Dienstag, 22. April 2025

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„Unnötig versiegeln“ für „unnötiges Elterntaxi-Unwesen“?

Für Mikroentsiegelung wirbt Oberbürgermeister Dr. Jörg Nigge in einer aktuellen Pressemitteilung seiner Stadtverwaltung. „Wir sind beim Klimaschutz vorne dabei und setzen noch eins drauf. Mikroentsiegelung heißt das jüngste Projekt, das wir derzeit umsetzen“, lässt sich der Verwaltungschef von seiner Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit zitieren.

Von Ausgleich ist zwar nicht die Rede, aber de facto gibt es angesichts etlicher ausgewiesener Neubaugebiete und in jüngster Zeit auch innerstädtisch überbauter brach liegender Areale durchaus etwas zu kompensieren. Noch steht laut Stadtbaurätin Elena Kuhls beispielsweise nicht fest, was mit dem bisherigen Gebäude der Katholischen Grundschule „im Herzen der Celler Altstadt“ geschieht. Für den Neubau an der 77er Straße, unmittelbar neben der DRK-Rettungswache, wurde ebenso ein Gelände versiegelt und Bäume entfernt wie für die benachbarte Hotel- und hochpreisige Wohnbebauung. Grün ist in dem neuen Quartier unweit des Neuen Rathauses auf dem Rückzug, aktuelles Beispiel ist die Umwidmung der Grüninsel zwischen Hostmann- und 77er Straße in eine Verkehrsfläche, um eine Hol- und Bringzone einzurichten, für die eigens ein Bebauungsplan aufgestellt wird.

„Ohne Not versiegeln wir eine Grünfläche“, kritisierte Johanna Thomsen (Grüne) im jüngsten Bauausschuss. Im Vorfeld waren von der grünen Ratsfraktion sowie der WG alternative Standorte vorgeschlagen worden, z.B. der nahegelegene Rathausparkplatz. Die Verwaltung verweist auf eine erfolglose „umfangreiche Standort-Alternativprüfung“ und teilt mit: „An der 77er Straße im räumlichen Zusammenhang mit dem Neubau der Katholischen Grundschule besteht der Bedarf an einer Hol- und Bringzone. Das große Einzugsgebiet der Katholischen Grundschule bringt ein erhöhtes Aufkommen an Hol- und Bringverkehr mit sich. Um diesem Rechnung zu tragen und die Sicherheit der Nutzer zu gewährleisten, ist die Einrichtung eines solchen Bereiches in der Nähe erforderlich.“

HAMBÜHREN ZEIGT ALTERNATIVEN AUF

Liegen die Verantwortlichen im Neuen Rathaus mit dieser Beschreibung der Ausgangssituation – abgesehen von den Argumenten der Versiegelung und der gefahrenbehafteten verkehrlichen Situation aufgrund der Rettungswache des DRK – überhaupt richtig? Schaut man nur wenige Kilometer weiter in die Nachbargemeinde Hambühren lässt sich lernen, wie es anders gehen kann: Bürgermeister Carsten Kranz hat einen Runden Tisch ins Leben gerufen, um ein schulisches Mobilitätskonzept zu erarbeiten. Die Schulwege sollen ausschließlich aus der Perspektive des Kindes gedacht und sicher gemacht werden. Ein Baustein sind Elternhaltestellen, die in einem Abstand von mindestens 200 Metern rund um die Elementareinrichtungen eingerichtet werden und kindgerechte Namen erhalten. „Ab hier zu Fuß“ steht auf der Beschilderung. Intendiert ist, dass sich die Mädchen und Jungen möglichst dort verabreden und den Rest des Weges ab Haltebucht gemeinsam gehen. Wege- und Pädagogik-Konzept sind verzahnt. Direkt vor der Schule besteht ein Halteverbot, das kontrolliert wird. Das übergeordnete Ziel lautet: Grundschulkinder sollen ihren Schulweg selbständig meistern.

Ähnlich äußerte sich der Präsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes Dr. Marco Trips auf der Fachtagung „Abenteuer Schulweg“ zur Schulwegsicherheit in der Congress Union vor drei Jahren: „Eltern sollten motiviert werden, ihre Kinder als ersten Schritt in die Selbständigkeit den Schulweg zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem Bus alleine bewältigen zu lassen. Doch dazu muss der Schulweg sicher sein.“

VORWURF DER IDEOLOGIE

Stadtbaurätin Elena Kuhls warf der grünen Fraktion im jüngsten Umweltausschuss „eine ideologische Diskussion“ vor, die „immer wieder mit Falschaussagen für die Sitzung die Stimmung“ anheizen.“ Das beratende Mitglied als Vertreter der Klimaplattform Dr. Michael Huber entgegnete: „Das Thema des Elterntaxi-Unwesens muss angegangen werden. Das hat nichts mit Ideologie zu tun.“ Es zeige sich, dass der Gebrauch des Elterntaxis in den vergangenen 15 Jahren geradezu ausuferte und deutschlandweit zum Missstand wurde. Etliche Verbände und Institutionen, die sich entweder mit Verkehr, Umwelt oder Pädagogik befassen, haben sich in den vergangenen Monaten eindeutig positioniert: Die Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen (KEAN) fragte bereits im Jahr 2019: „Elterntaxis – Was tun gegen dicke Luft vor der Schule?“ Der TÜV-Verband e.V. Berlin fordert im Oktober 2024 den Ausbau der Fußgänger- und Radverkehrsinfrastruktur: „Eltern müssen Kinder zu sicherer Verkehrsteilnahme befähigen.“ Selbst der ADAC vertritt die Ansicht: „Elterntaxi: Besser nicht mit dem Auto zur Schule.“

Damit unterstützen die Verkehrsverbände die pädagogische Sicht, die die morgendliche Fahrt zur Schule auf dem Rücksitz des Autos als nicht förderlich für die Entwicklung des Kindes zu einer selbständigen Persönlichkeit betrachten. So veranstaltete etwa der Verband Bildung und Erziehung (VBE) im vergangenen Jahr mit Kooperationspartnern Aktionstage unter dem Motto: „Kinder können das – Elterntaxi muss nicht sein“.

„Statt von Seiten der Verwaltung Aktionen zu starten, um vorrangig das Elterntaxi-Unwesen erstmal einzuschränken, werden in Celle leider Hol- und Bringzonen als DIE Lösung geplant und diskutiert“, bedauert Dr. Michael Huber.

Das Thema Hol- und Bringzonen berührt demnach mehrere bei der Planung von Schulen und Kindergärten zu berücksichtigende Aspekte. Zugunsten des spät vorgelegten Verkehrskonzeptes für die Katholische Grundschule muss nun die Wiese mit Baumbestand und Kriegerdenkmal zum Teil weichen, um eine versiegelte Fläche für das Vorfahren von Elterntaxis zu schaffen. Es gibt Befürworter und Gegner, Letztere haben schon ein neues Problem ausgemacht, eventuell würden die Zonen gar nicht genutzt: „Wie will man denn verhindern, dass die Eltern durchfahren bis vor den Eingang?“, lautete eine Frage im jüngsten Schulausschuss. Mit diesem Phänomen sehen sich die Lehrkräfte der Bruchhagen-Schule täglich konfrontiert trotz der Existenz von Hol- und Bringzonen.

Anke Schlicht
Redaktion Celler Presse
Foto: Anke Schlicht

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