Sie würden Hilfen benötigen, damit auch Kultur, Messe, Festival, B2B Veranstaltungen o.v.a.m. weitergehen könnten. „Meine Firma kann im nächsten Jahr auf 25 Jahre Veranstaltungstechnik zurückblicken! Ich habe für den Aufbau persönlich auf Vieles verzichtet und auf der anderen Seite viel investiert. Ich werde dafür kämpfen, dass auch eine Corona Epidemie mein Lebenswerk nicht zerstört!“ Die gut vernetzten Celler Unternehmen hätten sich die Gebäude aufgeteilt. Aktuelle Standorte und Firmen könne der interaktiven Karte entnommen werden: https://night-of-light.show-advance.com/map

Pyrotechnik: „Jeder aus der Branche brennt leidenschaftlich für seine Kunst!“

Der Pyrotechniker von bgb-yro-tec hatte diese Aktion zusätzlich mit roten Bengalen und roten Flammen unterstützt. Für einen Sofortkredit der Bank oder des KfW habe der Soloselbstständige Kevin Becker die Geschäftsbücher des letzten Jahres vorlegen müssen, die kaum Umsatz gezeigt hätten. Obwohl er bereits vor mehreren Monaten Ware von über 40.000 Euro für die ausgefallenen Shows besorgt habe, erhalte er aufgrund des letzten umsatzschwachen Jahres keine Soforthilfe. Kevin Becker hatte am Anfang noch Einiges auffangen können durch seine Arbeit im Katastrophenschutz Niedersachsen. Dies decke allerdings nicht die Kosten für Bunker, für Versicherungen und allem was dazu gehöre. Trotz alledem werde er unterstützt von Ehrenamtlichen an drei Standorten in Celle zum 16. Juli ein Feuerwerk anzünden unter dem Motto „aller Augen leuchten“. Gesucht seien aber noch namentlich erwähnte Hauptsponsoren für jeden Standort. Jeder aus der Branche würde für seine Kunst leidenschaftlich brennen. Daher würden sie jede Nacht – auch am Wochenende – arbeiten, um anderen das Feiern zu ermöglichen.

Im Gespräch mit …

Peter Burgdorf (Winterzauber), Christian Westmann (In Light & Sound), Nicolai Schanz (Viso Production), Merlin Schaadt (CellLight Laser), Thies Holler (Auszubildender der CD-Kaserne, Thies Holler Eventec) und Kevin Peter (Schlosstheater).

Derzeit sitzen sie auf ihrem Material und haben kaum Aufträge. Daher freue es sie, über diese Aktion mal ihre Kunst wieder zu zeigen. An dem Veranstaltungssektor würde mehr dranhängen, als das Publikum häufig erahnen würde. Für ein kleines Stadtfest mit 3 Bühnen, das 2 Tage lang läuft, werden bis zu 500 aktive Unterstützer gebraucht, um für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen. Der Wahnsinnsaufwand von mehrwöchigen Planungen und auch Nachbereitungen sei dem Publikum selten bewusst. Der finanzielle Verlust der Veranstaltungsindustrie mit all ihren Unterstützern – auch aus anderen Branchen – sei sehr schwerwiegend.  Sie wüssten aber auch, dass durch die Corona-Beschränkungen in Deutschland die Erkrankungen so gering ausgefallen wären. Aber die jungen Techniker würden den Kopf nicht in den Sand stecken. Denn eins sei gewiss, irgendwann werde auch die Veranstaltungsbranche wieder in Betrieb gehen können und sie könnten wieder ihrer Leidenschaft für Technik und deren Kunst nachgehen.

Redaktion
Celler Presse

Foto: CellLight

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