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Literatur-Lesung: Magno Cavallo und Ernst Schulze im Heilpflanzengarten

  • Celle

CELLE. „Wer war doch gleich Magno Cavallo?“ Die Ernst-Schulze-Gesellschaft lud in den Heilpflanzengarten zu einer Garten-Lesung ein, und wer kam höchstselbst zu seinem 300. Geburtstag? Der „Prinz von Celle“ Vincentius Dominus de Magno Cavallo! In barocker Tracht erschien er, farblich überwältigend und sichtbar mit Orden besteckt – einst hatte er zahlreiche Medaillen und Prägestempel in Auftrag gegeben, um Menschen damit auszuzeichnen.

Seinen Zuhörerinnen und Zuhörern stellte er sich alsbald authentisch vor. Uwe Winnacker lieh ihm die Stimme und gab dabei mit vielen originalen Zitaten einen umfassenden Überblick über Lebensstationen und Tätigkeitsfelder Magno Cavallos. Zahlreiche hinterlassene Texte finden sich noch heute in Archiven von Riga bis Braunschweig. Magno Cavallo bereiste halb Europa, man kannte ihn als Wunderheiler, Arzt, Poeten, Astronomen, Mathematiker, Chemiker, Hellseher, Herausgeber eines Damenmagazins u.a.m. Er behauptete, der Sohn eines Khans von der Wolga zu sein, war aber wohl ein entlaufener italienischer Mönch. Nach Celle kam er der Königin Caroline Mathilde wegen im Jahr 1774, reiste von hier später wieder nach Norden bis in die Kurlande, kam wohl 1790 nach Celle zurück, baute sich ein Haus mit Sternwarte und Graben rundum und pflegte viele Kontakte. 1805 ist er in Celle gestorben und auf dem nunmehr aufgelassenen Friedhof an der Kuckuckstraße begraben worden.

Einerseits brillierte er mit verrückten Ideen und Voraussagen, andererseits entwickelte er Bedenkenswertes. So empfahl er, wie man gesund und mit entschiedener Toleranz füreinander in Gemeinschaften leben sollte, womit man sich fortbilden könnte oder auch, wie anerkennenswerte Persönlichkeiten zu ehren seien. Mit vielen Briefen an die königliche Verwandtschaft warb er z.B. auch darum, der verehrten Caroline Mathilde ein Denkmal auch andernorts zu setzen, nicht nur in Celle, auch in Berlin und in Altona. Uwe Winnackers Auswahl zahlreicher und bestens vorgetragener Texte wird im Gedächtnis bleiben. Einen Höhepunkt bildete das mit starker Stimme gesungene „Compliment“, ganz im Sinne Cavallos, der Gedichte zu Ehren der Damen nicht nur auf Papier weitergeben wollte, sondern sie musikalisch zu interpretieren empfahl.

Im Anschluss trug Elke Haas einige Stimmen von Zeitgenossen zu Magno Cavallo vor. Eindrücklich hat der Celler Oberappellationsrat Ferdinand Adolf Freiherr von Ende (1760-1816) die schillernde Gestalt charakterisiert: „Cavallo war eine wahre Sonne der Narrheit […] Fürchte nur, die Welt wird an ihren hochgeachteten Nüchtern-Gescheiten dermaleinst zu Grunde gehen.“

Nach Magno Cavallo ließ die Ernst-Schulze-Gesellschaft auch ihren Namengeber zu Wort kommen, den 1817 jung verstorbenen Celler Dichter Ernst Schulze. Nicht kunstvoll gestaltete Verse wurden vorgetragen, sondern glänzend formulierte Prosatexte voller Ironie und Selbstironie. Dietrich Klatt gab eine Probe seiner Kunst, ein Sprachkunstwerk lebendig zu vermitteln, und las, was der Vierundzwanzigjährige in dem Brief an einen Freund von einem Abenteuer als Fünfzehnjähriger berichtet hat, als er im Winter nach Bergen ritt, um eine Cousine zu besuchen, in die er sich verliebt hatte. Er beschreibt lebhaft, wie er sich in Dunkelheit und Schneetreiben verirrte, mit viel Glück das Haus des Onkels erreichte und dort feststellen musste, dass er unwissentlich zur Verlobung der Verehrten gekommen war.

Die briefliche Schilderung einer Wanderung mehrerer Damen und Herren von Göttingen aus zur Burgruine Plesse rezitierte Hermann Wiedenroth in gewohnter Könnerschaft. Die Mitwandernden stellt Schulze mit manchen ironischen Charakterisierungen vor, schildert die Gespräche sehr vergnüglich und spart nicht mit kleinen Seitenhieben. Es bleibt auch nicht allein bei dem Prosatext. Da ihm die Rolle als Minneritter zufällt, hat Ernst Schulze auch Gelegenheit, mit kleinen improvisierten amourösen Versen den Damen zu gefallen.

Getragen wurde die Veranstaltung nicht allein von Literatur. Um den Ort der Lesung herum hatte Friederike Witt-Schiedung in den Beeten zahlreiche Collagen mit phantasievollen Porträts von Magno Cavallo ausgestellt, die die vielfältigen Aspekte dieser besonderen Persönlichkeit bildlich verdeutlichten. Und ein Klarinetten-Duo mit Giovanni Polito und Rainer Schiedung umrahmte die Lesung mit kurzen Musikpassagen, vor allem von Carl Philipp Emanuel Bach, der nur wenig älter war als Magno Cavallo.

Die Gäste schienen es nicht bereut zu haben, diese Veranstaltung besucht zu haben, die auch von Corona-Bedingungen geprägt war: Stühle auf dem Rasen mit Abstandsregeln, Alltagsmasken und aufwendige Anmeldung. Aber gerade in Corona-Zeiten sind Kulturveranstaltungen vonnöten.

Lothar Haas

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